Vom Lachsgewässer zum Abwasserkanal der Kali-Industrie – Der schlechte Zustand der Werra hat keine natürliche Ursache

Die Werra sei nicht sanierbar, weil „die natürlichen Gegebenheiten wie geogene Salzbelastungen und diffuse Eintritte von Salzwässern“ * das unmöglich machen. Dreister ist in Deutschland noch keine „alternative Tatsache“ verbreitet worden.

* das Hessische Umweltministerium in der Frankfurter Rundschau vom 02.12.2021, https://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/hessen-die-werra-bleibt-schwer-geschaedigt-91154833.html

von Walter Hölzel

Die „natürlichen Gegebenheiten“ in der Werra sind nämlich ganz andere, als uns die hessische Umweltministerin glauben machen möchte:

„Die Werra ist ein fisch- und schiffreicher Fluss in Teutschland“. Mit diesen Worten beschreibt das sechsbändige „Historisch und Geographische Allgemeine Lexikon“ aus dem Jahre 1742 die Werra. „Es heget der Fluss fast alle Gattungen von Fischen in sich“, heißt es auch noch 1789 (1).

Was danach geschah, ist ein Skandal erster Güte: unter den Augen der Behörden wird aus einem Lachsgewässer ein Abwasserkanal der Kali-Industrie. Der Skandal dauert an – die seit 2000 geltende EU-Wasserrahmenrichtlinie soll die europäischen Gewässer schützen, aber tatsächlich wird sie auf Werra und Weser nicht angewendet. Der Fluss wird zu einem unsanierbaren Gewässer herabgestuft, um so die Ziele und Fristen des europäischen Gewässerschutzes aushebeln zu können. Das hatte die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen) schon 2014 mit dem Verursacher der ökologischen Katastrophe in Werra und Weser vereinbart.

Trotz verschiedener natürlicher Salzeinträge ist die Werra ein Süßwasserfluss. Die natürliche Chloridbelastung im Unterlauf lag bei 50 mg/l, im Oberlauf bei 25 mg/l. (2)

Der Fluss entspringt im Thüringer Wald auf 797 m ü.NN und vereinigt sich nach 300 km bei Hannoversch Münden auf 117 m ü.NN mit der Fulda zur Weser. Die Namen Werra und Weser haben den gleichen Ursprung: „Viseraha“, „fließendes Wasser“. https://de.wikipedia.org/wiki/Weser#Namensherkunft

Im 19. Jahrhundert erlitt die Werra dann das Schicksal der meisten Flüsse: die zunehmende Industrialisierung hat auch den Fluss verändert. Er wurde wegen des Schiffverkehrs immer wieder vertieft und für die Mühlen aufgestaut. Mergelmühlen, Schneidemühlen, Porzellanmassemühlen, Wollwaschfabriken, Blaufarbenwerke, Färbereien, Gerbereien, Leimsiedereien, Leder- und Papierfabriken haben den Fluss nachteilig beeinflusst. Aber noch bis 1911 wurden Chloridwerte deutlich unter 200 mg/l gemessen.

Das änderte sich erst, nachdem die Kaliindustrie zunehmend ihre Abwässer über den Fluss entsorgte. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts erreichte die Salzbelastung mit Chloridwerten um 1.500 mg/l einen kritischen Wert. Im Jahre 1925 wurde das erste Fischsterben bei Hann.Münden beobachtet. Damals dürften aber auch die weiteren Belastungen durch Hausabwässer und industrielle Einleitungen noch mitbestimmend für den ökologischen Zustand der Werra gewesen sein.

Immer noch Krieg an der Werra. Er richtet sich jetzt gegen die Umwelt und die Anrainer von Werra und Weser.

