(Kein) Klimaschutz in der industriellen Produktion am Beispiel der Herstellung von Kalidünger – Ein Beitrag zur Klimastreikwoche der Universität Kassel

Hundert Jahre Werraversalzung und hundert Jahre Kaliforschung – warum sich die Qualität der versalzenen Gewässer trotzdem nicht verbessert, Teil III

Wenn es um die Werraversalzung geht, dann betrachtet man übli­cherweise nur diejenigen Aspekte, mit denen die geschädigten An­rainer ihre Interessen vor Gericht geltend machen können. Das sind z.B. die Vernichtung der Süßwasser-Lebensgemeinschaft in der Wer­ra, die Vernichtung von Trinkwasservorkommen und die Alt­lasten der Rückstandshalden sowie der in den Untergrund ver­pressten Abwässer. Energieverbrauch und Klimaschutz sind bislang nicht thematisiert worden. Moderne Technik kann inzwischen den Energiever­brauch senken, Umweltschäden vermeiden und die Nachhaltigkeit verbessern – man muss sie nur anwenden.

von Walter Hölzel

Zusammenfassung – Potentiale zum Klimaschutz liegen brach

Die K-UTEC AG, ein international tätiger Salz- und Bergwerksspezialist, hatte drei Verfahrenskombina­tione­n für eine ab­stoßfreie Kali­produktion der K+S-Werke im Werrare­vier entwickelt und diese 2014 vorgeschlagen. Ihre technische und wirtschaftliche Mach­barkeit hat das Umwelt­bundesamt bestätigt. Die abstoßfreie Kaliproduktion kann CO2-neutral geführt werden. Die Stadt­werke-Union-Nordhessen (SUN) und der nord­ame­ri­kanische Konzern General Electric Company (GE) ha­tten der K+S AG angeboten, die Ab­wässer des Kaliherstellers in Dienst­leis­tung aufzu­arbeiten. Dazu sollten die Verfahren der K-UTEC AG einge­s­etzt und Überschussenergie aus Wind- und Son­nenenergie­anlagen genutzt werden. Die K+S AG hat bis heute alle Vorschläge abgelehnt. Stattdessen will das Unter­nehmen das Ablagern von Salz­rückständen sowie die Verklappung und das Versickernlassen von Abwäs­sern fortsetzen. Hier liegen erhebliche Potentiale zum Klimaschutz brach.

Die Situation

Nur etwa 20% der im Werrarevier abgebauten Rohsalze werden von dem Kalihersteller K+S als Wertstoffe genutzt, 80% werden in Form von flüssigen und festen Salzabfällen an die Umwelt abgestoßen. Sie enthalten überwiegend Natriumchlorid, aber auch Chloride und Sulfate des Kaliums und Magnesiums sowie Bromide. Weiterhin sind Produktionshilfsstoffe wie Tenside und andere polare organische Verbindungen sowie Schwermetalle enthalten.

Durch die Stilllegung der thüringischen Kalibetriebe wurde der Salzeintrag in die Werra deutlich vermindert. Das hat aber nicht ausgereicht, die ökologische und chemische Qualität der Werra zu verbessern, weil gleichzeitig der Grenzwert für Magnesium erhöht worden ist. Die Werra ist deshalb immer noch in die schlechteste Qualitätsstufe der europäischen Wasserrahmenrichtlinie eingestuft. Im Fluss ist die Süßwasser-Biozönose vernichtet, versickernde Haldenlaugen haben zu einem Eintrag von Schwermetallen in das Grundwasser geführt. Der Vorsorgwert für Blei im Grundwasser ist stellenweise um den Faktor 1000 überschritten. In den Untergrund verpresste Abwässer haben großflächig das Grundwasser versalzen und Trinkwasservorkommen vernichtet.

Alle Entsorgungswege der K+S AG führen in die Werra

Die K+S AG entledigt sich ihrer Salzabfälle auf vier Wegen:

