Agent NullNullNix – Die Lizenz zum Einleiten

Das Unternehmen K+S möchte, dass ihm erlaubt wird, seine Abwässer weiterhin und auf unbestimmte Zeit in die Werra und den Untergrund des Werrareviers einzuleiten. Der angedachte Zeitraum geht auf jeden Fall über denjenigen des aktiven Kaliabbaus hinaus. Auch noch in hunderten Jahren sollen die Abwässer der Rückstandshalden die Werra verschmutzen dürfen.

Der Wunsch des Unternehmens widerspricht den Qualitätszielen der Wasserrahmenrichtlinie, welche die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Schutz ihrer Gewässer und ihrer Lebensgrundlagen vereinbart haben. Sie sollen eigentlich bis zum Jahre 2027 erreicht sein.

Die wasserrechtlichen Erlaubnisse für die Einleitung von Halden- und Produktionsabwässer der K+S AG in die Werra laufen aus. Ausserdem muss bis Herbst 2021 ein neuer Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietseinheit Weser aufgestellt werden. Um Werra und Weser weiterhin für die Ableitung der Abwässer nutzen zu können, hat die K+S Minerals and Agriculture GmbH, Werk Werra, als Betreiberin, neue wasserrechtliche Erlaubnisse beantragt (1).

Falls Sie Einwendungen gegen die Pläne des Kaliherstellers erheben wollen (2), empfehlen wir Ihnen, auch die nachfolgenden Überlegungen zu der grundsätzlichen Rechtswidrigkeit der K+S-Entsorgungspraxis nicht zu vergessen.

Die Gründe, warum den Wünschen des Unternehmens nicht nachgegeben werden darf und warum dessen Entsorgungspraxis schon vor Jahrzehnten hätte untersagt werden müssen, sind vor dem Hintergrund der Wasserrahmenrichtlinie bestürzend einfach zu verstehen. Ebenso bestürzend ist, dass die Genehmigungsbehörden, die Anrainerländer von Werra und Weser und selbst die EU-Kommission keinen Wert darauf zu legen scheinen, dass die Wasserrahmenrichtlinie – zumindest im Falle der Versalzung von Werra und Weser – als geltendes Recht durchgesetzt wird.

I Mangelnde Vertragstreue erweckt Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit für den Betrieb von Bergwerken sowie von Abfallverwertungs- und Abfallbehandlungsanlagen

Es ist bekannt, dass die K+S AG in ihren Werken im Werra-Fulda-Revier keine Anstrengungen unternommen hat, um die EU-WRRL frist- und zielgerecht umzusetzen. Darüber hinaus hat sich das Unternehmen mehrfach nicht an seine Zusagen gehalten, den Zielen der Richtlinie wenigstens näher zu kommen (3).

I.1 Kalivertrag

Im Zuge der Übernahme der mitteldeutschen Kali-Industrie ist die K+S AG verpflichtet worden, die Salzbelastung der Werra zu senken und sie hat hierfür öffentliche Mittel in erheblichem Umfang erhalten. Tatsächlich ist die Salzfracht der Werra gemindert worden, dies wurde ausschließlich durch die Schließung der Werke in Thüringen umgesetzt. Weitergehende Maßnahmen, die Investitionen in wirksame Technologien notwendig gemacht hätten, hat das Unternehmen abgelehnt, deshalb wurden in der Werra nur die Notgrenzwerte von 1942 erreicht. Das hat nicht ausgereicht, um die Qualität der Werra im Sinne der EU-WRRL auch nur geringfügig zu verbessern. Im Gegenteil: 2003 hat das Unternehmen die Anhebung des Grenzwertes für die Wasserhärte beantragt und es ist ihm tatsächlich gestattet worden, die damit die Belastung der Werra wieder zu erhöhen.

I.2 „Maßnahmenpaket“

2009 hat die K+S AG zugesagt, bis 2015 im Rahmen eines „Maßnahmenpakets zum Gdewässerschutz“ die Belastung der Werra „zu halbieren“. Aufgrund dieser Zusage haben die Anrainerländer den Bewirtschaftungsplan 2009 – 2015 für die Flussgebietseinheit Weser (FGE Weser) beschlossen. Zum Ende des Bewirtschaftungsplans stellte sich dann heraus, dass sich der Zustand der Werra nicht einmal minimal verbessert hatte, die voreilig verfügte Senkung von Grenzwerten wurde wieder zurück genommen. K+S hatte allerdings sechs Jahre Zeit gewonnen.

