Gewässerschutz nach Gutsherrenart – Trinkwassermangel als Klimafolge und die von hessischen Behörden erlaubte Versalzung der Gewässer

Als in den 1970er Jahren die Auswirkungen der Erderwärmung auf das Klima öffentlich diskutiert wurden (Berichte des Club of Rome 1972 und 1974, erste Weltklimakonferenz 1979, in Deutschland im Jahr 1992 Einrichtung des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), da war bald klar, dass eine Klimaänderung auch Auswirkungen auf die Trinkwasservorräte haben würde. Die prognostizierten Dürreperioden und Starkregenphasen müssen notwendig die Neubildung des Grundwassers verzögern – auch im wasserreichen Deutschland. Ressourcenschutz war das Gebot der Stunde.

Inzwischen kennen wir die Auswirkungen in Deutschland genauer: Die Verluste können auch in regenreicheren Jahren nicht mehr ausgeglichen werden. Das Geoforschungsinstitut Potsdam berechnet den jährlichen Verlust in den letzten 20 Jahren auf 760 Mio. Tonnen, das Jet Propulsion Labaoratory kommt gar auf 2,5 Milliarden Tonnen.

Wasserverlust: Deutschland verliert im Schnitt 760 Millionen Tonnen Wasser pro Jahr, https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-04/wasserverlust-deutschland-760-millionen-tonnen-geoforschungszentrum-potsdam

Versorgung:Wassernotstand? Hier?, https://www.sueddeutsche.de/politik/trinkwasser-deutschland-wasserversorgung-klimawandel-1.5784532?reduced=true

Soziale Folgen der Erderwärmung. Der Kampf ums Wasser hat begonnen – mitten in Europa, https://www.spiegel.de/ausland/slug-a-f41721d4-f157-4d76-b93a-da0c5aebbc22

Italien: Behörden melden alarmierende Wasserstände für Gardasee und Po-Fluss, https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-04/italien-gardasee-wassermangel-trockenheit

Trockenheit: Behörden befürchten erneute Dürre in Frankreich, https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-04/trockenheit-frankreich-duerre-wenig-niederschlag-geologischer-dienst

Frankreich: Vier Kommunen untersagen Entnahme von Trinkwasser aus dem Hahn , https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-04/frankreich-trockenheit-trinkwasser-grundwasser

Sommer 2022 in Europa so heiß wie nie zuvor – Alpen verloren Rekordmenge an Gletschereis https://www.rnd.de/wissen/hitzerekord-im-sommer-2022-europa-so-heiss-wie-nie-zuvor-YV2JJJKIPRJXPDBLV5Z6AQMNRE.html

In Katalonien, wo ebenfalls ein Kalihersteller das Wasser versalzt, musste der Ausnahmezustand ausgerufen werden: https://https://taulallobregat.org/sequera-o-model-de-desenvolupament (dieser Blogpost ist in Katalan verfasst, aber inzwischen beherrschen die Übersetzungsprogramme auch die katalonische Sprache).

Allerdings gab es auch eigennützige Leugner des menschengemachten Klimawandels, sie sollen jetzt zur Vetrantwortung gezogen werden:

„Seit den 1950er-Jahren wissen die Ölunternehmen, dass der Klimawandel zu einem Anstieg des Meeresspiegels führt, zu Fluten und Stürmen, zu Dürren und Hitze, zu Massenmigration und Toten. Das ist seit Langem erforscht. Neu ist heute die Präzision, mit der man Schäden mit dem Klimawandel verbinden kann. Und ebenso die Präzision, mit der man die Beiträge der Unternehmen zum Klimawandel berechnen kann.“

„Sie taten alles, um nicht gestoppt zu werden“, https://www.zeit.de/2023/17/oelkonzerne-klage-fahrlaessige-toetung-klimawandel

Gift des Zweifelns: Wie Klima-Wissenschaft mit Hass- und Troll-Aktionen bekämpft wird https://www.fr.de/politik/wie-die-fossile-lobby-das-gift-des-zweifels-versprueht-92237839.html

