Eine unbegreifliche Sanftmütigkeit des Salzgesteins im Werratal …

… müssten K+S Gutachter voraussetzen, um glaubhaft machen zu können, dass die Einstapelung von Abwässern in stillgelegten Salzgruben keine Gefahr für die Bergsicherheit darstellt. Sollten die Abwässer in Kontakt mit den dort ebenfalls eingelagerten Industrieabfällen geraten, dann müssten wir mit einer der größten Bergwerkskatastrophen rechnen. Das sollte besser nicht eintreten. Es scheint so, als müssten wir tatsächlich besorgt sein.

Oh mach' nur einen Plan,
sei nur ein großes Licht
und mach' noch einen zweiten Plan,
geh'n tun sie beide nicht...
frei nach Bertold Brecht

Abfalleinlagerung an der Stelle größter Gefährdung

Die Gefahr für das Bergwerk geht dabei nicht nur von den eingelagerten Abwässern aus, sondern auch von Wassereinbrüchen, die seit ca. 50 Jahren in die Grube Springen in Thüringen eindringen („Schichtenwasser“ aus dem Sandstein des umliegenden Gebirges). „Alle Versuche, die Zuflüsse zu verhin­dern beziehungsweise die Zuflusswege zu verschließen, sind bisher gescheitert.“ (1) Deshalb gibt es durchaus Grund, besorgt zu sein, denn es fließen jährlich 200.000 Kubikmeter Wasser in die Grube, die abgepumpt und in die Werra geleitet werden.

Es versteht sich von selbst, dass diese eindringenden Wässer das Salzgestein auflösen. An einer der Einbruchstellen, dem sogenannten Querort 23, ist auf diese Weise ein Hohlraum vom mehr als 60 Meter Höhen entstanden, „groß genug, um dort den Erfurter Dom unterbringen zu können“ (2).

Genau dort, in der stillgelegten Grube Springen II, will die K+S AG künftig diejenigen Abwässermengen einlagern („einstapeln“), die wegen der sonst unvermeidlichen Überschreitung der Grenzwerte nicht mehr in die Werra eingeleitet werden können. Das Unternehmen hat es nämlich unterlassen, für andere Entsorgungsmöglichkeiten zu sorgen. Für die Einstapelung soll nach dem Willen des Unternehmens auch ein 200 Meter starker Sicherungspfeiler durchbrochen werden, der die Gruben in Thüringen und Hessen trennt und die Grubensicherheit sicherstellen soll. Das spart einige Kilometer Rohrleitungen.

Können die Abwässer wirklich das Salzgestein nicht lösen?

Die K+S AG geht davon aus, dass die einzulagernden Abwässer kein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellen, weil sie „konditioniert“ und bereits „gesättigt“ seien und folglich keine weiteren Salze aufnehmen könnten. Lösungsvorgänge und damit eine Schwächung der Stützpfeiler seien also nicht zu erwarten.

Das sieht ein von K+S selbst beauftragter Gutachter allerdings anders. Er geht davon aus, dass die Abwässer die Stützpfeiler sehr wohl auflösen werden und dass „die Pfeilermitten (…) von der Verlösung 600 bis 870 Jahre nach Beginn der Einstapelung erreicht [werden].“ Der Gutachter geht aber davon aus, dass die Bergsenkung dann bereits so weit voran geschritten ist, dass ein Einbrechen der Stützpfeier und damit ein Bergschlag nicht zu befürchten ist. „Dementsprechend besteht kein Anlass für eine Modellierung dynamisch ablaufender Prozesse“. (3)

Mit anderen Worten: Durch seine gebirgsmechanischen Annahmen hat der Gutachter ein Modell geschaffen, dass rechnerisch keine „dynamischen Vorgänge“ erwarten lässt. Die Gefahr von Bergschlägen und deren Auswirkungen hat er nicht in seine Berechnungen einbezogen. Für eine Abschätzung der Gefahren, insbesondere für die Untertagedeponie Herfa/Neurode und die auch anderweitig eingelagerten Industrieabfälle ist das vorgelegte Gutachten wegen der wirklichkeitsfremden Annahmen nicht brauchbar.

Die „natürliche“ Konversion wird erheblich beschleunigt – Der Gutachter übergeht die eigentlichen Risiken

Mit der Induzierung von „dynamisch ablaufenden Prozessen“ muss man nämlich sehr wohl rechnen, weil man nicht außer Acht lassen darf, dass die eingelagerten Abwässer nicht nur die Stützpfeiler lösen, sondern auch durch chemische Prozesse deren Tragfägighkeit vermindern (4), (5). Da nutzt auch keine „Konditionierung“ der Abwässer, weil die chemische Umsetzung sich fortsetzt, bis das Wasser vollständig verbraucht ist ist.

Die hier beobachteten chemischen Prozesse können nämlich in geomechanische Vorgänge eingreifen und so die Bergsenkung (Konversion) beschleunigen.

Bei der „natürlichen“ Konversion (der „Bergsenkung“) werden einerseits durch den Bergdruck die Stützpfeiler gestaucht. Parallel dazu werden an den Stößen muschelförmige Platten abgesprengt, weil von der Hohlraumseite der Gegendruck fehlt. Dieser Vorgang wird eingeleitet durch die Bildung von Kapillarrissen. Oberflächenkräfte ermöglichen es nun den Abwässern, durch die Kapillaren tief in das Salzgestein einzudringen. Die chemische Reaktion des Wassers in der Kapillarrissen führt zu einer Volumenvergrößerung der angrenzenden Kristalle und damit zu einer Absprengung von dezimeterdicken Salzplatten. Die „natürliche“ Konversion wird über diesen Mechanismus erheblich beschleunigt.