  • Feste Abfälle werden auf Rückstandshalden abgelagert. Diese Halden sollen nach den Vorstellungen des Unternehmens nicht zurückgebaut, sondern noch beträchtlich erweitert und der Nachwelt als Altlast hinterlassen werden. Auf den Halden entstehen durch Abregnen Abwässer („Haldenlaugen“), die vollständig in die Werra geleitet werden. An der Haldenoberfläche reagieren die enthaltenen organischen Produktionshilfsstoffe bei Sonneneinstrahlung mit Bromidradikalen zu bromorganischen Verbindungen wie Bromphenolen. Auch diese Stoffe gelangen mit dem Abwasser in die Werra.
  • Da die Halden nur zur Hälfte eine Basisabdeckung haben, versickert ein Teil der Haldenlaugen in den Untergrund und gelangt in das Grundwasser. Die Möglichkeit einer Haldenabdeckung zur Verminderung der Haldenlaugen hat der Betreiber zwar in Aussicht gestellt, ohne aber Standfestigkeit, Wirksamkeit und wirtschaftliche Machbarkeit nachzuweisen. Dies ist weltweit ohnehin noch nie gelungen (1). Die Halden sollen noch beträchtlich erweitert werden, deshalb wird auch die Menge der Haldenlaugen proportional zunehmen.
  • Ein Teil der Produktionsabwässer wird in den Untergrund verpresst. In der Folge steigen verdrängte natürliche Salzwässer und auch die verpressten Abwässer in die höher gelegenen Grundwasserstockwerke auf und vernichten Trinkwasservorkommen. Insgesamt sind im Werrarevier mehr als eine Milliarde Kubikmeter Abwässer in den Untergrund verpresst worden; sie verbreiten sich unkontrollierbar mit den Grundwasserströmen und gelangen auch als „diffuse Einträge“ in die Werra.
  • Der Rest der Produktionsabwässer, ca. 5 Mio. cbm/Jahr, gelangt nicht auf Umwegen in die Werra, sondern wird direkt in den Fluss geleitet.

Die jetzigen Entsorgungsverfahren sind ineffizient. Sie verschwenden Rohstoffe und vergeuden Energie.

AbfallartMenge/Jahrjährlich an die Umwelt abgestoßene Salze
feste Rückständeca. 16 Mio. Tonnen
Produktionsabwässerca. 4,9 Mio. cbmca. 1,7 Mio. Tonnen
Haldenlaugen ca. 1,9 Mio cbm ca. 0,6 Mio. Tonnen
gesamtca. 6,8 Mio. cbmca. 18 Mio. Tonnen
Tabelle 1: anfallende und an die Umwelt abgestoßene Salzabfälle der K+S AG

Herkunft der SalzabwässerMenge in Mio. cbm/Jahr
Produktion Hattorf3,0
Produktion Wintershall1,9
Halde Hattorf0,7
Halde Wintershall0,5
Halde Neuhof-Ellers0,7
gesamt6,8
Tabelle 2: jährlich anfallende Abwassermengen (2), Folie 3

Neben den beschriebenen ökologischen Folgen der K+S-Entsorgungspraktiken sind weitere schwere Mängel der Verfahren festzustellen:

  • Keines der Entsorgungsverfahren ist geeignet, die Salzabwässer dauerhaft aus der Biosphäre zu entfernen. Auch die in den Untergrund verpressten Produktionsabwässer und die versickerten Haldenlaugen landen letzten Endes in der Werra. Die direkt wahrnehmbaren Folgen werden durch Aufhaldung unf Verpressung lediglich zeitlich verschoben, dafür aber zusätzlich das Grundwasser und die Trinkwasservorräte negativ beeinflusst. Wegen der bekannten Dynamik der Fließgewässer könnte die Werra noch saniert werden, wenn die Salzeinleitung beendet wird. Das versalzene Grundwasser ist jedoch nicht sanierbar.
  • Wegen unzureichender Aufbereitungsverfahren vernichtet das Unternehmen mit den abgestoßenen Abwässern jährlich 1,1 Mio. Tonnen an Wertstoffen. Um diesen Verlust auszugleichen, müssten weitere 7,5 Mio. Tonnen Rohsalze abgebaut, gefördert und unter hohem Energieaufwand aufbereitet werden. Dabei entstünden erneut 1,9 Mio. Tonnen Abfälle/Jahr, die behandelt werden müssten. Das Verfahren ist somit hochgradig ineffizient, sowohl im Hinblick auf Wertstoffverluste als auch in Bezug auf den Energieeinsatz und die ökologische Sinnhaftigkeit.