Die Werraversalzung erreichte einen weiteren Höhepunkt, als im Jahre 1942 als neue Grenzwerte 2.500 mg/l für Chlorid und eine Gesamthärte von 55 Grad dH genehmigt wurden. Diese Werte wurden offenbar selbst in Kriegszeiten als so extrem eingestuft, dass sie ausdrücklich nur für die Dauer des Krieges Bestand haben sollten:

„Aus den … vorgetragenen Gründen will ich meine grundsätzlichen Bedenken gegen eine vorübergehend stärkere Belastung der Weser und ihrer Zuflüsse mit Kaliabwässern zurückstellen… Ich setze dabei voraus, dass die … Maßnahmen…längstens für die Dauer des Krieges getroffen werden und nach Wiederkehr normaler Verhältnisse wieder aufgehoben werden.“ (3)

Von „normalen Verhältnissen“ ist jedenfalls nicht die Rede, denn in der Nachkriegszeit stieg der Chloridgehalt – ungeachtet des geltenden Grenzwerts – zunächst auf über 6000 mg/l an. 1949 und 1953/1954 ereigneten sich weitere schwere Fischsterben in der unteren Werra. Seit damals wird nicht nur die periodische Massenvermehrung der Kieselalgen („Algenblüte“), sondern auch das Massenauftreten des Gemeinen Darmtangs Enteromorpha intestinalis beobachtet.

Abbildung 1: Massenauftreten von Enteromorpha intestinalis in der Werra bei Witzenhausen.
Copyright U. Braukmann

Mitten durch das hessische Kalirevier an der Werra verlief die deutsch-deutsche Grenze. Die Kalibetriebe auf der DDR-Seite waren ebenfalls an der Versalzung des Flusses beteiligt. Dort wurden zunächst die Kali-Endlaugen durch Verpressen in den Untergrund entsorgt. Dieser Entsorgungsweg geriet ab 1968 in die Krise, weil das Trinkwasser zu versalzen begann. Die Laugenversenkung musste vollständig eingestellt werden, die Abwässer wurden von nun an direkt in die Werra geleitet.

Die Werraversalzung stieg danach auf extreme Höhen. 1976 wurde in Eschwege ein Jahresmittelwert von über 11.000 mg Chlorid/l gemessen, Einzelwerte lagen bei bis zu 40.000 mg Chlorid/l. Die Katastrophe schien komplett zu sein.

Werra-Entsalzungsabkommen – eine vergebene Chance (4)

Nach dem Zusammenbruch der DDR und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten keimten neue Hoffnungen, die Versalzung der Flussgebietseinheit Weser beenden zu können. Im Jahre 1993 trat ein mit 146,5 Mio. € ausgestattetes Verwaltungsabkommen von Bund und Ländern über Maßnahmen zur Reduzierung der Werraversalzung in Kraft. Es sah vor, die kriegs- und krisenbedingten Grenzwerte von 1942 spätestens ab 1995 als Mindestanforderung wieder zu erreichen.

Die staatliche Förderung ist wohl angenommen worden, umgesetzt wurde das Verwaltungsabkommen von 1993 jedoch nur teilweise. Die Mindestanforderungen wurden erst mit fünfjähriger Verspätung im Jahre 2000 erreicht, eine weitere Verringerung der Laugeneinleitung jedoch nicht mehr angestrebt. Die zuständigen hessischen Genehmigungsbehörden hatten offenbar resigniert und in den folgenden Jahren durch Fortschreibung von Erlaubnissen das Verwaltungsabkommen aus dem Jahre 1993 faktisch unterlaufen. Schlimmer noch: ab 2003 wurde die Situation der Werra erneut verschlechtert.

Bis zum Jahre 2004 sollte für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer deren ökologische Qualität untersucht und der EU-Kommission gemelfdet werden. Kurz vorher erteilten hessische und thüringische Behörden der K+S AG die Erlaubnis, die Wasserhärte in der Werra auf den extremen Wert von 90 Grad dH zu verdoppeln und sie haben diesen Grenzwert im Jahre 2009 fortgeschrieben.

Die extreme Wasserhärte in der Werra wird durch den hohen Magnesiumgehalt der K+S-Abwässer verursacht, er ist verantwortlich für den schlechten Zustand der Werra.

Und im Jahre 2006 beantragt der Verursacher der ökologischen Katastrophe in der Werra, auch die Abwässer aus dem nicht an der Werra gelegenen Werk Neuhof-Ellers in den Fluss einzuleiten. Ab Frühsommer 2007 wurden die Abwässer von dort per LKW an die Werra transportiert und eingeleitet. Obwohl keine betriebsspezifische Genehmigung hierfür erteilt worden ist, schauen die Genehmigungsbehörden untätig zu. Nach einer Anzeige wegen unerlaubter Gewässerverschmutzung eröffnet die Staatsanwaltschaft in Kassel ein Ermittlungsverfahren, musste es aber auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft Wiesbaden ruhen lassen. Es wurde später ganz eingestellt, nachdem die hessischen Behörden diese Art der zusätzlichen Gewässerverschmutzung durch eine Genehmigung legalisiert hatten. Die Menge der Abwässer aus dem Fuldarevier ist inzwischen auf ca. 700.000 cbm/Jahr angestiegen.

Die Anträge und Genehmigungen aus den Jahren 2006/2007 führten zu einem bisher nicht gekannten Widerstand gegen die Entsorgungspraktiken des Unternehmens K+S Kali GmbH. Eine erste Konferenz der Werra-Weser-Anrainer findet statt, die sich Klarheit über gesetzliche, naturwissenschaftlich/technische und ökologische Hintergründe der Werraversalzung verschaffen wollen. 2007 bildet sich aus der Anrainerkonferenz eine Klagegemeinschaft von Kommunen und Vereinen, die gegen die vom Regierungspräsidium Kassel erteilten Erlaubnisse klagen. Ende 2007 gründet sich der Verein „Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V.“, in dem Kommunen, Verbände und Vereine zusammengeschlossen sind.

Alle Wege führen in die Werra – die Entsorgungspraxis der K+S Kali GmbH

Bei der Aufarbeitung des Rohsalzes fallen Kali-Endlaugen an, die im wesentlichen Natriumchlorid enthalten. Wegen der an der Werra angewandten verlustreichen Aufbereitungsverfahren sind im Abwasser noch Wertstoffe wie Kalium- und Magnesiumsalze enthalten. Sie richten in der Werra erheblichen ökologischen Schaden an. Die Kaliumsalze tragen zur Überdüngung des Flusses und damit zur Algenblüte und zum Massenauftreten des Darmtangs bei. Der hohe Magnesiumgehalt führt zu einer extremen Wasserhärte in der Werra und dürfte hauptverantwortlich sein für die ökologische Katastrophe in der Werra.

Nach 2008 ist die Menge der in die Werra geleiteten Salzabwässer erheblich zurückgegangen, nicht jedoch die Menge der an die Umwelt abgestoßenen Salze. Sie gelangen alle in die Werra, wenn auch auf Umwegen und zeitverzögert. An der Vernichtung der Süßwasser-Biozönose in der Werra hat sich bis heute nichts geändert und es steht auch keine Verbesserung in Aussicht.

Die Kali-Endlaugen wurden je zur Hälfte direkt in die Werra geleitet und in den Untergrund verpresst. Damit sind die Laugen aber nicht aus der Welt: aus 500 m Tiefe gelangen die verpressten Abwässer über geologische Störstellen in die Grundwasserstockwerke und schließlich in die Vorfluter und in die Werra. Unter der Erde ist eine Salzwasserblase entstanden, deren Ausdehnung in der Fläche dem Bodensee entspricht.

Zum Schutz der letzten Trinkwasservorräte der Gemeinde Gerstungen in Thüringen musste die K+S Kali GmbH ihre Versenktätigkeit in Thüringen einstellen. Wenige Kilometer entfernt, auf der hessischen Seite der Werra, werden aber weiter Abwässer in den Untergrund geleitet. Ein von der hessischen Landesregierung angefordertes Rechtsgutachten aus dem Jahre 2008 hätte es den den Genehmigungsbehörden ermöglicht, auch in Hessen die Versenkgenehmigung sofort zu entziehen; aber so weit wollte man wohl nicht gehen. Die Versenkgenehmigung wurde 2012 „zum letzten Mal“ verlängert und 2015 erneut „zum letzten Mal“, diesmal bis 2021 erneuert.

Bei einem elektrostatischen Vorabtrennungsverfahren (ESTA-Verfahren) fallen trockene Rückstände an. Sie werden nicht etwa in die freigewordenen Hohlräume untertage versetzt. Dort hat die K+S Kali GmbH nämlich die Genehmigung, bergwerksfremde Abfälle zu einzubauen. Die eigenen Rückstände werden oberirdisch aufgehaldet und sind dort der Witterung ausgesetzt. Die K+S Kali GmbH betreibt in den Revieren an der Fulda und an der Werra drei Halden mit einer Gesamtmenge von etwa 600 Mio. to. Die Verdoppelung der Halden wird angestrebt, erste Haldenerweiterungen sind bereits genehmigt..

Da die Halden dem Regen ausgesetzt sind, fallen für die nächsten 700 bis 2.000 Jahren Haldenabwässer an. Sie werden zur Zeit teilweise aufgefangen und in die Werra geleitet. Es gelangen aber auch Haldenlaugen direkt in den Untergrund. Unterhalb der Halde in Heringen konnte der Spaziergänger Quellhorizonte beobachten, in deren Schüttung Salzgehalte von 20 bis 160 g/l gemessen worden sind.

Insgesamt kann man sagen, dass sowohl die Kali-Endlaugen als auch die trockenen Rückstände (über die Haldenlaugen) in die Werra gelangen. Die in den Untergrund verpressten Abwässer beeinflussen zusätzlich noch das Grundwasser und bedrohen das Trinkwasser in weitem Umkreis.

Die ökologische Katastrophe in der Werra könnte kaum vollständiger sein – sie wird auschließlich von der K+S AG verursacht

Oberhalb der Einleitstelle findet man im Makrozoobenthos des Flusses noch 40 bis 60 Arten. Das ändert sich schlagartig:

In der nicht salzbelasteten Werra bei Barchfeld kommen 14 flusstypische Rote-Liste-Arten vor. In der salzbelasteten Werra dominiert mit Abstand Gammarus tigrinis, gefolgt von Potamopyrgus antipodarum, die übrigen Arten kommen nur vereinzelt vor. Der Vergleich mit dem faunistischen Leitbild am Beispiel der Mollusken und der Fische zeigt die drastischen Ausfälle in beiden Gruppen. Die Werra muss gemäß den Bewertungskriterien der WRRL anhand biologischer und chemischer Parameter in die Klasse 5 = schlechtest möglicher Zustand eingestuft werden. (5)

Abbildung 2: Gammarus tigrinus, der Hauptbewohner der Werra
Copyright U. Braukmann

So bleibt es auch bis zum Zusammenfluss mit der Fulda. Obwohl der Chloridgehalt auf 800-1.200 mg/l sinkt, ergibt die Beurteilung des ökologischen Zustands im Unterlauf der Werra mit dem Instrumentarium der EG-Wasserrahmenrichtlinie unverändert den schlechtest möglichen Zustand.

„Die Fische sind fitter als im Vorjahr“ – gutachterliche Euphorie des Verursachers

Zwar wollen von der K+S Kali GmbH beauftragte Gutachter im Herbst 2010, nach einem wasserreichen und damit für die Werra relativ salzarmen Sommer, neun verschiedene Jungfischarten im Unterlauf der Werra gefunden haben. In der öffentlichen Darstellung wurde aber vergessen zu erwähnen, dass es sich um äußerst genügsame Arten gehandelt hat, von denen einige sogar im Brackwasser der Ostsee vorkommen. Es wurde auch kein Nachweis darüber geführt, dass diese Jungfische, die möglicherweise mit den Zuflüssen in die Werra gelangt sind, auch tatsächlich in der Werra überleben und sich fortpflanzen können.

Im gleichen Zeitraum hat das Thüringische Landesamt für Umwelt und Geologie (TLUG) das Artenspektrum im thüringischen Teil der Werra erfasst. Es wird ein Zustand dokumentiert, der die Euphorie der K+S-Gutachter – milde gesprochen – unglaubwürdig erscheinen lässt:

Die Werra bei Gerstungen mussten die TLUG-Mitarbeiter 2006 wie 2010 jeweils mit einer 5 („schlecht“) benoten. Während in Hörsel und Nesse auf 400 Metern je mehr als 2000 Fische gezählt wurden, waren es an der Werra auf 500 Metern 219 im Jahr 2006 und 117 im Jahr 2010. (…) Bei der Artenzusammensetzung gibt es ander Werra kaum Übereinstimmung mit dem Leitbild. „Die Werra ist im Abschnitt Eisenach bereitssehr stark von der Salzeinleitung auf dem Kalibergbau beeinflusst, was sich auch nachteilig aufdie Fischfauna auswirkt“, heißt es im Fazit der TLUG (6).