Die Wassereinbrüche vervielfachen die Gefahr – Auch Dämme verformen sich unter dem Gebirgsdruck

Was ist aber mit den 200.000 Kubikmetern Schichtenwasser, die jährlich in die Grube Springen eindringen? Sie müssten das Problem der Abwässer doch noch einmal verschärfen?

Das Problem scheint auch der K+S AG und den Behörden nicht entgangen zu sein. Zur Abhilfe sollen die durch eindringendes Wasser ausgewaschenen Kavernen mit Dämmen dauerhaft abgedichtet werden. Der hydrostatische Druck der eingelagerten Abwässer soll dann auf elegante Weise bewirken, dass kein weiteres Schichtenwasser in das Bergwerk eindringt. Aber bei aller Bewunderung für die Eleganz, mit der sich die K+S AG eines Problems entledigen will: Es ist schon auf den ersten Blick nicht zu übersehen, dass der Plan Schwächen hat, die ihn als untauglich erscheinen lassen:

1. Der Plan kann nicht verhindern, dass sich das unter Bergdruck stehende Schichtenwasser andere Wegsamkeiten in das Bergwerk sucht, denn „Alle Salzbergwerke werden einmal absaufen“ (6), (7)

2. Auch Dämme verformen sich unter dem Gebirgsdruck, ebenso wie die Stützpfeiler. Sie bekommen Risse und stehen dann, wie oben beschrieben, offen für den Angriff des Wassers.

Der Bergingenieur Dr. Hans-Peter Häfner schreibt dazu:

Ich habe ferner darauf verwiesen, dass es problematisch werden kann, Dammbauwerke in Strecken und horizontalen Bohrungen nachhaltig für Jahrhunderte so dicht auszuführen, dass die Nachbargruben in Herin­gen und Merkers nicht gefährdet werden. Ein offenes Problem. Nach meinem Kenntnisstand ist es auch in­ternational bisher nicht gelungen, nachhaltig dichte Dammbauwerke in Strecken eines Salzbergwerkes zu bauen. Das liegt an gebirgsmechanischen Gesetzmäßigkeiten im Salzbergbau. (…) Genauso gesetzmäßig ist es, dass sich um jeden bergmännischen Hohlraum durch Spannungsumlagerung (Übergang vom dreiachsigen zum zweiachsigen Gebirgsdruck) eine teilentlastete Zone bildet (Schutz­schicht). Sie ist wenige Zentimeter bis einige Dezimeter dick mit winzigen Fließwegen, hervorgerufen durch Rissbildungen im Gestein. Das macht das ursprüngliche Salzgestein in der Schutzschicht durchlässig für Gas, Wasser und ungesättigten Lauge. Die Schutzschicht hat eine Durchlässigkeit, die größer wird, wenn Gas, Wasser ober Lauge unter Druck stehen oder in ihrer Temperatur ansteigen. Die Bildung der Schutz­schicht ist nicht zu vermeiden. Sie kann auch nicht entfernt werden, weil sich sofort bei jedem Eingriff eine neue Schutzschicht bildet. Damit werden Dämme am Kontakt mit der Schutzschicht aus Gesetzmäßigkeiten der Natur undicht, wenn sie Gas, Wasser oder ungesättigte Laugen verdämmen sollen. (…) Aus diesen gebirgsmechanischen Gesetzmäßigkeiten werden Dämme im Bergwerk Springen nicht dauerhaft dicht bleiben, wenn sie mit lösungsfähiger Lauge belastet werden.(8)

Endnoten

(1)Nachhaltige Sicherheit geht vor Ökonomie“, Berg.Ing. Dr. Hans-Peter Häfner*,.SLZ 24.11.2020.

(2) Private Mitteilung eines Bergmanns, der diesen Grubenteil aus eigener Anschauung kennt.

(3) Institut für Gebirgsmechanik GmbH Leipzig, „Gutachten zur gebirgsmechanischen Verträglichkeit einer Einstapelung von Prozesslösungen in das Südwestfeld Springen„, 31. Juli 2020, S. 39

(4) Dr. habil. Ralf E. Krupp, Offener Brief: Versalzung der Werra und Weser, riskante Einstapelung von Kaliab­wässern in ehemaligen Kalibergwerken, 30.07.2019, S. 5 https://ia802802.us.archive.org/1/items/kruppoffenerbrieffggweser2/Krupp_Offener_Brief_FGG_Weser_2.pdf

(5)

(6) odysso – Wissen im SWR: Zeitbomben im Untergrund, https://swrmediathek.de/player.htm?show=30009050-a2e3-11e9-a7ff-005056a12b4c

(7)

(8) Häfner 2020, a.a.O.

* Häfner ist promovierter Bergbau-Ingenieur und war jahrzehnte­lang im Kalikombinat Werra tätig. Der in Vacha wohnende CDU-Politiker war Mitglied der letzten DDR-Volks­kammer und gehörte anschließend bis 1999 dem Thüringer Landtag an. Außerdem war er Mitglied des Va­chaer Stadtrates und des Kreistags des Wartburgkreises

** W. Hölzel/WWA hat sich im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft bei Scientist for Future (Kassel) mit der Frage beschäftigt, wie man Greenwashing, Medienmanipulation und Gefälligkeitsgutachten erkennen kann: