„Rohstoffrückgewinnung ist sinnvoller als die Verlagerung der K+S-Probleme in Thüringer Gruben“

Der Thüringer Landtag hat es der K+S AG gestattet, die Produktionsabwässer in stillgelegte Stollen von Kaligruben einzulagern (1), (2). Dies schien notwendig zu sein, weil das Unternehmen nicht in wirkungsvolle Maßnahmen investiert hatte, die den Abstoß von Abfallsalzen hätten vermindern und die Gefahr von Betriebsstilllegungen hätten vermeiden können. Nachdem alle erforderlichen Maßnahmen erfolgt und die Beschlüsse gefasst sind, wird sich der Thüringer Landtag nun am 19.05.2021 mit den Langzeitfolgen seines Beschlusses befassen.

Das ist eigentlich sehr merkwürdig, denn es sprechen nachvollziehbare Gründe dafür, solche Anhörungen schon vor einer Beschlussfassung durchzuführen. Die Abgeordneten haben das Ausmaß der Gefahr für die Bergsicherheit offenbar nicht realisiert. Sie hegen auch völlig unrealistische Erwartungen hinsichtlich etwaiger positiver Auswirkungen auf die Werra, die der K+S AG weiterhin als Abwasserkanal dienen soll.

Wir möchten in diesem Zusammenhang an eine Anhörung des Landtags NRW erinnern, die am 19.11.2014 unter dem Titel „Rohstoffgewinnung ist sinnvoller als der „Salzpipelinebau“ zur Nordsee“ durchgeführt worden ist (3). Damals konnten die Abgeordneten in Düsseldorf die Erkenntnis mitnehmen, dass die Rückgewinnung der Rohstoffe aus den Abwässern eine abstoßfreie Kaliproduktion ermöglicht und dass dies sinnvoller gewesen wäre, als die bloße Verlagerung der selbstverschuldeten K+S-Entsorgungskrise an eine andere Stelle – einen Einleitpunkt an der Oberweser oder der Nordsee. Das trifft natürlich auch auf die „Einstapelung“ der Abwässer in die Grube Springen zu, für die wieder einmal eine Pipeline gebaut und der Sicherheitspfeiler durchbohrt werden soll.

Der Thüringer Landtag hat den 22 als „Experten“ eingeladenen Personen und Organisationen einen „Fragenkatalog“ zur Beantwortung vorgelegt. Mindestens 15 der Eingeladenen können als befangen gelten: sie stehen oder standen in Geschäftsbeziehungen zur K+S AG, sind als Standortgemeinden von ihr abhängig oder vertreten ähnliche oder identische Interessen (4).

Die Fragen selbst (5) wirken auf uns wie von dem interessierten Unternehmen selbst verfasst, mit dem Ziel, von allen kritischen Aspekten abzulenken, Scheinprobleme aufzuwerfen und Scheinlösungen anzubieten. Aber da wir nun einmal eingeladen sind, möchten wir den Abgeordneten in Erfurt unsere Ansicht nicht vorenthalten – obwohl es für sie eigentlich längst zu spät ist, sich eines Besseren zu besinnen. Wir antworten exemplarisch auf ausgewählte Themen aus dem Fragenkatalog und machen Vorschläge für alternative Fragen, die auf die eigentlichen Probleme und Widersprüche hinweisen. Auch diese Fragen werden wir sofort beantworten:

Zu Frage 4 des Katalogs: „Es gilt als gesichert, dass das Einstapeln angereicherter Lauge in die Grube Springen zu Löseerscheiningen an den Sicherheits- und Abbaupfeilern führen wird. Unterschiedliche Interpretationen gibt es jedoch bezüglich des Umfangs der Löseprozesse. Während Gutachten von K+S zu dem Schluss kommen, dass die Ablösung lediglich etwa lm des Kieserits * im Laufe von 100 Jahren beträgt und dann zu einem Ende kommt, geht der Geochemiker Ralf E. Krupp davon aus, dass die Umlösereaktionen im Hartsalz so lange stattfinden, bis alles Wasser aus einer eingestapelten Salzlösung verbraucht ist.“ *Dies muss ein Schreibfehler sein.