I.3 Vierphasenplan und Masterplan

2014 haben die K+S AG und das dem Land Hessen mit dem „Vierphasenplan“ Grundlagen für das weitere Vorgehen bis zum Jahre 2075 vereinbart. Das Land Hessen hat der K+S AG weitgehende Zugeständnisse gemacht. Das Erreichen des „guten ökologischen Zustands“ als Ziel der EU-WRRL wurde dem Unternehmen auch bis 2075 nicht zugemutet. Im Gegenzug hat K+S zugesagt, bis 2021 die Salzbelastung der Werra geringfügig zu verringern. Der „Vierphasenplan“ war die Grundlage für einen „Masterplan“ und dieser wiederum die Grundlage für den Bewirtschaftungsplan 2015 – 2021 für die FGE Weser. Die EU-Kommission hat den Bewirtschaftungsplan sogar zum Anlass genommen, ein anhängiges Vertragsverletzungsverffahren wegen der Nichtumsetzung der EU-WRRL einzustellen.

Jetzt, ein Jahr vor Auslaufen des aktuellen Bewirtschaftungsplans, will die K+S AG auch diese Zusagen nicht einhalten und hat beantragt, die vereinbarten Grenzwerte wieder auszusetzen.

Zweifel an der Vertragstreue und -fähigkeit sind nicht deshalb nicht nur möglich, sondern sogar angebracht. Daraus müssen nun die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Zugeständnisse an das Unternehmen haben in den letzten zwanzig Jahren keine Wirkung gezeigt.

II Es gibt keine technisch oder wirtschaftlich begründete Notwendigkeit, die Abfälle des Kalibergbaus an die Umwelt abzustoßen

Ein Abweichen von den Fristen und Zielen der EU-WRRL wäre nur dann zulässig, wenn keine Verfahren zur Verfügung stünden, mit denen die Ziele erreicht werden könnten. Das trifft auch auf den Kalibergbau im Werra-Fulda-Revier nicht zu (4), (5).

Die K-UTEC AG hat zwischen 2011 und 2014 mehrere Vorschläge vorgelegt, mit denen durch Aufarbeitung der Abwässer eine abstoßfreie Kaliproduktion möglich ist. In den Vorschlägen sind ausschließlich Verfahren zusammengefasst, die bereits in der Kali-Industrie eingesetzt werden und die somit dem Stand der Technik und der „guten Praxis“ entsprechen.

Eine abstoßfreie Kaliproduktion im Werra-Fulda-Revier ist mit Investitionen von etwa 530 Mio. Euro möglich. Mit der Rückgewinnung von Wertstoffen nach K-UTEC lässt sich ein zusätzlicher Jahresgewinn von 100 Mio. Euro erzielen (Stand 2014, seitdem sind die Rohstoffpreise gestiegen), deshalb werden sich die Verfahren nach innerhalb von sechs Jahren amortisieren. Widersprechende Einlassungen der K+S AG und ihrer Gutachter hat das Umweltbundesamt bereits 2014 als unzutreffend zurückgewiesen.

III Nachhaltigkeit? Mit seiner Entsorgungspraxis verschwendet K+S Rohstoffe und Energie

Mit den K-UTEC-Verfahren kann aus den Halden- und Produktionsabwässern Kaliumsulfatdünger gewonnen werden. Mit seiner Entsorgungspraxis vernichtet die K+S AG im Werra-Fulda Revier jährlich 550.000 Tonnen dieses wertvollen Spezialdüngers durch Abstoß an die Umwelt (6).

Um 550.000 Tonnen Dünger konventionell zu gewinnen, müssen 2,2 bis 2.8 Mio. Tonnen Rohsalz abgebaut, gefördert und energieintensiv aufgearbeitet werden. Dabei entstehen 1,6 bis 2,2 Mio. Tonnen an Abfällen, die K+S an die Umwelt abgestoßen würde.

Diese einfache Rechnung zeigt uns, dass das Entsorgungskonzept der K+S AG rohstoffpolitisch und energiepolitisch unverantwortbar ist und erhebliche Mengen an vermeidbaren Abfällen erzeugt (7).

Mit den Verfahren der K-UTEC AG könnte K+S mit geringerem Energieaufwand mehr Dünger erzeugen, kostengünstiger produzieren, seine Wettbewerbsfähigkeit stärken und die ständige Unsicherheit wegen wegen der (Un)zulässigkeit der Entsorgungspraxis und der Missachtung des Verursacherprinzips vermeiden. Das würde die Arbeitsplätze langfristig sichern.

IV Wirtschaftliche Schwäche kann nicht auf Dauer die Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben rechtfertigen

Die K+S AG hat bisher Investitionen in wirksame Aufbereitungsmaßnahmen mit der Begründung abgelehnt, die hierfür notwenigern Kosten seien für das Unternehmen aus wirtschaflichen Gründen nicht zumutbar.

