Nach uns die Sintflut – Trinkwasser, Blei, Umwelthormone, die EU-Kommission und die Abwässer der K+S AG

Nachhaltigkeit im Kalibergbau als Frage der Generationengerechtigkeit, Teil I

von Walter Hölzel

Von Nachhaltigkeit spricht man, wenn einem System nicht mehr Ressourcen entnommen werden, als dort auf natürliche Weise wieder nachwachsen. Das geläufige Beispiel ist die Forstwirtschaft, wo der Begriff der Nachhaltigkeit entwickelt worden ist. Diese Art von Nachhaltigkeit ist im Kalibergbau naturgemäß nicht möglich.

Entscheidend ist, wie man das System definiert, dessen Nachhaltigkeit man beurteilen möchte. So kann es für ein Wirtschaftsunternehmen – kurzfristig und isoliert betrachtet – durchaus „nachhaltig“ erscheinen, eine Lagerstätte mit ineffektiven Methoden und unter Energieverschwendung auszubeuten und dabei Ewigkeitslasten und Umweltschäden zu hinterlassen. So könnte sich ein Unternehmen die Möglichkeit verschaffen, „neue“ Ressourcen zu erschließen, mit denen es sein Geschäftsmodell an anderer Stelle fortsetzen kann. „Nachhaltigkeit“ bezieht sich dann auf kurzfristige Gewinnmaximierung. Die Unternehmen hüten sich jedoch, dies in ihren Nachhaltigkeitsberichten zum Ausdruck zu bringen.

Wenn man aber die Verantwortlichkeit weiter fasst und auf längere Zeiträume ausdehnt, dann ergeben sich ganz andere Prioritäten als die kurzfristige Gewinnmaximierung. Dazu kann es hilfreich sein, den Begriff der „Nachhaltigkeit“ durch „Generationengerechtigkeit“ zu ersetzen (1), (2), (3).

Es lassen sich jetzt konkrete Fragen formulieren, etwa zu dem Umgang mit einer Lagerstätte und mit den bei Abbau und Aufarbeitung betroffenen (Öko)Systemen:

  • Mit welchen Abbau- und Aufbereitungsverfahren kann man die Lagerstätte mit möglichst geringen Verlusten an Wertstoffen und Energie ausbeuten?
  • Wie kann man Ewigkeitslasten wie dieTrinkwasservernichtung, die Zerstörung von Ökosystemen und oberirdische Rückstandshalden vermeiden?
  • Wie kann man vermeiden, dass nach der Ausbeutung der Lagerstätte unkalkulierbare Schäden durch Bergsenkungen entstehen?
  • Ist es verantwortbar, in Salzbergwerken, die immer von Wassereinbrüchen bedroht sind, hochgiftige Abfälle einzulagern?
  • …..

Diese Fragen müssen auch dann gestellt werden, wenn ein Unternehmen lediglich ineffektiv arbeitet und den Eindruck zu erwecken versucht, die Arbeitsplätze könnten nur erhalten bleiben, wenn Ökosysteme rücksichtslos zur Verklappung der Abfälle in Anspruch genommen werden.

Die Fragen sind auch dann zu stellen, wenn Unternehmen einen so hohen Anteil der Gewinne entnehmen und an die Anteilseigner ausgeschütten, dass sich das Unternehmen überschuldet und die Fähigkeit verliert, durch Investitionen in moderne Technik seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Schlechtes Arbeiten und Raubbau rechtfertigen keine Umweltzerstörung.

Welche Art der Nachhaltigkeit nimmt die K+S AG für sich in Anspruch?

Auch der Kalihersteller K+S bekennt sich zu Nachhaltigkeitszielen: „In drei Handlungsfeldern haben wir uns konkrete Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Es geht um Menschen, um die Umwelt und unsere Geschäftsethik.“ (4)

In unseren folgenden Blogposts zur Nachhaltigkeit im Kalibergbau überprüfen wir anhand der täglichen Praxis des Unternehmens, welche Auswirkung diese Praxis auf die Umwelt und die Menschen entlang der Werra und der Weser hat. Die Frage nach der Geschäftsethik wird sich dann vermutlich von selbst beantworten.