Alle Verfahren für eine abstoßfreie und CO2-neutrale Produktion stehen bereit, werden aber nicht angewendet

Mit den K+S-Aufbereitungsverfahren können nur ca. 20% der in den Rohsalzen enthaltenen Stoffe verwertet werden. Wenn man auf die Gewinnung von hochreinem Natriumchlorid verzichtet, dann verbleiben also 80% an Rückständen. Es ist aber nicht nötig. sie an die Umwelt abzustoßen, denn geeignete Verfahren für eine abstoßfreie Produktion sind bereits Stand der Technik und sie können klimaneutral ausgeführt werden:

  • Die K-UTEC AG hat 2008 vorgeschlagen, physikalische Trennverfahren künftig schon untertage zu betreiben und die verbleibenden Restsalze sofort in untertägige Hohlräume zu versetzen (3). Damit könnten die Unter­nehmen den Aufwand für die Förderung der Rohsalze und die Ewigkeitslast der Rückstandshalden vermeiden und den Ener­gieverbrauch senken. Im Falle der K+S AG wäre dies die Anlage zur elektrostatischen Abscheidung (ES­TA-Anlage), die untertage er­richtet werden müsste. Tatsächlich hat K+S nach 2008 eine neue ESTA-Anlage ge­baut, den Vorschlag der K-UTEC AG allerdings nicht aufgegriffen. Die zunehmende Menge an Rück­standssalzen und die dadurch bedingte Zunahme der Hal­denlaugen verstellen schon jetzt die Entsorgungsw­ege. Nach unserer Einschätzung ist die Entscheidung für die Fortsetzung des versatzlosen Bergbaus eine Fehlinvestition. Auch die bestehenden Rückstandshalden sind kein unabänderliches Schicksal für das Unternehmen. Sie können durch Rückbau und Versatz in untertägige Hohlräume beseitigt werden (3).
  • 2014 hat die K-UTEC AG auch ein Verfahren für die Aufarbeitung der K+S-Abwässer erarbeitet. Es ermöglicht eine abstoßfreie Produktion und gewinnt jährlich 1.1 Mio. Tonnen an Wertstoffen (2).
  • Die Stadtwerke Union Nordhessen (SUN) und der amerikanische Konzern General Electric Co. (GE) haben 2014 der K+S AG vorgeschlagen, die fraglichen Abwässer in Dienstleistung aufzuarbeiten und dazu die von K-UTEC AG entwickelte Anlage zu bauen. Dazu sollte Überschussenergie aus Wind- und Photovoltaikanlagen verwendet werden, die von der SUN betrieben werden. Damit wären die Anlagen zur Aufarbeitung der Abwässer auch CO2-neutral.

Jetzt konkret: Kaliumsulfat statt Umweltschäden und Klimawandel

Mit ihren Verfahren will die K-UTEC AG die gesamten Ab­wässer aufarbeiten. Diese enthalten folgende Stoffe:

Kaliumchlorid354,3 kt/a
Magnesiumsulfat446,8 kt/a
Magnesiumchlorid795 kt/a
Natriumchlorid886,1 kt/a
gesamt2.462,9 kt/a
Volumenca. 7 Mio. cbm/a
Tabelle 3: in den Abwässern enthaltene Salze (2, Folie 4)

Eine der vorgeschlagenen Verfahrenskombinationen scheint uns besonders interessant, weil damit auch der Sulfatan­teil der Abwässer vollständig genutzt und der besonders hochwertige Kaliumsulfatdünger hergestellt wer­den kann. Die Abwässer werden zunächst durch Vakuumkristallisation aufkonzentriert. Dabei fallen in mehreren Fraktio­nen Kristallisate an, die zu hochreinem Natriumchlorid und Kalisulfatdünger verarbeitet werden. Die Rest­lösungen werden weiter eingedampft, bis sie mit Zuschlagstoffen verfestigt und ohne Gefahr für die Bergsicherheit in Salzbergwerke versetzt werden können. Die betriebswirtschaftlichen Zahlen weisen Gewinne aus (2, Folien 17-21).

ProduktPreisMenge/Jahr Erlös/Jahr
Kaliumsulfat400 €/t550 kt220 Mio. €
Natriumchlorid55 €/t572 kt31,5 Mio. €
Summe 1,122 kt251,5 Mio €
Tabelle 4: Aus den Abwässern zu gewinnende Wertstoffe (2, Folie 20)

Erlöse251,5 Mio. €
Betriebskosten150,3 Mio. €
Gewinn102,2 Mio. €
Tabelle 5: Mit dem K-UTEC-Verfahren zu erzielender Gewinn (2, Folie 21)