Antwort: Die obige Feststellung ist unrichtig: sie täuscht darüber hinweg, dass nicht „Löseerscheinungen“, sondern chemische Reaktionen des eingeleiteten Wassers das eigentliche Problem verursachen (6), (7). Daraus ergibt sich bereits, dass sich kein Lösungsgleichgewicht einstellen wird, das die obige Annahme rechtfertigt, die Ablösung käme wieder zum Stillstand.

Tatsächlich kommt es zu chemischen Reaktionen des Wassers mit Bestandteilen der Lagerstätte. Da die Reaktionsprodukte ein größeres Volumen haben als das Ausgangsgemenge, wird die Oberfläche der Stöße abgesprengt. Auch wenn nur etwa 10% der Lagerstätte in der beschriebenen Weise reaktionsfähig sind, so ist doch die Grenzfläche zu 100% betroffen. Das Kristallgefüge wird gestört und verliert seine Tragfähigkeit insgesamt.

Der beschriebene Mechanismus wird dadurch verschärft, dass das eingeleitete Wasser nicht nur an der Oberfläche reagiert, sondern auch tief in die Sicherheits- und Abbaupfeiler eindringen kann. Unter dem Bergdruck werden die Pfeiler gestaucht und an der Oberfläche platzen Salzschichten ab („natürliche“ Konversion). Dies wird eingeleitet durch Störungen im Kristallgefüge und die Bildungen von Kapillarrissen.

Kapillarkräfte saugen nun das Wasser tief in die Stöße und durch die nachfolgende chemische Reaktionen im Salzgestein wird die Konversion beschleunigt.

Zu Frage 5 des Katalogs: „Das Einstapeln von konfektionierten Prozessabwässern in stillgelegte Gruben ist ein alternativer Entsorgungsweg zum Verpressen in den Boden und zum Einleiten in Fließgewässer.“

Antwort: Das Einstapeln von Produktionsabwässern ist keine Alternative zur der Einleitung in die Werra, weil die wasserrechtlichen Probleme nicht gelöst, gleichzeitig aber neue Probleme geschaffen werden.

Wenn die Produktionsabwässer nicht mehr in die Werra geleitet werden, dann reicht dies nämlich nicht aus, um im Fluss ein Qualitätsziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Das Verbesserungsgebot der Richtlinie ist so nicht umzusetzen. Gleichzeitig wird in der Grube Springen die Bergsicherheit gefährdet, weil das das eingeleitete Wasser wegen chemischer Umsetzungen mit Bestandteilen des Salzgesteins die Tragfestigkeit der Pfeiler reduziert.

Zu Frage 7 des Katalogs.: „Einer der Gründe für das Einstapeln ist die notwendige Reduzierung der Salzbelastung der Werra.“

Antwort: Diese Feststellung geht an den Tatsachen vorbei.

„Notwendig“ ist eine Reduzierung der Salzbelastung der Werra im Sinne der hier zuständigen EU-Wasserrahmenrichtlinie nur dann, wenn sie zu einer qualitativen Verbesserung führt. Das ist hier nicht der Fall, weil allein der Eintrag von Haldenlaugen eine qualitative Verbesserung verhindert. Die Werra bleibt ohne oder mit Einstapelung der Produktionsabwässer in der Qualitätsstufe 5=schlecht.

Ohnehin wäre eine weitere Einleitung der Produktionsabwässer in die Werra nicht mehr genehmigungsfähig. Wegen der zunehmenden Mengen an Haldenlaugen, in Verbindung mit den „diffusen Einträgen“ und der im Sommer zu geringen Wasserführung der Werra würde sie regelmäßig zur Überschreitung der Grenzwerte führen und Betriebsschließungen notwendig machen. Dies ist die Beschreibung eines selbstverschuldeten Entsorgungsengpasses, verursacht durch die Weigerung des Unternehmens, in wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung des Salzabstoßes zu investieren.

