„Die Klimakrise und der Verlust der biologischen Vielfalt schädigen beide die menschliche Gesundheit …

… und sie sind miteinander verknüpft. Deshalb müssen wir sie gemeinsam betrachten.“

British Medical Journal, „Time to treat the climate and nature crisis as one indivisible global health emergency“, BMJ 2023;383:p2355, https://www.bmj.com/content/383/bmj.p2355

„WHO: Forscher fordern Anerkennung von Klimakrise als Gesundheitsnotstand“, Die Zeit, 26.10.2023, https://www.zeit.de/gesundheit/2023-10/gesundheitsnostand-klima-who-cop-aufruf

„Klimawandel: Mediziner warnen: Wir sind im Gesundheitsnotstand“, Süddeutsche Zeitung, 26.10.2323, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/klimawandel-gesundheit-artensterben-who-verheerende-folgen-men­schen-1.6293775

In über 200 internationalen Fachmagazinen fordern Experten die Weltgesundheitsorganisation auf, den Gesundheitsnotstand zu erklären. Die Klimakrise und die anhaltende Zerstörung von Ökosystemen drohen verheerende Auswirkungen auf den Menschen zu haben.

Das Beispiel der Werraversalzung

Am Beispiel der Versalzung des Flusseinzugsgebiets Weser durch die Abwässer der Kaliumindustrie können wir die Folgen der rücksichtslosen Nutzung natürlicher Ressourcen verdeutlichen. Es wird auch klar, dass die Zerstörung von Ökosystemen und die klimaschädliche Vergeudung von Energie und Rohstoffen eine gemeinsame Ursache haben – aber auch gemeinsam gestoppt werden können.

Wir erkennen beispielhaft auch die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft und die Verschärfung der Umweltkrise, wenn sich Politiker und Behörden dazu verleiten lassen, innovationsträge Unternehmen mit rechtswidrigen Genehmigungen zu subventionieren.

Der Verlust des Ökosystems in der Werra und die Zerstörung von Trinkwasserressourcen sind keine notwendigen und akzeptablen Folgen einer sinnvollen Industriepolitik. Kalidünger kann auch ohne Umweltschäden produziert und ohne die Umweltpolitik zu korrumpieren.

Zerstörung von Trinkwasserressourcen

Der K+S AG wurde bis zum Ende des Jahres 2021 erlaubt, einen Teil ihrer Salzabwässer in den Untergrund zu verpressen. Die Abwässer breiten sich dort aus und verdrängen zunächst vorhandenes salziges Formationswasser. Der Geochemiker Ralf E. Krupp, der für die betroffene Gemeinde Gerstungen Trink- und Grundwasser untersucht hat, konnte auch den „chemischen Fingerabdruck“ der K+S-Abwässer im Grundwasser nachweisen.

Das Verpressen von Abwässern hat in Thüringen schon früh zu Problemen mit der Trinkwasserversorgung geführt, in den 1970er Jahren wurde daher die Abwasserverpressung in Thüringen eingestellt. Trotzdem hat sich die Versalzung von Trinkwasserbrunnen fortgesetzt. Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir, dass die Schluckbrunnen auf der hessischen Seite so eingerichtet waren, dass die eingepressten Abwässer hauptsächlich in Thüringen wieder zutage treten mussten.

Die in die Grund- und Trinkwasserschichten eingedrungenen Abwässer nehmen an den Bewegungen der Grundwasserkörper teil und breiten sich so unkontrolliert aus. Die Versalzung von Trinkwasserreserven kann sich so fortsetzen.

Das Verpressen von Abwässern in den Untergrund wurde in Hessen Ende 2021 eingestellt, die Versalzung des Grundwassers wird jedoch fortgesetzt. Ein erheblicher Teil der auf den Salzhalden entstehenden Haldenlaugen versickert nämlich in den Untergrund.