Rückstandshalden und Betriebsanlagen der K+S AG im Werratal. Die Anlagen reichen bis nahe an den Fluss heran. Copyright jan wundah

Kaliabwässer vernichten Trinkwasservorkommen

Der Bürgermeister der K+S-Standortgemeinde Heringen im Werratal schreibt im Juni 2016 einen zornigen Brief an den Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübke:

„Sie schreiben tatsächlich, dass es keine Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der Salzwasserversenkung bei uns gebe. In Anbetracht der Tatsachen ist eine solche Antwort von einer Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde zu den Folgen der Versenkung von Kaliabwässern eine einzige zynische Verhöhnung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. (…) Bereits ab den 50er Jahren haben die Bürgermeister und Landräte heftig Klage über die negativen Folgen der Versenktätigkeit auf die hiesige Trinkwasserversorgung geführt. In aller Offenheit wird schriftlich von der zunehmenden Versalzung der Quellen, der daraus entstandenen Versorgungsnot und der damit einhergehenden drastischen Erhöhung der Wassergebühren geschrieben und geklagt. Diese große Not hat dazu geführt, einen Wasserbeschaffungsverband zu gründen, um das Wasser für die Bürger aus weit entfernten Gemarkungen heranschaffen zu können, was wiederum heftige Diskussionen bezüglich der Finanzierung und des damit einhergehenden Wasserpreises auslöste.“ (5)

Die Klage des Bürgermeisters ist, wissenschaftlich hinterlegt, berechtigt:

„Seit 1925 wird ein großer Teil der Kaliendlaugen unter Druck (bis 20 bar) über Schluck- oder Versenkbrunnen in den 300 bis 600 Meter tiefen Plattendolomit des Zechsteins verpresst. (…) …durch den hohen hydrostatischen Druck werden die Dolomitwässer und letztendlich auch die Kaliendlaugen gezwungen auszuweichen und an den Zerrüttungsstellen des Plattendolomits aufzusteigen. Mittlerweise ist die Salz-/Süßwassergrenze regional bereits bis in oberflächennahe Beeiche aufgestiegen, ein Vorgang, der als irreversibel anzusehen ist. So entstanden neue Salzquellen und großflächige Austrittsstellen von salzhaltigen Grundwasser. (…) Ob es sich bei den aufsteigenden Salzwässern um natürliche Solquellen oder um Kaliendlaugen handelt, lässt sich am Ca:Mg-Verhältnis feststellen“ schreibt Margit Kahlert schon 1993 (6).

Modell der Laugenversenkung in der Gerstunger Mulde

Die DDR-Betriebe hatten die Laugenverpressung bereits vor 1970 eingestellt, nachdem Trinkwasserbrunnen zu versalzen begannen. Die K+S AG, die als Betreiberin der Kaligrube immer noch Abfalllaugen in den Untergrund verpresst und Haldenlaugen versickern lässt, hat bis heute jede Verantwortung für die beschriebenen Schäden abgelehnt. Diese Schäden aber haben ein erhebliches Ausmaß:

„Im oberflächennahen Grundwasser (zwischen Widdershausen und Heringen, Anmerkung des Autors) zeigen sich zwei Bereiche hoher Belastung mit Chloridgehalten von über 40.000 mg/l und Magnesiumgehalten von über 2.000 mg/l. Einer dieser Bereiche befindet sich im Naturschutzgebiet „Rohrlache“ (im Bereich des Versenkgebiets Dankmarshausen, Anmerkung des Autors) in einiger Entfernung zur Werra. Der zweite Bereich extrem hoher Belastung erstreckt sich entlang der Werra. Bis in 300 Meter Entfernung von der Werra liegen die Werte dann zwischen 30.000 – 10.000 mg/l“. (7)

Die Salzbelastung des Grundwassers und der Flussaue ist nicht auf das Werrarevier begrenzt, sondern sie setzt sich bis Bremen fort: (8)

