Was im Wahlkampf alles möglich ist …

Die Auseinandersetzung um die „Abdeckung“ der K+S-Salzhalden mit belasteten Abfällen nimmt Fahrt auf – K+S bundesweit im Konflikt mit den Anwohnern

Seit mehr als hundert Jahren haben die Betriebe der Kali-Industrie ihre festen Salzabfälle oberirdisch abgelagert. Was für lange Zeit als die kostengünstigste Möglichkeit galt, sich der Abfälle zu entledigen, wird mittlerweile auch für die Kalihersteller zu einem Problem. Allein die Haldenabwässer aus dem Werra-Fuldarevier verhindern, dass in der Flussgebietseinheit Weser die gesetzlich geforderte Verbesserung des ökologischen und chemischen Zustandes der Flüsse und des Grundwassers erreicht werden kann.

Das Bergrecht ermöglicht es den Behörden, die oberirdische Ablagerung von Salzabfällen zu gestatten. Damit wird jedoch kein rechtsfreier Raum geschaffen, denn die Vorgaben des Abfallrechts müssen weiterhin eingehalten werden. Schon das Problem der Haldenlaugen zeigt, dass die K+S-Abraumhalden diese Anforderung nicht erfüllen:

Darüber hinaus droht die europäische Umwelthaftungsrichtlinie mit der Durchsetzung des Verursacherprinzips, d.h., dass auch die K+S AG für ihre eigenen Abfälle selbst die Verantwortung übernehmen muss. Vorsorglich hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B90/Die Grünen) der EU-Kommission bereits mitgeteilt, dass in Hessen keine Umweltschäden entstanden sind, nicht durch die Versalzung der Flüsse und des Grundwassers und auch nicht durch die Salzhalden. Ob das jedoch in Brüssel geglaubt wird ….

Aus Sicht der K+S AG kann es sich bereits als vorteilhaft erweisen, mit der Abdeckung ihrer Halden eine Verringerung der Umweltschäden vorzutäuschen und ihre Altlasten in die Verantwortung von Abfall-GmbHs zu übertragen. Im Gegensatz zu einer AG kann man eine GmbH nicht zur Sanierung später auftretender oder bekannt werdender Schäden heranziehen – es fehlt einfach das nötige Kapital.

Haldenabdeckung: Wirksamkeit vortäuschen und Geld verdienen

Salzabfälle sind in die Abfallkategorie 4 eingeordnet und müssen durch Einlagerung in Deponien der Klasse 4 (nämlich in Salzbergwerken) beseitigt werden. Deshalb ist der Rückbau der Halden mit Versatz der Salze die einzige wirksame und rechtskonforme Möglichkeit, mit den Rückstandssalzen der Kali-Industrie umzugehen. Dass dies jetzt teurer sein könnte als der (über Jahrzehnte vermiedene) sofortige Versatz der Abfälle, muss das Unternehmen selbst verantworten. Für die Produktion von Kalidünger sind Rückstandshalden nicht erforderlich und K+S ist auch nicht gezwungen worden, ihre Abfälle in die freie Natur zu kippen …

Die K+S AG gibt nun vor, eine lukrative Alternative gefunden zu haben: die Abdeckung der Halden mit Industrieabfällen und belastetem Bauschutt. Dabei ist das eigentliche Problem für das Unternehmen, die Wirksamkeit und Haltbarkeit der Abdeckung nachzuweisen. Wegen des Schadstoffgehalts der Haldenabdeckung bedeutet Langzeitsicherheit hier: für immer. Für die Genehmigungsbehörden scheint dies kein Anlass zu sein, entsprechende Anforderungen an das Unternehmen zu stellen. Als in Bokeloh eine Dickschicht aus Industrieabfällen abgerutscht ist, durfte die K+S AG noch einmal von vorne beginnen:

K+S will keine Öffentlichkeit, aber in Hessen ist Wahlkampf …

Es ist daher nicht verwunderlich, dass betroffene Bewohner Widerstand gegen die Zumutung leisten, der bereits vorhandenen Altlast der Salzrückstände eine weitere Altlast aus Industrieabfällen hinzuzufügen – obwohl sie wissen, dass es bei Auseinandersetzungen mit der K+S AG nicht ausreicht, das Recht auf ihrer Seite zu haben:

Glückliche Zufälle können jedoch hilfreich sein. In Neuhof Ellers versuchte K+S, eine Genehmigung zur Abdeckung von Halden mit belastetem Bauschutt im Schnellverfahren zu erlangen – obwohl die Abdeckung der Halden selbst mehr als hundert Jahre dauern sollte. Das Unternehmen lehnte Alternativen zur Abdeckung mit belastetem Abfall ab, war jedoch bereit, ein „Dialog-Forum“ mit der Bürgerinitiative einzurichten. Analog zum gescheiterten „Runden Tisch Werraversalzung“ sollten die Teilnehmer vom Unternehmen ausgewählt und die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Fuldainfo 01.03.2023, „Treffen Dialog-Kreis zum Thema Vermeidung von Haldenwasser“, https://www.fuldainfo.de/treffen-dialogkreis-zum-thema-vermeidung-von-haldenwasser/

Fuldaer Zeitung 28.02.2023,Vom Wahrzeichen zum Problem: Gemeinde Neuhof von langjährigem Partner Kali und Salz enttäuscht„, https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-neuhof-partner-kali-salz-enttaeuscht-kaliberg-wahrzeichen-heiko-stolz-haldenabdeckung-92114281.html

Die Vertreter der örtlichen Bürgerinitiative ließen sich jedoch nicht einschüchtern. Als K+S auch während der Veranstaltung selbst eine Beteiligung der Öffentlichkeit ablehnte, verließen sie das „Dialog-Forum“.

Die Vorsitzenden der BI forderten, ernsthaft über Alternativen zu diskutieren. Dies wurde von K+S nicht angenommen, woraufhin „einige der Teilnehmer, darunter MdL Sabine Waschke (SPD), die drei Vorsitzenden der BI Umwelt Neuhof, die Vertreter der örtlichen Landwirte, der Vertreter der Jagdgenossenschaft und der Vertreter des Umweltverbandes NABU, die Veranstaltung verließen.“

Osthessen News 02.03.2023, https://osthessen-news.de/n11742080/k-s-ladt-zum-dialog-forum-ein-doch-teilnehmer-verlassen-die-veranstaltung.html

Ein vorgeschaltetes Raumordnungsverfahren für die Abdeckung der Halden würde es ermöglichen, die Öffentlichkeit am Verfahren zu beteiligen. Angesichts des Wahlkampfes in Hessen war die Landesregierung bereit, die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens „zu prüfen“ – mehr aber auch nicht:

Das Wirtschaftsministerium als oberste Landesplanungsbehörde teilte unsererZeitung gestern Nachmittag mit, dass es noch keine Entscheidung über die Durchführung eines Vorverfahrens, eines so genannten Raumordnungsverfahrens, für den K+S-Plan getroffen hat.“


Fuldaer Zeitung 01.03.2023, https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-neuhof-land-prueft-vorverfahren-plaene-kaliberg-haldenabdeckung-heiko-stolz-92117744.html

… in Niedersachsen kann durchregiert werden

Auch im niedersächsischen Wathlingen möchte K+S eine Kalihalde mit belastetem Bauschutt abdecken. In Niedersachsen gibt es keinen Wahlkampf, daher sind dort die Entscheidungen bereits gefallen und werden rigoros umgesetzt.

Cellesche Zeitung 20.02.2023, „K+S darf Kaliberg in Wathlingen abdecken“, https://www.cz.de/celler-land/wathlingen/entscheidung-gefallen-ks-darf-kaliberg-wathlingen-abdecken

Die Gemeinde Wathlingen will sich damit jedoch nicht abfinden und lehnt es ab, dem Unternehmen gemeindeeigenes Land für die Abdeckung der Halden zu verkaufen.

„Nach der Eilentscheidung des Wathlinger Rates, dass K+S keine Grundstücke am Kaliberg bekommt, nimmt die Diskussion um eine mögliche Enteignung Fahrt auf. Der Konzern gibt sich derweil betont entspannt.“,

Ccellesche Zeitung

Die Aussichten für die Gemeinde Wathlingen sind schlecht. Bereits 2018 hatte der Kreistag Celle ein wasserrechtliches Verfahren an sich gezogen und der K+S AG die Zustimmung zu ihren Plänen verweigert. Vergeblich: der niedersächsische Umweltminister hat den Landrat angewiesen, den Widerstand gegen die K+S-Pläne aufzugeben:

Cellesche zeitung 14.11.2022, Kaliberg: Ministerium überstimmt Kreistag, https://www.cz.de/celler-land/wathlingen/machtwort-aus-hannover-kaliberg-wathlingen-ministerium-ueberstimmt-celler-kreistag

Auch der Landkreis Hildesheim hat entsprechende Erfahrungen gemacht:


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