Vorschläge für einen alternativen Fragenkatalog

Frage A: Wird sich der Zustand der Werra qualitativ verbessern, wenn die Produktionsabwässer künftig nicht mehr in den Fluss geleitet, sondern in stillgelegte Gruben eingestapelt werden?

Antwort: Nein. Eine Verbesserung der Gewässerqualität lässt sich damit nicht erreichen. Allein die zunehmende Menge an Haldenlaugen würde dies verhindern. Die Abgeordneten haben ein hohes Risiko für die Bergsicherheit akzeptiert, ohne eine Gegenleistung erhalten zu haben.

Ganz im Gegenteil: Der Bewirtschaftungsplan für Werra und Weser setzt sogar voraus, dass die Werra zu einem „stark veränderten Gewässer“ herabgestuft wird. So können die Ausnahmeregelungen der Wasserrahmenrichtlinie in Anspruch genommen und die Qualitätsziele der Richtlinie ausgesetzt werden. Eine Verbesserung von Werra und Weser ist nicht geplant (8).

Die Suche nach „alternativen Entsorgungswegen“ (Nordseepipeline, Oberweserpipeline, Einstapelung) für die Produktionsabwässer hatte ohnehin nicht das Ziel, die Qualität der Werra zu verbessern. Die genannten Entsorgungsalternativen für Produktionsabwässer können allenfalls die drohende Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und damit der Verletzung des Verschlechterungsverbots der EU-Wasserrahmenrichtlinie vermindern.

Um auch eine qualitative Verbesserung der Werra zu erreichen, müsste zusätzlich die Ablagerung von Salzrückständen eingestellt und die Haldenlaugen aufgearbeitet werden. Auch hierfür hatte die K-UTEC AG ein Verfahren entwickelt (2010) und auch dieses Angebot hat die K+S AG abgelehnt.

Frage B: Kann die Möglichkeit, Produktionsabwässer in stillgelegte Gruben einzustapeln, die Arbeitsplätze im Salzbergbau des Werrareviers sichern?

Antwort: Nein. Dafür gibt es zwei Gründe:

1.) Eine Verweigerung des technischen Fortschritts kann niemals Arbeitsplätze sichern. Genau das mussten musten wir seit 2010 mehrfach beobachten:

  • 2010 hat die K-UTEC AG ein Verfahren zur Aufarbeitung der wertstoffärmsten Abwässer (Q-Lauge und Haldenlaugen) erarbeitet (vorgestellt am „Runden Tisch“ 2012). Das Versickernlassen in das Grundwasser und die Einleitung in die Werra wären unnötig geworden. K+S hat abgelehnt (9).
  • 2013 hat die K-UTEC AG ein Verfahren für die Aufarbeitung der gesamten Abwässer vorgelegt (vorgestellt am Runden Tisch 2014). Das Verfahren hätte auch den Sulfatanteil der Abwässer nutzbar und eine abstoßfreie Produktion möglich gemacht. K+S hat abgelehnt (9).
  • 2014 hat die General Electric Co. gemeinsam mit der Stadtwerke Union Nordhessen vorgeschlagen, auf eigene Kosten eine Aufbereitungsanlage nach K-UTEC zu bauen und die Abwässer in Dienstleistung aufzuarbeiten. K+S hat abgelehnt (10).

2.) Auch wenn die Produktionsabwässer anderweitig entsorgt werden, riskiert das Unternehmen Betriebschließungen, weil auch seine Entsorgungspraxis für Haldenlaugen fortwährend gegen das Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt (11).

Die Haldenlaugen werden nämlich durch Versickernlassen in den Untergrund und durch Einleiten in die Werra entsorgt. Die Salze gelangen damit in Wasserkörper, die bereits in die schlechteste Qualitätsstufe „5=schlecht“ eingestuft sind. Nach einem Urteil der EuGH vom 01.07.2015 verstößt eine solche Praxis gegen das Verschlechterungsverbot der Richtlinie und ist somit rechtswidrig.