„Je nach örtlichen Verhältnissen ist ein bis zu 400 Meter breiter Streifen des Grundwasserkörpers beiderseits von Werra und Weser durch stark salzhaltiges Uferfiltrat beeinflusst. Daher muss weitgehend auf die Gewinnung des leicht erschließbaren Grundwassers in der Talaue verzichtet werden (…). Da in der norddeutschen Tiefebene das Grundwasser von Natur aus einen hohen Mangan- und Eisengehalt aufweist, kann es als Trinkwasser nur bedingt verwendet werden und man ist auf die Gewinnung von Flusswasser oder Uferfiltrat angewiesen. Die Stadt Bremen bezieht seit 1935 über Fernleitungen Wasser (…), anfangs aber nur, um das Weserwasser zu verdünnen. Seit 1982 verwendet Bremen kein Weserwasser mehr zur Trinkwassergewinnung. Der überhöhte Bromidgehalt im Weserwasser aufgrund der Kaliabwasserbelastung hatte bei der Chlorung des Mischwassers zur Bildung toxischen Bromoforms im Trinkwasser geführt.“

„Im Werragebiet musste als Ersatzmaßnahme vielerorts das Grundwasser im Festgestein der höheren Lagen unter großen Kosten erschlossen werden, wie dies auch in Witzenhausen schon vor 20 Jahren geschah.“

Auch für landwirtschaftliche und industrielle Zwecke eignet sich das Flusswasser nicht mehr:

„Das Wasser von Werra und Weser, sowie des vom Weserwasser gespeisten Mittellandkanals fällt aufgrund des hohen Salzgehaltes für die landwirtschaftliche Nutzung, wie für die Beregnung, vollständig aus.“

„Der hohe Salzgehalt verursacht (…) Korrosion und Ablagerungen an den Betriebseinrichtungen. Die Lebensdauer von Turbinen, Kondensatoren, Pumpen, Stahlwasserbauten und Betonkonstruktionen verringert sich stark (…). Im Wesergebiet allein sind daher nach einer Umfrage jährliche Wassergewinnungskapazitäten der Industrie von mindestens 1,0 Mio. cbm Oberflächenwasser und 1,9 Mio. cbm Grundwasser stillgelegt worden. (…) Auch die hessischen Kaliwerke sind davon betroffen und beziehen ihr Brauchwasser zum Teil aus Quellen. (Hervorhebungen durch den Autor)

Die EU-Trinkwasserrichtlinie

Die EU-Kommission erarbeitet eine Neufassung der Trinkwasserrichtlinie (9). Wie üblich (10), (11), (12), (13), versuchen Lobbyverbände und diverse Mitgliedsstaaten den Entwurf abzuschwächen. Nicht der Eintrag industrieller Abfälle in Trinkwasserhorizonte soll möglichst gering gehalten werden, vielmehr soll der „Schutz“ des Trinkwassers und der Bevölkerung die möglichen Verursacher möglichst wenig kosten. Das betrifft z.B. Blei, Umwelthormone und Mikroplastik im Trinkwasser. Bei diesen Bestrebungen ist die Bundesregierung ganz vorne dabei. In den einzelnen Bundesländern setzen die Genehmigungsbehörden diese Politik dann um.

Die deutschen Behörden sind einschlägig (un)tätig: Blei und andere Schwermetalle im salzbelasteten Grundwasser

„So schreibt die Kommission in ihrem Gesetzesvorschlag, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weise darauf hin, „dass Blei einer der wenigen Stoffe ist, von denen bekannt ist, dass sie sich über das Trinkwasser direkt auf die Gesundheit auswirken“. Die Konzentration solle daher so niedrig wie möglich gehalten werden. Die WHO ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Das Umweltbundesamt warnt: „Blei ist auch in sehr niedrigen Aufnahmemengen gesundheitsgefährdend und kann bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern das Nervensystem schädigen sowie die Blutbildung und die Intelligenzentwicklung beeinträchtigen.“ (…) Die EU-Kommission schlägt daher eine weitere Verschärfung der Grenzwerte vor. Die zulässige Bleikonzentration soll von heute maximal zehn Mikrogramm pro Liter auf fünf Mikrogramm pro Liter sinken. (…) Der deutschen Position haben sich seitdem mehrere Mitgliedsstaaten angeschlossen. Der Bleigehalt soll demnach auch künftig bei zehn Mikrogramm liegen dürfen.“ (9)