Im Gegensatz zu den Gutachtern der K+S Kali GmbH stellt das TLUG also eine Verschlechterung auf schlechtestem Niveau fest. Trotzdem jubelte der Kalihersteller:

Aktuelle Ergebnisse langjähriger Gewässeruntersuchungen bestätigen, dass sich die dynamische Verbesserung der ökologischen Bedingungen in Werra und Weser weiter fortsetzt.“ (7)

Kein Wunder also, dass unabhängige Wissenschaftler den Ergebnissen der K+S-Gutachten mit deutlichen Worten widersprechen und die angewandten Methoden anzweifeln (8), (9).

Unterlaufen der EU-Wasserrahmenrichtlinie – die Werra als „stark veränderter Fluss“

Die EG-Wasserrahmenrichtlinie verlangt, dass bis zum Jahre 2015 die Oberflächengewässer den „guten ökologischen Zustand“ erreicht haben sollen, der sich nur geringfügig vom Naturzustand unterscheidet („Verbesserungsgebot“). Außerdem gilt ein Verschlechterungsverbot.

Bislang sind keine Anstrengungen des Kaliherstellers zu erkennen, mit denen dieses Ziel erreicht werden könnte. Im Gegenteil: man scheint die EU-WRRL unterlaufen zu wollen, indem man „durch Gestaltung der Bewirtschaftungspläne“ die Möglichkeiten zur Verschleppung der Umsetzungsfristen ausnutzt. Die K+S Kali GmbH (10) und ihre Gutachter (11) ihrerseits lassen nichts unversucht, um die Verantwortung des Kaliherstellers für die ökologische Situation in der Werra zu relativieren.

Der Sandoz-Unfall im Rhein und die Erholung des Flusses zeigen aber, wie dynamisch Fluss-Ökosysteme sind. Auch die Werra kann sich von der Nutzung als Abwasserrinne der Kali-Industrie erholen (12). Dazu ist es allerdings notwendig, die Entsorgungspraktiken der Kali-Industrie im Werratal zu ändern. Warum geschieht das nicht?

Kein technischer Fortschritt an der Werra?

Tatsächlich gibt es technisch und wirtschaftlich gangbare Möglichkeiten, den Abstoß von Salzen an die Umwelt gänzlich zu vermeiden (13), (14), (15). Damit wäre es möglich gewesen, bis zur letzten Umsetzungsfrist der EU-WRRL im Jahre 2027 den „guten ökologischen und chemischen Zustand“ und damit das Qualitätsziel der Richtlinie zu erreichen. Aber was ist tatsächlich geschehen?

Der „Vierphasenplan“ der Hessischen Landesregierung will den „schlechtest möglichen Zustand“ festschreiben (16)

Die Hessische Landesregierung hat in ihrem Vierphasenplan (2014) der K+S AG zugestanden, keine Maßnahmen ergreifen zu müssen, um das Qualitätsziel der EU-WRRL erreichen zu können. Selbst für das Jahr 2075, also 30 Jahre nach Einstellung der Kaliproduktion, ist keine qualitative Verbesserung vorgeschrieben. Sie wird auch danach nicht angestrebt.

Nachdem die Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) den Bewirtschaftungsplan 2015-2021 beschlossen hatte, haben sich die Rahmenbedingungen für die K+S AG erheblich verbessert. Das Land Thüringen hat dem Unternehmen angeboten, seine Abwässer in aufgelassene Bergwerke auf der thüringer Seite des Salzfeldes einzustapeln. Es gibt also keinerlei Notwendigkeit, die Werra für die Verklappung der Abwässer zu nutzen.

Trotzdem sind die „Zielwerte“ des aktuellen Bewirtschaftungsplans noch einmal schlechter als diejenigen des Vorgängerplans:

Zielwerte 2027Zielwerte 2027Richtwerte für das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie
BWP 2015-2022BWP 2022-2027
Chlorid mg/L1.1701.580 *< 100
Magnesium mg/L340noch nicht veröffentlicht< 60
Kalium mg/L200noch nicht veröffentlicht< 40
Die „Zielwerte“ der Bewirtschaftungspläne haben keinen Bezug zu den Qualitätszielen der Richtlinie 2000/60/EG .
* dies ist der Zielwert für 2024, eine weitere Reduzierung ist nicht beschlossen: https://umwelt.hessen.de/Presse/Ende-der-Versenkung-von-Kalilauge, https://umwelt.hessen.de/Presse/Managementplaene-fuer-die-Flussgebietseinheit-Weser-beschlossen

Endnoten

(1) U.D. Oppitz, Allendorf an der Werra 1789, Hessische Ortsbeschreibungen 13, S. 120. Die Hinweise 1 und 2 verdanke ich Joachim Tappe, ehem. Stadtrat in Witzenhausen

(2) Die folgenden Darstellungen zur geschichtlichen Entwicklung der Salzbelastung in der Werra finden sich in: Gerd Hübner, Ökologisch-faunistische Fliessgewässerbewertung am Beispiel der salzbelasteten unteren Werra und ausgewählter Zuflüsse, Kassel 2007, S. 24 ff.

(3) Schreiben des Generaldirektors für Wasser und Energie in Berlin an das Regierungspräsidium Kassel vom 26.07.1943

(3) Die folgenden Ausführungen finden sich in: P. Arnold, Stellungnahme (…) zur am 15. März 2007 in Kassel stattfindenden Anhörung der Umweltausschüsse (…) Ausschussvorlage ULA/16/52 vom 13.03.2007

(5) U. Braukmann (Universität Kassel), „Die Salzbelastung der Werra und ihrer Aue“, Vortrag, 2. Werra-Weser-Anrainerkonferenz, November 2007, https://ia601503.us.archive.org/6/items/kurzfassungbraukmanndruck/Kurzfassung%20Braukmann-Druck.pdf

(6) Thüringer Landeszeitung 15.06.2011

(7) Pressemitteilung der K+S AG vom 12.10.2010

(8) U. Braukmann (Universität Kassel), „Salzbelastung der Werra“, Vortrag, 3. Anrainerkonferenz Bremen 17.11.2007

(9) F. Wagner, J. Arle, Institut für Gewässerökologie und Fischereibiologie Jena, „Der ökologische Zustand der Mittleren und Unteren Werra und seine Haupteinflussfaktoren“, Gutachten, April 2009

(10) z.B. Pressemitteilung der K+S vom 12.10.2010

(11) z.B. in einem Interview mit dem Hessischen Fernsehen, ausgestrahlt am 29.11.2007

(12) U. Braukmann, (Universität Kassel), „Ökologische Auswirkung der Salzbelastung in der Werra“, Vortrag, 1. Anrainerkonferenz, Witzenhausen 22.03.2007

(13) W.Hölzel/WWA, (Kein) Klimaschutz in der industriellen Produktion am Beispiel der Herstellung von Kaliumsulfat, 25.11.2019, https://salzblog.org/2019/11/25/klimaschutz-durch-werraschutz/

(14) W.Hölzel/WWA, Auf dem Silbertablett serviert – Die K+S AG lehnt ein Angebot der Stadtwerke Union Nordhessen und der General Electric Company ab https://salzblog.org/2019/12/02/auf-dem-silbertablett-serviert-die-ks-ag-lehnt-ein-angebot-der-general-electric-corp-ab/

(15) W. Hölzel/WWA, Eine praktikable Lösung für die Entsorgungsprobleme des Kaliherstellers K+S war wohl nicht erwünscht, https://salzblog.org/2019/11/14/die-probleme-des-kaliherstellers-ks-ungewuenscht-geloest/, 14.11.2019

(16) W.Hölzel/WWA, Die Werra trägt Schwarz, https://salzblog.org/2019/11/18/die-hessische-umweltministerin-lobt-sich-selbst-und-vergisst-die-werra/, 18.11.2019


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