W. Hölzel/WWA, „Schönrednerei und Vertuschung eines Skandals – Die Umweltministerinnen in Hessen und Thüringen und ihr Beitrag zur Werra-Weser-Versalzung“, 26.02.2015 https://bit.ly/3QOw1Ml

Zerstörung des Ökosystems der Werra

Bereits in den 1950er Jahren gab es katastrophale Fischsterben in der Werra. Seitdem wurde das Süßwasser-Ökosystem in der Werra zerstört und in der Weser schwer geschädigt. Der Verursacher hat seitdem keine Maßnahmen ergriffen, um diese Situation zu ändern.

m Gegenteil: Auf Wunsch der K+S AG wurde der sogenannte „Vierphasenplan“ zur Grundlage der Bewirtschaftungspläne 2015-2021 und 2022-2027 gemacht (StA Meiningen, Az. Js 8901/15, 2021). Dieser soll verhindern, dass der Verursacher das Qualitätsziel des „guten ökologischen Zustands“ erreichen und somit die WRRL umsetzen muss. Der „Vierphasenplan“ ist jedoch rechtswidrig:

S. Laskowski, R. Verheyen, „Rechtsgutachten: Werra- und Weser-Versalzung – Vereinbarkeit der Vorschläge Hessens an die FGG Weser mit europäischem und deutschem Wasserrecht“, 26.01.2015

W. Hölzel/WWA, „Ziel des Bewirtschaftungplans 2022-2027 für die Flussgebietseinheit Weser ist die Aufhebung des Gewässerschutzes“, 21.03.2023, https://bit.ly/3qyRYnP

Ewigkeitslasten: Kein Bodenschutz, kein Schutz der Lagerstätte

Die festen Rückstände, die bei der elektrostatischen Aufbereitung der Rohsalze anfallen, werden von der K+S AG oberirdisch abgelagert. Dort entstehen durch Witterungseinwirkung Haldenlaugen, die in den Untergrund versickern und zum Teil aufgefangen und in die Werra geleitet werden.

Die Menge der Haldenlaugen verhindert bereits, dass in der Werra die Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden können. Die Beseitigung der Rückstandshalden durch Einbringung in die Bergwerke wird von dem Unternehmen K+S abgelehnt. Stattdessen ist die Abdeckung der Halden geplant. Zu den Kosten, der Kostenübernahme sowie der Standfestigkeit und der Wirksamkeit hat das Unternehmen bisher keine nachprüfbaren Angaben gemacht.

Die oberirdische Ablagerung von Salzabfällen durch Bergbauunternehmen ist grundsätzlich genehmigungsfähig, jedoch müssten dann zusätzliche Anforderungen an die Abfallentsorgung, den Bodenschutz und den Schutz der Lagerstätte erfüllt werden. Dies ist hier nicht der Fall. Die oberirdische Ablagerung von Rückstandssalzen ist auch keine notwendige Voraussetzung für die Herstellung von Düngemitteln, da andere Verfahren zur Verfügung stehen. Diese Einwände können durch die geplante Abdeckung der Halden nicht beseitigt werden.

R. Zawislo, W. Hölzel, „Das Bundesbergrecht verbietet die Anlage von Rückstandshalden der Kali-Industrie“, 28.01.2023

Vergeudung von Energie und Rohstoffen

Die K-UTEC AG hat der K+S AG im Jahr 2014 vorgerechnet, dass mit den verwendeten Aufbereitungs- und Entsorgungsverfahren jährlich 1,1 Mio. Tonnen an Wertstoffen verloren gehen, darunter 550.000 Tonnen Kaliumsulfatdünger.

Um diesen Verlust auszugleichen, müsste das Unternehmen jährlich zusätzlich ca. 4 Mio. Tonnen Rohsalze abbauen, fördern und aufbereiten. Dazu wäre ein erheblicher Mehrbedarf an Energie notwendig, der bei Anwendung der K-UTEC-Verfahren zum größten Teil eingespart werden könnte. Die Rückgewinnung der Rohstoffe würde außerdem die Ausbeute verbessern und somit die Lagerstätte schonen.

Täuschen und Tarnen: Rechtswidrigkeit der Genehmigungen wird vertuscht

Die Staatsanwaltschaft Meiningen vertritt die Rechtsauffassung, dass der Kali-Industrie seit Inkrafttreten des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG, 1975) ausschließlich rechtswidrige Erlaubnisse erteilt wurden, weil der Besorgnisgrundsatz des Gesetzes regelmäßig nicht beachtet wurde.