Nur durch eine Anordnung des Thüringer Landesverwaltungsamts wurde bekannt, dass im Grundwasser am Fuß der K+S-Rückstandshalde Hattorf deutlich über den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung liegende Konzentrationen an Schwermetallen gemessen worden sind, „darunter Zink, Cadmium, Blei, Kupfer und Nickel. Der Geringfügigkeitsschwellenwert wurde dabei zum Teil um das Tausendfache überschritten“ (14). Der schwebende Grundwasserleiter strömt hier südöstlich in Richtung des Breizbachtals nach Thüringen. Die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser im Einflussbereich der K+S-Rückstandshalde wurde deshalb in Thüringen untersagt (15).

Das hesssische Umweltministerium war dagegen der Meinung, dass von der Schwermetallbelastung des Grundwassers in Hessen keine Gefahr ausgehe, weil „Das Grundwasser des sogenannten schwebenden Grundwasserleiters in Hessen nicht genutzt (werde)“ (16).

Diese Aussage ist an Zynismus kaum zu übertreffen. Natürlich kann dort kein Trinkwasser mehr gewonnen werden, wo dem Unternehmen gestattet ist, seine Abwässer versickern zu lassen. Der eigentliche Skandal ist, dass dort auch künftig keine Trinkwasservorräte mehr zur Verfügung stehen. Und: weil sich das belastete Grundwasser bewegt, kann es in bisher unbelasteten Regionen weitere Trinkwasservorkommen vernichten.

Das Problem ist seit 2011 bekannt. Abhilfe? Keine.

Wie erklären sich die hohen Schwermetallgehalte des Grundwassers? Die K+S-Rückstandssalze enthalten zwar ebenfalls Schwermetalle (17), sie können aber nur einen Beitrag zu den gemessenen Konzentrationen leisten. K+S erklärt das so:

„Peter Huttel, bei K+S für diese Thema zuständig, erläuterte bei einer Bürgerversammlung Ende August in Unterbreizbach, dass die Schwermetalle nur vereinzelt von der Hattorfer Abraumhalde selbst stammen würden. Vielmehr würden offenbar Sickerwässer von der Halde teilweise in den lehm- und tonhaltigen Boden eindringen. Dort würden sie die Metalle – Blei, Kupfer, Cadmium und Nickel — auswaschen, über Quellen treten sie dann zutage. (…) Wie lange ist die Schwermetallbelastung tatsächlich schon bekannt? Während Huttel bei der Veranstaltung in Unterbreizbach laut „Südthüringer Zeitung“ von wenigen Monaten sprach, sagte Bürgermeister Roland Ernst, dass man wisse, dass die Schwermetalle bereits über Jahre auf Wiesen und Äcker ausgetreten seien. Auch Göbel (Pressesprecher der K+S AG, Einfügung des Autors) räumte in einem Beitrag des Hessischen Rundfunks ein, dass das Problem schon seit 2011 bekannt sei.(18)

Ob es zutrifft, dass Schwermetalle durch salzhaltige Sickerwässer in den Lehmschichten ausgetauscht werden und dann in das Grundwasser gelangen, können wir nicht überprüfen. Vielleicht gibt es auch andere Erklärungen, die ebenfalls auf die Tätigkeiten der K+S AG zurückweisen. Fest steht nach den Äusserungen des Unternehmens immerhin Eines: die Schwermetallbelastung des Grundwassers wird durch die Entsorgungstätigkeit der K+S AG verursacht.

Was haben die Behörden unternommen, um das Problem wenigstens einzudämmen ? Die Genehmigungsbehörde schreibt:

„Wie soll Abhilfe geschaffen werden? K+S wurde zum einen verpflichtet, das Messstellennetz zu erweitern, um eine noch bessere Kontrolle zu gewährleisten. Zum anderen wurde K+S aufgefordert, die Auswirkungen der Rückstandshalde auf die Umwelt und insbesondere den Boden und das Grundwasser zu ermitteln. Bei unerwarteten nachteiligen Auswirkungen muss das Unternehmen Maßnahmen ergreifen, um diesen entgegen zu wirken. Derzeit werden durch K+S die Wirkmechanismen untersucht, die zu den erhöhten Schwermetallkonzentrationen im Grundwasser führen. Sobald die Ergebnisse hierzu vorliegen, wird über weitere kurzfristige Maßnahmen entschieden.“ (19)

Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz hatte damals geschrieben: „Wieder müssen wir feststellen, dass die gravierendsten Auswirkungen der K+S-Entsorgungspraxis erst durch Nachforschungen der Medien bekannt werden. Die Behörden verweigern die Herausgabe von wichtigen Unterlagen, obwohl sie nach dem Umweltinformationsgesetz dazu verpflichtet wären. Ihre Veröffentlichung muss immer wieder durch Gerichtsentscheid erzwungen werden und die Informationen gelan­gen regelmäßig erst mit mehrmonatiger Verspätung in die Hände der betroffenen Anrainer von Werra und Weser. Aus solchen Unterlagen wissen wir auch, dass Akten „bereinigt“ worden sind, bevor sie ein Gericht zu sehen bekam.“ (20)

Die Einlassungen des Regierungspräsidiums Kassel konnten nicht befriedigen und haben Kritik hervorgerufen (21).

Umwelthormone: Bromphenole in den Abwässern der K+S AG

„Die EU-Kommission schlägt nun vor, Leitungswasser auch auf Umwelthormone zu kontrollieren. (…) Die Bundesregierung ist da weniger offensiv. Auf den Vorschlag der Kommission, für drei Umwelthormone im Trinkwasser Grenzwerte festzulegen, reagierte sie zurückhaltend. Zunächst hielt man in Berlin einen eigenen Grenzwert überhaupt nicht für erforderlich. In späteren Verhandlungen ließen sich die deutschen Fachbeamten darauf ein, diese Umwelthormone gesondert in einer Liste aufzuführen.“ (9)

Das Umweltbundesamt schreibt 2017:

„Seit Anfang der 1990er Jahren gibt es vermehrte Hinweise, dass hormonähnlich wirkende Substanzen die menschliche Gesundheit nachteilig beeinflussen könnten. (…) In den letzten 20 Jahren häufen sich durch tierexperimentelle und epidemiologische Studien die Hinweise, dass Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung, die durch eine Vielzahl von Wirkmechanismen in hormonelle Abläufe eingreifen und diese verändern können, zur Zunahme hormonabhängiger Erkrankungen und Gesundheitsstörungen des Menschen beitragen könnten. Diese Substanzen werden als Umwelthormone oder Endokrine Disruptoren (ED) bezeichnet. (…) Diese Chemikalien werden verdächtigt, in die Entwicklung des Menschen vor der Geburt und in der frühen Kindheit einzugreifen, diese zu stören und somit im späteren Leben zu einer Krankheitsentstehung beizutragen.“ (22)

Die K+S AG benutzt für die Aufbereitung der Rohsalze „Produktionshilfsstoffe“, sowohl in der Flotation als auch in der Elektrostatischen Aufbereitung. Diese Stoffe gelangen auch in die flüssigen und festen Produktionsrückstände und damit in die Umwelt. Die bislang veröffentlichten Stofflisten gelten als unvollständig, ihre Veröffentlichung musste stückweise gerichtlich erzwungen werden. Bei den Produktionshilfsstoffen handelt es sich um hochpolare Verbindungen, Tenside, Alkohole, Phenole und organische Säuren. Sie gelangen mit den Abwässern direkt oder über die Haldenlaugen indirekt in das Grundwasser und die Oberflächengewässer.

Auf der Haldenoberfläche reagieren diese Stoffe zu brom- und chlororganischen Verbindungen. Zumindest bromorganische Verbindungen sind als Endokrine Disruptoren bekannt (23), (24). Wegen ihrer östrogenen Wirkung könnten sie beteiligt sein an der Auslöschung der Süßwasserbiozönose in der Werra.

Das Salz riecht…

… sagen die Anwohner der Rückstandshalden im Werrarevier. Tatsächlich stellt man fest, dass die Abluft der Halden „nach Meer“ riecht, genauer: nach Küste. Der Geruch der Meeresküste wird ebenfalls von bromorganischen Verbindungen verursacht. Sie werden auch über die Luft verbreitet.