FDP-Klimareferent leugnete Krise – mit „Ladenhütern aus der Skeptiker-Szene“ https://www.fr.de/politik/fdp-klima-referent-klimawandel-krise-skeptiker-kritik-rahmstorf-koehler-zdf-frontal21-zr-92237812.html

Gut, dass in Deutschland seitdem keine Erlaubnisse zur Gewässerverschmutzung mehr erteilt worden sind; das wäre angesichts der zunerwartenden Wasserverknappung nicht zu verantworten gewesen, oder? Das von den Grünen geführte hessische Umweltministerium und die dortigen Behörden sehen das offenbar ganz anders:

Der Gesetzgeber hatte 1976 reagiert …

Zum Schutz der Gewässer wurde 1976 das deutsche Wasserrecht neu geordnet, länderspezifische Regelungen wurden durch Bundesrecht ersetzt. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) gilt für Oberflächengewässer, das Grundwasser und Küstengewässer. Es lässt die Nutzung der Wasserkörper zu, etwa als Trinkwasser oder als Prozesswässer in der industriellen Produktion, aber es bietet mit seinem „Besorgnisgrundsatz“ die Möglichkeit, die Wasserkörper wirksam vor den Begehrlichkeiten etwaiger Verschmutzer zu schützen. Der Besorgnisgrundsatz besagt, dass die Gewässer so zu bewirtschaften sind, dass eine schädliche Beeinflussung der Gewässer nicht zu besorgen ist – nicht einmal die unwahrscheinlichste negative Beeinflussung kann akzeptiert werden. Es gilt ohne Ausnahme auch bei geringsten schädlichen Beeeinflussungen und länderspezifische Ausnahmeregelungen sind nicht möglich. Das sind die Vorgaben, auch für Hessen.

… aber hessische Behörden umgehen seitdem das WHG

Es war klar, dass allein der Besorgnisgrundsatz des WHG ausreichen würde, der Kali-Industrie die Versalzung des Grundwassers und der Werra zu untersagen. Das hätte das Aus bedeutet – nicht für die Kaligewinnung im Werrarevier, aber für ein Unternehmen, das sich weigert, den Stand der Technik bei der Produktion einzusetzen und eine abstoßfreie Produktion zu gewährleisten.

Bleiben wir bei dem Trinkwasser. Die Betriebe der Kali-Industrie haben im Werrarevier mehr als eine Milliarde Kubikmeter Abwässer in den Untergrund verpresst. Das hatte Auswirkungen auf das Trinkwasser: schon vor 1970 begannen in Thüringen die Trinkwasserbrunnen zu versalzen, deshalb wurde damals die Laugenverpressung in Thüringen eingestellt.

Nicht so in Hessen, dort wird die Trinkwasserversalzung und besonders ein Zusammenhang mit den K+S Entsorgungspraktiken bis heute geleugnet. Der Bürgermeister der K+S-Standortgemeinde Heringen im Werratal schreibt im Juni 2016 einen zornigen Brief an den Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübke:

„Sie schreiben tatsächlich, dass es keine Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der Salzwasserversenkung bei uns gebe. In Anbetracht der Tatsachen ist eine solche Antwort von einer Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde zu den Folgen der Versenkung von Kaliabwässern eine einzige zynische Verhöhnung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. (…) Bereits ab den 50er Jahren haben die Bürgermeister und Landräte heftig Klage über die negativen Folgen der Versenktätigkeit auf die hiesige Trinkwasserversorgung geführt. In aller Offenheit wird schriftlich von der zunehmenden Versalzung der Quellen, der daraus entstandenen Versorgungsnot und der damit einhergehenden drastischen Erhöhung der Wassergebühren geschrieben und geklagt. Diese große Not hat dazu geführt, einen Wasserbeschaffungsverband zu gründen, um das Wasser für die Bürger aus weit entfernten Gemarkungen heranschaffen zu können, was wiederum heftige Diskussionen bezüglich der Finanzierung und des damit einhergehenden Wasserpreises auslöste.“

Schreiben des Bürgermeisters Hans Ries an den Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübke vom 16.06.2016, https://bit.ly/41DGJaO

Die Klage des Bürgermeisters war berechtigt:

„Seit 1925 wird ein großer Teil der Kaliendlaugen unter Druck (bis 20 bar) über Schluck- oder Versenkbrunnen in den 300 bis 600 Meter tiefen Plattendolomit des Zechsteins verpresst. (…) …durch den hohen hydrostatischen Druck werden die Dolomitwässer und letztendlich auch die Kaliendlaugen gezwungen auszuweichen und an den Zerrüttungsstellen des Plattendolomits aufzusteigen. Mittlerweise ist die Salz-/Süßwassergrenze regional bereits bis in oberflächennahe Beeiche aufgestiegen, ein Vorgang, der als irreversibel anzusehen ist. So entstanden neue Salzquellen und großflächige Austrittsstellen von salzhaltigen Grundwasser. (…) Ob es sich bei den aufsteigenden Salzwässern um natürliche Solquellen oder um Kaliendlaugen handelt, lässt sich am Ca:Mg-Verhältnis feststellen“ schreibt Margit Kahlert schon 1993

M. Kahlert, Auswirkungen der Werraverssalzung auf die ökologischen Verhältnisse der Auenlandschaft des Werratals, in: Gesamthochschule Kassel (Hrsg.), Ökologie und Umweltsicherung 2/93, S. 18-23

Um den vom Kalihersteller K+S bevorzugten Entsorgungsweg trotzdem weiter genehmigen zun können, haben sich die Behörden auf eine Fiktion geeinigt, der jeder wissenschaftliche Rückhalt fehlt: Sie gehen davon aus, dass die in den Untergrund verpressten Abwässer am Zielort verbleiben und sich nicht mit dem Grund- und Trinkwasser vermischen können. Das würde voraussetzen, dass sich in der geologischen Formation des Plattendolomits ein großer, leerer Behälter befindet, der mit den Abwässer gefüllt werden kann und der eine Ausbreitung des Abwassers verhindert. So sieht es aber im Untergrund nicht aus.

Tatsächlich verdrängt das unter Druck eingebrachte Abwasser im Plattendolomit vorhandenes salzhaltiges Formationswasser, das so in die Grundwasser- und Trinkwasserstockwerke gelangt. Dort wurde schließlich sogar der „chemische Fingerabdruck“ der Abwässer selbst nachgewiesen. Mit den Strömungen des Grundwassers verbreiten sich die Abfallstoffe der K+S AG weiter. Die im Abwasser enthaltenen über 300 Mio. Tonnen an Salzen können viel Süß- und Trinkwasser versalzen…

Kein Wunder also, dass die Staatsanwaltschaft Meiningen 2021 feststellen konnte, dass der K+S AG seit 1976 ausschließlich rechtswidrige Genehmigungen erteilt worden sind:

Ministerin, Regierungspräsident und Landtag verhindern Gewässerschutz

Die StA Meiningen beschreibt, wie ein „informelles Netzwerk“, an der Spitze (zuletzt) die Hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen) und der damalige Regierungpräsident Walter Lübke (CDU), persönlich dafür gesorgt hat, dass in Hessen der Gewässerschutz zugunsten der K+S AG ausgesetzt worden ist. Das Netzwerk muss sich auch dann noch sicher gefühlt haben, als die Ermittlungen der StA Meningen offentlich bekannt geworden sind. Die rechtswidrig erteilte, aber noch bis Ende 2021 gültige Erlaubnis zur Verpressung von Abwässern in den Untergrund wurde nicht widerrufen und im Hessischen Landtag haben die Regierungsparteien CDU und B’90/Die Grünen mit Unterstützung der Oppositionsparteien SPD und FDP dafür gesorgt, dass den Ermittlungsergebnissen nicht nachgegangen konnte. Ein entsprechender Antrag der Fraktion Die Linke musste deshalb in Leere laufen.

