Die Grundstoffindustrie ist besonders innovationsträge…

Am Beispiel des Kaliproduzenten K+S haben wir in den letzten Jahren gezeigt, wie wenig die Industrie geneigt ist, klimaeefizient zu produzieren oder Rohstoffvorräte und Umwelt durch Investitionen in moderne Technik zu schonen. Diese Innovationsträgheit der Unternehmen beklagen auch die großen Kapitalgeber wie Pensionsfonds, Investmenthäuser oder Lebensversicherer und sie üben deshalb zunehmend Druck auf Unternehmen aus. Die besonders rückständigen Unternehmen müssen inzwischen feststellen, dass sich Kapitalgeber aus ihren Aktien zurückziehen.

Besonders investitionsscheu sind laut CDP die Unternehmen der Grundstoffindustrie, also etwa die Chemie-, Stahl-, Metall- und Zementbranche. Die untersuchten Konzerne stemmten 2019 insgesamt nur fünf Prozent der europäischen Investitionen in klimafreundliche Technologien. Sie waren aber für fast 40 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich.“, schreibt der Spiegel am 25.02.20120 (1).

„Um das Ziel der EU zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu werden, müssten die Ausgaben mehr als doppelt so hoch sein, rechnen die CDP-Strategen vor. Die Organisation befragt seit Jahren Unternehmen zu ihrer Klimastrategie. Hinter CDP stehen mehr als 500 institutionelle Investoren, die zusammen über 90.000 Milliarden Dollar verwalten. Inzwischen üben große Kapitalgeber – Pensionsfonds, Investmenthäuser oder Lebensversicherer – zunehmend Druck auf Unternehmen aus, ihr Geschäftsmodell in Einklang mit dem Klimaschutz zu bringen.“

„Dabei handeln die Geldgeber nicht zuletzt aus Sorge um ihre eigenen Finanzen. Sie befürchten, dass ihre Investitionen durch politische Kehrtwenden plötzlich an Wert verlieren könnten. Und sie erwarten Milliardenprofite bei der Umstellung der Wirtschafts- und Energiesysteme auf neue, CO2-arme Technologien.

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Innovationsträgheit vernichtet Arbeitsplätze und heizt den Klimawandel an

Eben diese Innovationsträgheit wirft die Werra-Weser-Anrainerkonferenz seit Jahren der K+S AG vor. Unser Ausgangspunkt war 2007 nicht der Klimaschutz, sondern die Vernichtung der Süßwasser-Biozönose in Werra und Weser sowie die Vernichtung von Trinkwasservorkommen im Werrarevier und im Uferfiltrat der Flüsse.

Schon 2012 hat sich aber herausgestellt, dass die Entsorgungspraxis des Unternehmens auch klimaschädlich ist. Die K-UTEC AG als Salztechnologie-Spezialistin hatte K+S vorgerechnet, dass mit ihren unzureichenden Aufbereitungsverfahren jahrlich ca. 500.000 Tonnen an Wertstoffen mit den Abwässern verloren gehen. Die vergeudeten Wertstoffe haben einen Wert von 250 Mio. Euro, ihre Rückgewinnung mit modernen Verfahren könnte einen Jahresgewinn von 100 Mio. Euro ermöglichen (2).

Um 500.000 Tonnen vergeudete Wertstoffe zu ersetzen, muss die K+S AG ca. 2 Mio. Tonnen Rohsalze abbauen, fördern und aufarbeiten. Dabei werden zusätzliche 1,5 Mio. Tonnen Abfälle erzeugt, die ebenfalls behandelt werden müssen. Dies alles belastet die Umwelt und die CO2-Bilanz des Unternehmens zusätzlich (3).

Schon diese knappe Rechnung zeigt, wie ineffizient die Verfahren in den Werken der K+S AG im Werratal sind. Um so überraschender war es, dass die K+S AG die Anregung der K-UTEC AG nicht aufgegriffen, sondern die Anwendung moderner Verfahren als „klimapolitisch unverantwortbar“ und wegen der „hohen Kosten“ als „wirtschaftlich unzumutbar“ abgelehnt hat.

Damals hatte die K+S AG aber bereits den Bau einer vergleichbaren Anlage bei der Veolia S.A. für das Legacy-Projekt in Kanada in Auftrag gegeben. In Kanada schien die Anlage nach Meinung des Unternehmens nicht klimaschädlich zu sein.

