Manipulation durch Einflussnahme – Das Hessische Umweltministerium und seine Fachbehörden

Stellungnahme der WWA, 08. November 2016

von Walter Hölzel

Nachtrag Juli 2021: Die WWA stellt Strafanzeige gegen den Regierungspräsidenten Kassel wegen Gewässerverunreinigung

Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir, dass die nachfolgend beschriebenen Vorkommnisse Teil von kollusiven Machenschaften waren, mit denen der K+S AG die gewünschte, aber rechtswidrige Erlaubnis zur Fortführung der Laugenverpressung verschafft worden ist.

Zusammenfassung 08.11.2016

Die hessische Fachbehörde HLNUG vertritt die Auffassung, dass bei einer Fortsetzung der Laugenverpressung die Gefährdung des Trinkwassers nicht ausgeschlossen werden kann und hat das „3D-Grundwassermodell“ des Kaliherstellers K+S wissenschaftlich vernichtend kritisiert. Es hält das Modell für grundsätzlich nicht geeignet, Voraussagen über die Folgen der Laugenverpressung zu ermöglichen.

Damit wäre eine Fortsetzung der Laugenverpressung rechtlich ausgeschlossen (Besorgnisgrundsatz nach § 48 Abs. 1 WHG).

Die Behörde schlägt stattdessen vor, durch zusätzliche Messstellen die tatsächlichen Verhältnisse im Untergrund zu erkunden. Die Behörde hat ihre wissenschaftliche Expertise nicht geändert, musste aber „auf Wunsch“ des Umweltministeriums bestimmte Passagen entfernen. Diese zensierten Textteile sind nach unserer Meinung geeignet, eine Fortführung der Laugenverpressung wissenschaftlich und rechtlich infrage zu stellen.

Das Ministerium weist den Vorwurf der Einflussnahme zurück. Die Einlassungen des Ministeriums können allerdings einer Überprüfung nicht standhalten, sie verdrehen vielmehr die Tatsachen. Eine Ausgrenzung der Fachbehörde von der weiteren Entwicklung eröffnet zusätzliche Möglichkeiten der Manipulation.

Die hessische Umweltministerin verdreht die Tatsachen

Der Spiegel hat in seiner Ausgabe 45/2016 berichtet, dass das Hessische Umweltministerium „erheblichen Druck auf eine Fachbehörde ausgeübt (hat), um eine kritische Stellungnahme zur Salzeinleitung durch den Kalikonzern K+S zu entschärfen.“

Auch Wallstreet online hat berichtet:

http://www.wallstreet-online.de/nachricht/9066663-k-s-laugenversenkung-umwelt-vs-arbeitsplaetze-k-sgutachten- wuenschen-ministeriums-geaendert

Das Umweltministerium widerspricht dem Vorwurf, Druck auf die Fachbehörde ausgeübt zu haben. Es habe sich um eine „im Verfahren notwendige Kommunikation“ gehandelt und „die Behörde habe einen vollständig neuen methodischen Ansatz vorgeschlagen, der von allen Fachgutachtern abgelehnt worden sei. Danach
habe das HLNUG seine Stellungnahme geändert.“

http://www.focus.de/regional/wiesbaden/umwelt-ministerium-weist-bericht-bezueglich-k-szurueck_id_6172127.html

Diese Darstellung des Ministeriums ist unzutreffend, sie verdreht vielmehr die Tatsachen. So verstärkt sich für uns der Eindruck, dass durch Einflussnahme auf die Behörde die Fehler und verdeckten Ziele des Umweltministeriums verschleiert werden sollten. Dem Ministerium ist schon mehrfach vorgeworfen worden, unbequeme
Tatsachen und Stellungnahmen im Zusammenhang mit den Entsorgungspraktiken der K+S Kali GmbH zu vertuschen.

Hintergrund

ist das so genannte „numerische Grundwassermodell“, mit dem K+S bis Dezember 2014 die Unbedenklichkeit der Laugenverpressung nachweisen sollte. Diesen Nachweis hat K+S nicht erbracht, trotzdem durfte das Unternehmen die umstrittene Laugenverpressung fortsetzen.

Aber auch im Dezember 2015 war K+S nicht in der Lage, ein aussagefähiges Modell vorzulegen. Trotzdem ist dem Unternehmen – wenn auch mit Einschränkungen – die Fortsetzung der Laugenverpressung wieder gestattet worden. In diesem Zusammenhang hat die Fachbehörde HLNUG das hier diskutierte Gutachten vorgelegt.