Antrag Fraktion DIE LINKE Grundwasserversalzung beenden Laugenversenkung sofort stoppen 30.09.2021; dort finden Sie auch die Einstellungsverfügung der StA Meiningen in umschriebener Form: https://starweb.hessen.de/cache/DRS/20/5/06595.pdf

Plenarprotokoll 20/91, dort S. 7346 f.: https://starweb.hessen.de/cache/PLPR//20/1/00091.pdf

Kein Gewässerschutz in Hessen – Die Rückstandshalden der Kali-Industrie versalzen fortwährend das Grundwasser

Die Produktionsabwässer der K+S AG stellen zu Zeit kein Problem dar für die Anrainer von Werra und Weser. Ihre Verpressung in den Untergrund wird nicht mehr genehmigt und sie können auch nicht mehr in die Werra eingeleitet werden. Die Menge der im Werra-Fulda-Revier anfallenden Haldenlaugen hat nämlich so stark zugenommen, dass die in der Werra geltenden Grenzwerte bereits ausgeschöpft sind. Für die Produktionsabwässer hat die K+S AG kein Entsorgungskonzept. Es war geplant, sie geringfügig einzudampfen und in die Grube Springen (Thüringen) einzulagern. Hierfür hat das Unternehmen bisher keinen prüffähigen Antrag vorgelegt.

Die Haldenlaugen sind dagegen immer noch ein Problem. Sie werden nur zum Teil aufgefangen und dann in die Werra eingeleitet. Ein weiterer Teil versickert in den Untergrund und versalzt das dortige Grundwasser. Das kann nicht verhindert werden, weil keine Vorsorge gewtroffen worden ist. Die Rückstandshalden haben nämlich nur in Teilen eine Basisabdeckung und über deren Wirksamkeit gibt es keine überprüfbaren Angaben.

Die Haldenlaugen und ihr Eindringen in den Untergrund können nur vermieden werden, wenn man keine Salzrückstände aufhaldet oder vorhandene Halden zurückbaut und nach untertage versetzt. Das lehnt das Unternehmen K+S ab.

Der Reinhardt-Plan empfiehlt die Verschleppung der Schutzmaßnahmen

Die K+S AG gibt nun an, den Anfall von Haldenlaugen auf ihren Rückstandshalden durch deren Abdeckung vermindern zu können. Diese Maßnahme ist auf Betreiben des Unternehmens und der hessischen Umweltministerin in die Bewirtschaftungspläne der Flussgebietsgemeinschaft Weser aufgenommen worden.

Aber selbst wenn wir einmal davon absehen, dass die hierfür erforderliche langfristige Standfestigkeit und Wirksamkeit einer Abdeckung nicht nachgewiesen worden ist: Eine bloße Verminderung der Haldenlaugen würde den Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes und das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie mißachten und wäre deshalb nicht genehmigungsfähig:

Man muss sogar bezweifeln, dass die K+S AG überhaupt beabsichtigt, die Abdeckung der Halden abzuschließen und so wenigstens eine geringfügige Verbesserung zu erzielen. Der Anfang 2015 vorgelegte „Reinhardt-Plan“ schlägt nämlich einen Weg vor, wie dies zu vermeiden wäre.

Nach diesem von der K+S AG beauftragte Gutachten dürfte es sehr schwer sein, das Verbesserungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) zu umgehen. Es sei nicht ausreichend, wie im „Vierphasenplan“ der hessischen Umweltministerin vorgesehen, die Werra zu einem unsanierbaren, „erheblich verändertem Gewässer“ herabzustufen. Letztlich müssten doch die Qualitätsziele der WRRL erreicht werden. Er schlägt deshalb vor, zusätzlich auch die in den Bewirtschaftungsplänen vorgeschriebenen Maßnahmen zu verschleppen. Damit könne es gelingen, die Flüsse Werra und Weser aus dem Regime der WRRL herauszulösen – und damit dem Unternehmen K+S Investitionen in wirksame Aufbereitungsverfahren und den Rückbau der Salzhalden zu ersparen.

W.Hölzel/WWA, „Grenzwerte, Zielwerte, Schwellenwerte, „Süßwasserqualität“ — Werra und Weser als „Opfergebiete außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie“, März 2022, Ss. 2 – 11, https://bit.ly/3CdupmG

Für die Bewohner von Neuhof-Ellers würde dies bedeuten, dass sie über viele Jahrzehnte die Ablagerung von belastetem Bauschutt ertragen müssten, ohne dass hiermit ein Gewässerschutz erreicht oder auch nur angestrebt würde.


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