Endnoten

(1) Gesetz- und Verordnungsblatt Thüringen, 20.12.2020,https://ia601501.us.archive.org/33/items/gesetz-und-verordnungsblatt-thuringen-20-12-20/Gesetz-%20und%20Verordnungsblatt%20Th%C3%BCringen%2020-12-20.pdf

(2) W. Hölzel, „Etikettenschwindel oder Rosa Brille? Der neue Staatsvertrag gefährdet die Bergsicherheit und verhindert, dass sich die Qualität von Werra und Weser verbessert“, 02.11.2020, https://salzblog.org/2020/11/02/ein-staatsvertrag-gefaehrdet-die-bergsicherheit/

(3) Das lesenswerte Protokoll der Anhörung finden Sie hier: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA16-733.pdf

(4) Anzuhörende im mündlichen Anhörungsverfahren, https://ia601408.us.archive.org/22/items/20210406_20210406_0929/Anzuh%C3%B6rende%20im%20m%C3%BCndlichen%20Anh%C3%B6rungsverfahren%20.pdf

(5) Fragenkatalog für das mündliche Anhörungsverfahren, https://ia601506.us.archive.org/18/items/fragenkatalog-anhorungsverfahren/Fragenkatalog%20Anh%C3%B6rungsverfahren.pdf

(6) Dr. habil. Ralf E. Krupp, Offener Brief: „Versalzung der Werra und Weser, riskante Einstapelung von Kaliab­wässern in ehemaligen Kalibergwerken“, 30.07.2019, S. 5, https://ia802802.us.archive.org/1/items/kruppoffenerbrieffggweser2/Krupp_Offener_Brief_FGG_Weser_2.pdf

(7) W. Hölzel, 27.11.2020, „Eine unbegreifliche Sanftmütigkeit des Salzgesteins im Werratal … … müssten K+S Gutachter voraussetzen, um glaubhaft machen zu können, dass die Einstapelung von Abwässern in stillgelegten Salzgruben keine Gefahr für die Bergsicherheit darstellt“, https://salzblog.org/2020/11/27/eine-unbegreifliche-sanftmuetigkeit-des-salzgesteins-im-werratal/

(8) W. Hölzel, 17.02.2020, „Nach uns die Sintflut – Die Werra totreden, damit man nichts verbessern muss. Nachhaltigkeit im Kalibergbau als Frage der Generationengerechtigkeit, Teil V„, https://salzblog.org/2020/02/17/der-gute-chemischenund-oekologische-zustand-der-werra-als-ziel-der-eu-wrrl-kann-noch-erreicht-werden/

(9) W. Hölzel, 14.11.2019, „Eine praktikable Lösung für die Entsorgungsprobleme des Kaliherstellers K+S war wohl nicht erwünscht“, https://salzblog.org/2019/11/14/die-probleme-des-kaliherstellers-ks-ungewuenscht-geloest/

(10) W. Hölzel, 02.12.2019, „Auf dem Silbertablett serviert – Die K+S AG lehnt ein Angebot der Stadtwerke Union Nordhessen und der General Electric Company ab“, https://salzblog.org/2019/12/02/auf-dem-silbertablett-serviert-die-ks-ag-lehnt-ein-angebot-der-general-electric-corp-ab/

(11) W. Hölzel, 03.12.2020, „Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Erlaubnissen, die es der K+S AG ermöglicht haben, sich ihrer Abwässer durch Versickernlassen in das Grundwasser und durch Einleitung in die Werra zu entledigen“, https://salzblog.org/2020/12/03/die-grundsaetzliche-rechtswidrigkeit-von-erlaubnissen-die-es-der-ks-ag-gestatten-sich-ihrer-abwaesser-durch-versickernlassen-in-das-grundwasser-und-durch-einleitung-in-die-werra-zu-entledigen/


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