Der Angriff auf die Nichtregierungsorganisationen, Fortsetzung

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer beteiligt sich an der Ausschaltung der Naturschutzorganisationen. Man darf gespannt sein, wie sich seine Koalitionspartner positionieren.

„Aus politikwissenschaftlicher Sicht lassen sich Nichtregierungsorganisationen definieren, als „feste Zusammenschlüsse unabhängiger gesellschaftlicher Kräfte, die ohne Gewinnabsicht gemeinwohlorientierte Ziele verfolgen, sich insbesondere für humanitäre und ökologische, dem Anspruch nach universelle Prinzipien einsetzen und versuchen, Einfluss auf Staaten und IGOs (International Governmental Organizations) auszuüben“ “ https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtregierungsorganisation

von Walter Hölzel

Aktuell: Die GroKo will sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen

10.03.2020. Die TAZ berichtet, dass die Spitzen der schwarz-roten Koalition das Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrs- und Digitalbereich beschleunigen wollen. „Der Koalitionsausschuss einigte sich in der Nacht zu Montag auf Maßnahmen, zu denen Änderungen im Artenschutzrecht und bei den Vorschriften zur Umweltverträglichkeit von Infrastrukturmaßnahmen gehören. Zudem heißt es in den beschlossenen Eckpunkten, die Einführung einer „rechtssicheren materiellen Präklusionswirkung“ für die Bereiche Schiene, Straße und Wasserstraße könne eine Beschleunigung von Genehmigungs- und Gerichtsverfahren bewirken.“

„Wir brauchen ein Entfesselungspaket“ zitiert die TAZ den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet.

Due Deutsche Umwelthilfe kritisiert die Pläne der Bundesregierung: „Eine Wiedereinführung der sogenannten materiellen Präklusion wäre klar europarechtswidrig (…) Dies bedeute, dass Bürger und Verbände ihre rechtlichen Einwände nur noch zu Beginn eines Planungsverfahrens vorbringen dürften und nicht mehr im Laufe des Verfahrens. Verstöße gegen Naturschutzrecht würden aber oft erst im Laufe eines Planungsverfahrens bekannt werden.“

https://taz.de/Umwelthilfe-kritisiert-Regierung/!5670172/

Und nun weiter in unserem Text vom 09.03.2020:

Wir hatten berichtet, wie die Bundesregierung gegen Nichtregierungsorganisationen vorgeht: indem ihnen die Gemeinnützigkeit abgesprochen und damit die Finanzierung ihrer Arbeit erschwert wird sowie durch die Abschaffung des Verbandsklagerechts (1).

Auf der anderen Seite können deutsche Behörden und auch die EU-Kommission ohne Folgen Urteile des EuGH ignorieren (2) und die EU-Kommission kann beginnen, Umwelt-Richtlinien abzuwickeln (3), (4). Während den Lobbyisten der verschmutzenden Industrie die Türen in Berlin und Brüssel offen stehen (5), soll der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten für die Zivilgesellschaft eingeschränkt oder aufgehoben werden.

Auch Sachsen geht gegen Naturschutzverbände vor

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau äussert sich Ministerpräsident Kretschmer über Mängel im Ausbau der Infrastruktur (6). Die Gründe sieht er nicht in der Konzeptionslosigkeit seiner Regierung oder in der Investitionspolitik der „Schwarzen Null“, sondern: „Das Problem sind untaugliche gesetzliche Regelungen. Die müssen jetzt schnell geändert werden.“

Zunächst unterstellt Herr Kretschmer „den Menschen“ kleinliche und egoistische Motive, die rechtlich nicht durchsetzbar sind. Deshalb, so Kretschmer, würde der Naturschutz durch „konstruierte Fakten“ benutzt, um „eindeutige Interessen des Gemeinwohls“ zu verletzen. Kretschmer sorgt sich sogar um den Naturschutz, denn er nimmt an, dass die Akzeptanz des Naturschutzes abnimmt, wenn tatsächlich Naturschutz betrieben wird. Lesen Sie selbst:

„Beim Bau von Windkraftanlagen fühlen sich Menschen gestört durch ihren Schlagschatten, ihren Lärm und ihre optischen Wirkung. Das Baugesetz gibt ihnen keine direkte Handhabe zur Verhinderung der Anlage. Also nehmen sie den Umweg über den Umweltschutz und zählen Käfer und Vögel. Die Bürger sollen nicht länger durch konstruierte Fakten ihr Anliegen verfolgen müssen. Naturschutz ist wichtig. Die Akzeptanz lässt aber deutlich nach, wenn Belange des Naturschutz für beinahe jede Verzögerung genannt werden und eindeutige Interessen des Gemeinwohls verletzt werden.“

Der unbefangene Leser könnte jetzt argwöhnen, dass der Ministerpräsident mit seinen Unterstellungen und Verallgemeinerungen der Grenze zur politischen Hetze gefährlich nahe gekommen ist. Ich würde sogar sagen, dass leicht darüber geurteilt werden kann, auf welcher Seite dieser Grenze sich Herr Kretzschmer aktuell befindet. Jedenfalls scheint es in seiner Gedankenwelt nicht vorzukommen, dass Bürger die rechtlichen Möglichheiten nutzen dürfen und dass es dafür gute Gründe geben könnte.

Kretschmer spricht ausdrücklich auch für seine Koalitionspartner

Eindeutig und klar ist Kretschmer auch bei der Beschreibung dessen, was seinen Zielen im Weg steht und was deshalb weg muss. Auch hier spart er nicht mit diffamierenden Unterstellungen:

„Das Verbandsklagerecht gibt Gruppen, die nicht unmittelbar betroffen sind und nicht einmal aus der Region stammen, die Möglichkeit, Projekte zu stoppen. Dieses Recht muss eingeschränkt werden. Wir haben in Sachsen in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen mehr direkte Demokratie vereinbart. Aber wir wollen keine Verbandsklagerechte in Sachsen. Betroffene sollen sich einbringen können – aber nicht jene, deren Geschäftsmodell darin besteht, dauernd zu klagen.“

Interessant ist, dass der Ministerpräsident hier auch seine Koalitionspartner von B’90/Die Grünen erwähnt. Wir haben dieser Partei mehrfach vorgeworfen, im Wahlkampf zwar ökologisch zu argumentieren, in den Koalitionsverhandlungen aber die Ökologie als bare Münze in Zahlung zu geben (7), (8).

Endnoten

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(4)

(5)

(6) https://www.fr.de/politik/unser-herz-gross-moeglichkeiten-begrenzt-13583637.html

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