Es wurde sogar noch kurioser: 2018 hat K+S eine vergleichbare Anlage in Betrieb genommen, mit der ein Teil der Abwässer aufgearbeitet werden soll („KKF-Anlage“). Auch hier scheint der Klimaschutz keine Bedeutung zu haben. Die Anlage gewinnt wegen ihrer technischen Rückständigkeit nur die Hälfte der in den Abwässern enthaltenen Wertstoffe, deshalb ist der Energiebedarf pro Tonne Wertstoff doppelt so hoch wie bei der K+UTEC-Anlage für eine abstoßfreie Produktion. Von Klimaschutz kann man wohl auch hier nicht reden.

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K+S wehrt die Forderung nach umwelt- und klimaschonenden Aufbereitungsverfahren mit untauglichen Argumenten ab

Diese Behauptungen der K+S AG und ihrer Gutachter zur Abwehr des K-UTEC-Vorschlags waren auffällig unplausibel, sie waren nachgewiesen falsch und sie endeten blamabel: Anlässlich einer Anhörung im Umweltausschuss des Landtages NRW sagte der Energieexperte Prof. Dr. Ulrich Quicker (RWTH Aachen) (4):

„Wir kennen ja die Kostenschätzung von Herrn Marx (Vorstandsvorsitzender der K-UTEC AG, Anmerkung des Autors). Sie ist vom Umweltbundesamt inzwischen bestätigt worden. Ich halte die Kostenschätzung von K+S für absolut unrichtig. Sie ist bewusst erhöht. (…)“

„Lassen Sie mich ein Beispiel aus meinem Bereich, der Energietechnik, nennen. K+S hat in seiner Konzeption ein Kraftwerk angesetzt, und zwar meines Wissens ein GuD-Kraftwerk. Ich habe gerade noch einmal im Internet nachgeguckt. Dort gibt es schöne Tabellen zu den Kosten. Sie liegen pro Kilowatt elektrische Leistung deutlich unter 1000 €. K+S hat aber 3000 € angesetzt. das sind die Kosten für ein Atomkraftwerk. (…) Meines Erachtens ist die gesamte Kostenrechnung von K+S also bewusst um ungefähr den Faktor 3 hochgedreht worden.“

Ähnlich kritisch äusserte sich die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste. Sie hatte 2015 eine Expertise veröffentlicht, die sich mit den Plänen und dem Entsorgungskonzept der K+S AG befasst (5). Die Autoren beschäftigen sich auch mit der Expertise des Umweltbundesamtes (a.a.O., S. 106 ff.) zu den Vorschlägen der K-UTEC AG für eine abstoßfreie Kaliproduktion nim Werratal.

Das Umweltbundesamt (UBA) hatte 2014 den von der K-UTEC AG hierfür berechneten Energie- und Investionsaufwand bestätigt und Rechnungen der K+S AG als überhöht zurückgewiesen. Bezeichnenderweise hatte K+S in einer Presseinformation versucht, die Aussage der Expertise in ihr Gegenteil zu verwandeln (6). Das ist nicht unbemerkt geblieben:

„Dass K+S die Empfehlung der UBA-Stellungnahme begrüßt und sich in der Ablehnung einer Eindampfllösung als unrealistische Lösungsvariante bestätigt fühlt, ist an Dreistigkeit nur schwer zu überbieten, (…) Diese PM kann kaum anders als der Versuch verstanden werden, die Öffentlichkeit bewusst zu täuschen, da assoziiert wird, dass es nicht von der Firma zu verantwortende, quasi übergeordnete Gründe für diese Empfehlung gibt, (…) Zudem widerspricht die in dieser PM aufgestellte Behauptung, das Eindampfkonzept sei nicht realisierbar, der Einschätzung des UBA.“ (5, S. 112)

Klimakrise, Kalikrise: eine Krise der deutschen Politik

Wir haben hier noch einmal gesehen, dass und mit welchen Methoden sich die K+S AG gegen die Forderung nach modernen Abbau- und Aufbereitungsverfahren gewehrt hat. Damit ist das Unternehmen nicht alleine: „Manche Großunternehmen haben ihre bewährten Lieferketten und Geschäftsmodelle. Sie sehen (…) Veränderungen als riskant und hochdisruptiv an“, erklärt Steven Tebbe, Europa-Direktor von CDP, im Gespräch mit dem SPIEGEL. „Weitermachen wie bisher ist aber keine Option: Das sehen mehr und mehr Investoren.“ (1)

Bedauerlicherweise hat die deutsche Politik, allen voran die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen), das Unternehmen in seinen „Weiter so“-Politik unterstützt. Das scheint sich jetzt zu rächen, denn Investoren sind kritischer als deutsche Politiker.