Ähnliches gilt seit Inkrafttreten der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, 2000). Deren Verschlechterungsverbot verbietet die Einleitung von Abwässern in Gewässerkörper, die in die schlechteste Qualitätsstufe gem. WRRL eingeteilt wurden. Dies trifft zu für die Werra und das Grundwasser im Werrarevier.

Das Problem muss den hier Verantwortlichen bewusst gewesen sein, da sie erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die Rechtsverstöße der seit 2000 erteilten Genehmigungen zu verschleiern (StA Meiningen, 2021).

In mindestens zwei Aspekten erscheint uns diese Praxis besonders bedenklich gewesen zu sein:

Laugenverpressung: Widerstand der Fachbehörde wird gebrochen

Bis 2010 war der Kali-Industrie im Werra-Revier insgesamt ein Verpressvolumen von etwa 1 Milliarde Kubikmeter zugestanden worden. Bereits 2008 hatte die hessische Fachbehörde HLUG darauf hingewiesen, dass die Annahme eines zur Verfügung stehenden „Versenkraumes“ im Plattendolomit fachlich nicht haltbar sei. Stattdessen seien etwa 60% der versenkten Abwässer (also etwa 600 Millionen Kubikmeter) in die Grundwasser- und Trinkwasserstockwerke aufgestiegen, 20% seien als „diffuse Einträge“ über die Werra abgeflossen. HLUG empfiehlt, die Laugenversenkung einzustellen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass verpresste Abwässer weitere Grundwasserkörper versalzen, verbietet der Besorgnisgrundsatz des WHG jede weitere Verpressung von Abwässern. (HLUG, Grundzüge der Salzwasserversenkung, 13.11.2008; HLUG, Stellungnahme zum Antrag der K+S AG, August 2011).

Da das Unternehmen K+S jedoch keine Maßnahmen ergriffen hatte, um den Abfall von Abfallsalzen zu reduzieren, war es auf die Versenkung als Entsorgungsweg angewiesen. Das RP Kassel hat daher 2011 „letztmalig“ eine weitere Genehmigung bis November 2015 erteilt.

Nach Ablauf dieser Frist hatte sich an dem Problem nichts geändert: die K+S AG wollte die Laugenversenkung fortsetzen und das HLUG bestand darauf, dass dies rechtswidrig sei.

Der Rest findet sich in den Ermittlungen der StA Meiningen: Das HLUG wurde an dem Verfahren nicht mehr beteiligt und eine von K+S ausgewählte und bezahlte Kanzlei ersetzte die Rechtsabteilungen des hessischen Umweltministeriums und des RP Kassel. Ein bereits vorhandenes geologisches Gutachten wurde gezielt verfälscht und mit Hilfe eines weiteren Rechtsgutachtens die Unbedenklichkeit der Laugenverpressung vorgetäuscht. Die auf dieser Grundlage erteilte Genehmigung war bis Ende 2021 gültig.

Vierphasenplan: Die Werra als natürliches Salzgewässer

Die oben genannte Zusammenarbeit zwischen K+S, der Genehmigungsbehörde und dem Umweltministerium hatte noch ein weiteres Ergebnis: Die im „Vierphasenplan“ vereinbarte Herabstufung der Werra zu einem unsanierbaren „natürlichen Salzgewässer“ und die Durchsetzung des Plans in den Bewirtschaftungsplänen 2015-2021 und 2022-2027 für die Flussgebietseinheit Weser. Diese Bewirtschaftungspläne sind rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Herabstufung der Werra nur vorgetäuscht sind. Die Werra ist kein „natürliches Salzgewässer“, ihr schlechter ökologischer Zustand kann ausschließlich auf die Abwässer der K+S AG zurückgeführt werden.

Besser und legal: Die Verfahren der K-UTEC AG

Illegale Genehmigungen und die Herabsetzung der Werra zu einem nicht sanierbaren Fluss sind nicht erforderlich, um Kalidünger im Werragebiet herzustellen. Die K-UTEC AG hat 2014 mehrere Verfahren entwickelt, die eine emissionsfreie Produktion ermöglichen würden. Die General Electric Comp. schlug 2014 vor, zusammen mit der Stadtwerke Union Nordhessen eine Abwasseraufbereitungsanlage zu errichten und die Aufarbeitung der Abwässer des Unternehmens in Dienstleistung zu übernehmen.