Diese Argumentation ist schon deshalb nicht plausibel, weil sich die Investitionen innerhalb von sechs jahren amortisieren und danach zusätzliche Jahresgewinne von 100 Mio. Euro ermöglichen.

Wirtschaftliche Schwäche kann auch deshalb nicht angenommen werden, weil das Unternehmen sogar einen Vorschlag abgelehnt hat, der keinerlei Investitionen erforderlich gemacht hätte.

Die Stadtwerke Union Nordhessen (SUN) und die General Electric Company (GE) haben der K+S AG 2014 vorgeschlagen, eine Aufbereitungsanlage nach K-UTEC auf eigene Kosten zu bauen und die Aufarbeitung der Abwässer als Dienstleistung anzubieten. Damit wäre für K+S eine abstoßfreie Produktion möglich gewesen, ohne zusätzliche Kredite aufnehmen zu müssen. Die Ablehnung dieses Angebots entwertet das Argument der vorgeblichen wirtschaftlichen Schwäche (8).

Wenn die K+S AG tatsächlich als wirtschaftlich so schwach eingeschätzt werden muss, dass auch das Dienstleistungsangebot von SUN/GE unzumutbar ist, dann stellt sich die Frage, ob der Kalibergbau an Werra und Weser überhaupt wirtschaftlich betrieben werden kann. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe zu der behaupteten wirtschaftlichen Schwäche geführt haben. Weder die Kalikrise, das Fehlen moderner Technologien noch eine unfähige Geschäftsführung können auf Dauer einen Vorwand liefern, geltendes Recht nicht durchzusetzen (9).

Die Anlagen wären dann so zu hinterlassen, dass die Kaliproduktion wieder aufgenommen werden kann, wenn ein anderes Unternehmen bereit ist, in wirksame Technologien zum investieren (10).

V Schlecht geredet – Werra und Weser sind nicht irreversibel geschädigt

Schon im Abschlussbericht des Projekts „Werra-Salzabwasser“ (2007) hatten die K+S AG und ihre Gutachter die Nicht-Umsetzung der EU-WRRL damit begründet, dass die Wrrra ohnehin irreversibel geschädigt sei; das „Verbesserungsgebot“ der EU-WRRL könne deshalb nicht umgesetzt werden.

Diese Annahme ist unzutreffend. Die Verbesserung des Ökosystems im Rhein nach dem Sandoz-Unfall hat gezeigt, wie dynamisch die Ökosysteme der Fließgewässer sind. Wenn durch Umsetzung der K-UTEC-Vorschläge die Verpressung von Abwässer in den Untergrund, das Versickernlassen von Haldenlaugen und die Direkteinleitung in die Werra eingestellt werden, dann kann in der Werra bis zur letzten Umsetzungsphase der EU-WRRL der „gute ökologische Zustand“ in der Werra erreicht sein (11), (12).

VI Die Einstufung der Werra und des Grundwassers im Werrarevier in den „qualitativ schlechten Zustand“ verbieten die Fortsetzung der Salzeinleitung

Neben dem „Verbesserungsgebot“ kennt die EU-WRRL auch ein „Verschlechterungsverbot“. Es war schon mehrfach Gegenstand von Begehrlichkeiten, wenn nämlich Gewässerverschmutzer die Ansicht vertreten haben, man könne dann nicht mehr von einer „Verschlechterung“ sprechen, wenn Abwässer in ein Gewässer geleitet werden, dass bereits in den schlechtesten Qualitätszustand eingestuft ist. Dem hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom 01.07.2015 (in der Rechtssache C‑461/13) einen Riegel vorgeschoben: „Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dar.“ (a.a.O, Rn 69) (13).

Dies trifft sowohl für das Grundwasser im Werra-Fuldarevier zu als auch für die Werra selbst. Damit sind alle Entsorgungswege der K+S AG betroffen: Das Verpressen von Abwässern in den Untergrund, das Versickenlassen von Haldenlaugen und die direkte Einleitung von Abwässern in die Werra vestoßen gegen das Verschlechterungsverbot und sind somit rechtswidrig.

Endnoten

(1) https://rp-kassel.hessen.de/umwelt-natur/kaliindustrie

(2)

(3)

https://salzblog.org/2020/01/13/nach-uns-die-sintflut-teil-ii/

(4)

(5)

(6)

https://salzblog.org/2018/06/24/die-raetselhafte-einkaufs-und-entsorgungspraxis-des-kaliherstellers-ks/

(7)

(8)

(9)

(10)

(11)

(12)

(13) Urteil des EuGH vom 01.07.2015 in der Rechtssache C-461/13, https://ia601506.us.archive.org/29/items/curiadokumente/CURIA%20-%20Dokumente.htm