Mitten in der Kali-Absatzkrise 2015 hatte der kanadische Konkurrent Western Potash der K+S AG ein Fusionsangebot gemacht. Um der Überproduktion entgegenzuwirken, sollte K+S sein Projekt in Kanada zunächst nicht weiter verfolgen und sich auf die Spezialprodukte der deutsche Gruben konzentrieren (7). Das hätte die Arbeitsplätze in Deutschland sichern können. Western Potash wollte ihrerseits die günstigen Gewinnungskosten ihrer Gruben in Kanada sowie die bewährten Absatzwege in die die USA und nach Asien zum gemeinsamen Nutzen beisteuern.

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Die Investoren laufen davon

Die K+S AG hatte das Abgebot abgelehnt und war dabei von Politik und Gewerkschaften unterstützt worden. Die Anleger verloren das Vertrauen in K+S und der Börsenwert des Unternehmen halbierte sich schlagartig. Jetzt, nicht einmal fünf Jahre später, ist K+S nur noch ein Viertel wert (8), (9), der Wert der Aktie liegt bei 7 Euro, Tendenz fallend. 2015 hatte Western Potash den Anlegern noch 40 Euro pro Aktie geboten.

Natürlich sind auch die niedrigen Kalipreise eine der Ursachen der jetzigen Krise. Vergleichbare Konkurrenten sind aber weniger betroffen als die K+S AG. K+S hat mit seine Engagement in Kanada (Legacy-Projekt) seine Liquidität eingeschränkt und gleichzeitig zu der Überproduktion an Kalidünger beigetragen. Jetzt reagiert das Unternehmen wieder defensiv, mit Kosteneinsparungen (sprich Abbau von Arbeitsplätzen) und dem Verkauf von Geschäftsteilen. Man sieht: nicht Investitionen in moderne Technik gefährden Arbeitsplätze, sondern eher das Beharren auf ehemals erfogreichen Geschäftsmodellen.

Ob Einsparungen ausreichend sind, um in der Kalikrise zu bestehen, muss man bezweifeln. Neue Kalivorkommen in Deutschland bieten die Möglichkeit, Gruben mit moderner und abstoßfreier Abbau- und Aufbereitungstechnik anzulegen (10). Deren niedrige Gestehungskosten sowie Klimaschutz-Argumente dürften der K+S AG bei ihren Werken im Werratal noch erhebliche Sorgen bereiten. Aktuell hat die Privatbank Berenberg die K+S-Aktie von „Hold“ auf „Sell“ abgestuft und das Kursziel von 10,00 auf 6,50 Euro gesenkt (11).

Endnoten

(1) „Kritik von Investoren. Europas Konzerne knausern bei klimafreundlichen Technologien. Europas Konzerne unternehmen nicht genug, um die im „Green Deal“ festgelegten EU-Klimaziele zu erreichen. Dabei drängt die Zeit.“ https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/europas-konzerne-kausern-bei-klimafreundlichen-technologien-a-06a7407c-7abd-40f8-85bb-cc45f01d9588

(2)

(3) W.Hölzel/WWA, „(Kein) Klimaschutz in der industriellen Produktion am Beispiel der Herstellung von Kalidünger – Ein Beitrag zur Klimaschutzwoche der Universität kassel, 25.11.2019, https://salzblog.org/2019/11/25/klimaschutz-durch-werraschutz/

(4) Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 34. Sitzung, 19.11.2014, Ausschussprotokoll APr 16/733, hier: Seite32

(5) W. Dormann, B. Lange, Die Entsorgung von Kaliindustrieabwässern in die Nordsee, Schriftenreihe der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (Hrsg.), 2015

(6) K+S AG, PM vom 15.09.2014

(7) Mit den „Spezialitäten“ sind genau diese Wertstoffe gemeint, von denen K+S jährlich 500.000 Tonnen mit den Abwässern verloren gehen und für deren Gewinnung die K-UTEC AG ein Verfahren entwickelt hatte.

8) https://www.ariva.de/news/aktie-von-ks-unter-druck-kurs-faellt-um-5-67-prozent-8199333

(9) https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/k+s-aktie-kursbewegung-25-02-2020-8389587

(10)

(11) https://www.onvista.de/news/analyse-flash-berenberg-senkt-k+s-auf-sell-ziel-reduziert-auf-6-50-euro-332496133, 27.02.2020