Fortsetzung folgt…

Endnoten

(1) https://www.acatech.de/projekt/acatech-horizonte-nachhaltige-landwirtschaft/

(2) https://www.idiv.de/de/cap-scientists-statement.html

(3) https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/ressourcen_1698.htm

(4) https://www.kpluss.com/de-de/nachhaltigkeit/

(5) Schreiben des Bürgermeisters Hans Ries an den Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübke vom 16.06.2016 https://ia601406.us.archive.org/16/items/anschrrpbeantwortgtrinkwasserversorgwerratal2016.0616_202001/Anschr-RP_BeantwortgTrinkwasserversorgWerratal_2016.06_16.pdf

(7) Kahlert, a.a.O., S. 22

(8) Kahlert, a.a.O., Ss. 16-19

(9) Die Zeit, 27.11.2019, „Die EU will Trinkwasser strenger überprüfen, die Bundesregierung sperrt sich dagegen.“ https://www.zeit.de/2019/49/trinkwasser-schadstoffe-ueberpruefung-wasserhahn-eu-bundesregierung

(10) W.Hölzel/WWA, Vorläufiges zu der Umweltpolitik der Europäischen Union, https://salzblog.org/2019/08/07/vorlaeufiges-zu-der-umweltpolitik-der-europaeischen-union/

(11) W.Hölzel/WWA, Revision der EU-Wasserrahmenrichtlinie, https://salzblog.org/2019/07/13/revision-der-eu-wasserrahmenrichtlinie/

(12) W.Hölzel/WWA, Ein Feldzug gegen die Umwelt, https://salzblog.org/2019/05/01/ein-feldzug-gegen-die-umwelt/

(13) W.Hölzel/WWA, Mehr Leitungswasser trinken oder mehr Trinkwasser vernichten? https://salzblog.org/2018/10/24/mehr-leitungswasser-trinken-oder-mehr-trinkwasser-vernichten/

(14) HNA 25.09.2016, http://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/giftige-schwermetall-konzentrationen-philippsthal-6782573.html

(15) Allgemeinverfügung Nr. 181 des Thüringer Landesverwaltungsamts zur Einschränkung der Nutzung von Grundwasser in der Gemeinde Unterbreizbach, Wartburgkreis vom 22. Juli 2016

(16) Hersfelder Zeitung vom 29.06.2016, https://www.hersfelder-zeitung.de/lokales/philippsthal-heringen/hohe-werte-hattorf-6797859.html

(17) 0,02 bis 0,05 mg /Liter Haldensickerwasser nach Angaben des damaligen Leiters F+E der K+S AG anlässlich einer Sitzung des „Runden Tisches“ am 24.06.2008

(18) Thüringer Allgemeine vom 28.09.2016, http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Schwermetalle-belasten-Grundwasser-am-Fuss-der-Kali-Abraumhalde-1465933440

(19) Pressemitteilung des RP Kassel 28.09.2016: RP prüft Schwermetallbelastung. Die PM ist inzwischen von der Website des RP Kassel entfernt.

(20) PM der WWA vom 26.09.2016, „Verschweigen verschärft die Probleme“, https://ia601501.us.archive.org/16/items/werraweseranrainerkonferenzpm20160926_202001/Werra-Weser-Anrainerkonferenz-PM-20160926.pdf

(21) W.Hölzel/WWA, „Unvollständig, unbefriedigend und irreführend – Die Einlassungen des Regierungspräsidiums Kassel zu der Schwermetallbelastung des Grundwassers durch Haldenlaugen der K+S Kali GmbH“, 10.10.2016, https://ia601504.us.archive.org/29/items/unvollstandigunbefriedigendundirrefuhrend_202001/unvollst%C3%A4ndig%20unbefriedigend%20und%20irref%C3%BChrend.pdf

(22) https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/umwelthormone#textpart-1

(23) „For example, tribromophenol is a potent competitor of the thyroid hormone, has weak estrogenic activity and causes an induction of aromatase activity. This chemical was grouped into T-activity.“ https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412019314576?via%3Dihub

(24) bromorganische Verbindungen als Umwelthormone: https://www.who.int/ipcs/publications/en/ch6.pdf, Ss. 89-91, 100, 102+103


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