HLNUG hat dort die Ansicht vertreten, dass das K+S-Grundwassermodell wegen grob falscher Annahmen über den Untergrund nicht geeignet ist, zutreffende Voraussagen über die Laugenverbreitung im Untergrund zu ermöglichen. Eine schärfere wissenschaftliche Kritik ist nicht denkbar. Auch die thüringische Fachbehörde TLUG hat grundsätzliche Kritik an dem Grundwassermodell geübt.

Das HLNUG weist aber nicht nur auf die fehlende Eignung des „numerischen Grundwassermodells“ hin, sondern betont, dass auf der Basis der bisher vorliegenden Erkenntnisse bereits jetzt das Trinkwasser gefährdet sei.

Diese Bedenken und Hinweise musste die Behörde „auf Wunsch“ des Ministeriums aus ihrer Expertise entfernen.

Als einzig mögliche Alternative, um die Auswirkungen der jahrzehntelangen Salzabwasserversenkung beurteilen zu können, hatte das HLNUG noch einmal auf einen Vorschlag verwiesen, den die Behörde schon vor der Erteilung der Versenkgenehmigung im Jahre 2011 gemacht hatte. Sie regt an, weitere Messstellen
einzurichten, um so einen Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse im Untergrund zu gewinnen, statt sie auf der Basis von fragwürdigen Annahmen zu „berechnen“.

Dieser Vorschlag ist somit entgegen der ministeriellen Darstellung kein „vollständig neuer methodischer Ansatz“, „der von allen Fachgutachtern abgelehnt worden sei“. Vielmehr kennen die Behörden diesen Vorschlag schon seit Langem. Das Regierungspräsidium Kassel hat ihn nicht aufgegriffen, sondern trotz der grundsätzlichen Kritik der hessischen und thüringischen Fachbehörden einen externen Gutachter beauftragt. Er sollte gemeinsam mit K+S das umstrittene Grundwassermodell weiter entwickeln. Diese Arbeiten sollten bis Mitte 2016 abgeschlossen sein. Danach hätte über eine mögliche Fortsetzung der Laugenverpressung oder deren Versagung entschieden werden können.

Auch hier setzte die Kritik des HLNUG an. Wegen der grundsätzlichen Mängel des K+S-Grundwassermodells sei dessen Kalibrierung nur mit einem unverhältnismäßigen zeitlichen und finanziellen Aufwand möglich und sie sei keinesfalls bis Mitte 2016 zu erreichen. Auch diesen Hinweis wollte das Ministerium nicht in der HLNUG-Expertise veröffentlicht sehen, er musste ebenfalls entfernt werden.

Der Hinweis des HLNUG war aber ganz offensichtlich sachlich fundiert und zutreffend. Auch der Behördengutachter bestätigte das HLNUG im Sommer diesen Jahres mit der Mitteilung, dass eine Kalibrierung des K+S-Grundwassermodells in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde. Tatsächlich hat das Modell die notwendige Qualität bis heute nicht erreicht, über eine Fortsetzung der Laugenverpressung konnte immer noch nicht entschieden werden. Hinsichtlich der Frage der Kalibrierbarkeit des K+S-Grundwassermodells ist das Umweltministerium also fachlich isoliert.

Unbestritten hat das Umweltministerium die Fachaufsicht für das HLNUG inne. Es stellt sich aber doch die Frage, ob die im Ministerium versammelte Fachkompetenz ausreicht, um entgegen dem Urteil aller Gutachter die Expertise einer Fachbehörde so weitreichend zu zensieren.

Soll es so weiter gehen?

Die Möglichkeit des direkten Datenaustauschs mit K+S und dem Behördengutachter steht dem HLNUG offenbar nicht zur Verfügung. Damit hat die Behörde auch nicht die Möglichkeit, die am Computermodell vorgenommenen Änderungen (bzw. Manipulationen) nachzuvollziehen; solche „Anpassungen“ könnten in einem riesigen Rechenprogramm verschwinden und wären dann kaum noch nachzuweisen. Für Manipulationsversuche gäbe es kaum Hindernisse.

Eine Manipulation läge auch dann vor, wenn man die Anforderungen an ein vorhersagefähiges Computermodell senkt oder das Modell „vereinfacht“, indem man Messstellen „entfernt“, deren Ergebnisse eine Fortsetzung der Laugenverpressung verbieten würden. Auf solche Unregelmäßigkeiten wird zu achten sein.


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