Eine unbrauchbare „Energiesenke“

Statt die Vorschläge der K-UTEC AG oder der General Electric Company aufzugreifen, hat K+S im Jahre 2018 eine „Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage“ (KKF-Anlage) in Betrieb genommen. Sie verarbeitet 3 der insgesamt 6,8 Mio. cbm Abwässer/Jahr und stößt ihrerseits wieder 1,5 Mio. cbm Abwässer/Jahr ab. Es ist aber kleineswegs so, dass die KKF-Anlage „1,5 Mio. cbm Abwässer/Jahr einspart“, wie das Unternehmen behauptet. Beim Betrieb der Anlage fallen nämlich auch feste Abfälle (Natriumchlorid) an, die auf Rückstandshalden abgelagert werden. Dort entstehen durch Abregnen wieder etwa 700.000 cbm salzhaltige Abwässer/Jahr, die das Unternehmen in die Werra verklappt.

Die KKF-Anlage hat weitere gravierende Mängel. Der Energieaufwand pro Kubikmeter Abwasser entspricht etwa dem der K-UTEC-Verfahren. Es wird jedoch nur die Hälfte der in den behandelten Ab­wäs­sern enthaltenen Wertstoffe gewonnen; daraus folgt notwendig, dass sich der spezifische Energiebedarf pro Tonne Wertstoff gegenüber der K-UTEC-Vakuumkristallisation verdoppelt. Die nicht verwerteten Wertstoffe werden, wie oben beschrieben aufgehaldet und erzeugen auf den Rückstandshalden erneut Abwässer. Dass für einen solchen Abfallkreislauf Energie eingesetzt wird, ist weder technisch nötig noch wirtschaftlich sinnvoll.

Kann der weltgrößte Salzproduzent kein Salz verkaufen?

Wie schon erwähnt, kann K+S mit der KKF-Anlage nur weniger als die Hälfte der in den Abwässern enthalte­nen Wertstoffe gewinnen. Das liegt einerseits daran, dass diese Anlage deren Sulfatgehalt nicht nutzt. Ande­rerseits will uns das Unternehmen glauben machen, dass das aus den Abwässern zu gewinnende Natrium­chlorid auf dem Weltmarkt nicht mehr abgesetzt werden könne. Deshalb sei es nicht möglich, auf den Ab­stoß von Salzabwässern an die Umwelt zu verzichten.

Das ist nicht plausibel: Die weltweite Natriumchloridproduktion beträgt jährlich ca. 295 Mio. Tonnen. K+S als der größte Salzprodu­zent erzeugt selbst ca. 32 Mio. Tonnen/Jahr. Aus den Abwässern im Werrarevier könnten jährlich ca. 550.000 Tonnen hochreines Natriumchlorid gewonnen werden. Das entspricht 0,2% der Weltjahrespro­duktion und 1,7 % der K+S-Produktion. Es ist unglaubwürdig, dass K+S den eigenen Salzabsatz nicht um 1,7% steigern könnte, zu­mal es sich hier nicht um minderwertiges Streusalz, sondern um hochreines Industriesalz handeln würde. Schlimmstenfalls müsste K+S seine Salzproduktion in Chile um 1,7% mindern, dann könnte das Unterneh­men in Deutschland eine abstoßfreie Produktion realisieren, den gesetzlichen Verpflichtun­gen nachkom­m­en und zum Klimaschutz beitragen.

Anmerkungen:

(1) W.Hölzel/WWA, Salzblog 33, „Vertraut unseren Plänen, wir bauen auf Sand…“, 06.05.2019 https://salzblog.org/2019/05/06/vertraut-unseren-plaenen-wir-bauen-auf-sand/

(2) H.Marx et al., Überlegungen zur Aufbereitung der Abstoßlösungen des Werkes Werra, 21.01.2014 https://ia601400.us.archive.org/26/items/marxrt2013/Marx%20RT%202013.pdf

(3) W.Hölzel/WWA, Die Aufhaldung von Rückständen der Kali-Industrie ist technisch und wirtschaftlich nicht erforderlich, der Rückbau der Halden ist wirtschaftlich zumutbar https://salzblog.org/2019/10/28/die-aufhaldung-von-rueckstaenden-der-kali-industrie-ist-technisch-und-wirtschaftlich-nicht-erforderlich-ihr-rueckbau-ist-wirtschaftlich-zumutbar/

(4) W.Hölzel/WWA, Eine praktikable Lösung für die Entsorgungsprobleme des Kalihersteöllers K+S war wohl nicht erwünscht, https://salzblog.org/2019/11/14/die-probleme-des-kaliherstellers-ks-ungewuenscht-geloest/


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