Das „Hamelner Bündnis“ – Über den Tisch gezogen

Im Jahre 2017 haben sich mehrere Landkreise von der Weser zu dem „Bündnis Hamelner Erklärung“ zusammengeschlossen. Iht Ziel war es damals, die „Oberweserpipeline“ zu verhindern, mit der der Kaliproduzent K+S Teile seiner Abwässer in die Oberweser leiten wollte – kurz vor der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen.

Entsorgungskonzept an die Wand gefahren

Das Unternehmen hatte nämlich sein Entsorgungskonzept an die Wand gefahren. Weil K+S nichts unternommen hatte, um seinen Salzabstoß zu verringern, musste bei geringer Wasserführung der Werra die Produktion im Kalirevier gedrosselt werden.

Die vom „Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland“ (BUND) vorgeschlagene Verschiebung der Einleitstelle für Kaliabwässer an das Wattenmeer bei Wilhelmshaven („Nordseepipeline“) wäre nicht genehmigungsfähig gewesen. K+S hatte zwar einen Antrag zum Bau der Pipeline gestellt, der war allerdings so mangelhaft, dass die niedersächsischen Behörden ihn sofort zurück geschickt haben. Auf eine Nachbesserung hat K+S verzichtet.

Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir inzwischen, dass die Bereitschaft zur „Fernentsorgung“ der K+S-Abwässer an die Nordsee ohnehin nur vorgetäuscht war, um eine Genehmigung zur Verpressung der Abwässer in den Untergrund des Kalireviers leichter erhalten zu können. Das ist schließlich auch gelungen. Die Staatsanwaltschaft Meiningen hat beschrieben, welche kollusiven Machenschaften dazu erforderlich waren und wer daran beteiligt war.

Die „Oberweserpipeline“ schien plausibler zu sein – aber nur auf den ersten Blick. Mit dem Abtransport der K+S-Abwässern in Richtung Oberweser hätte man vielleicht die Überschreitung der Grenzwerte in der Werra verhindern können. Die Einleitung dieser Abwässer in die Oberweser hätte dort allerdings notwendig gegen das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verstoßen, sie wäre nicht genehmigungsfähig gewesen. Gegen diese Entsorgungsalternative hat sich deshalb sofort Widerstand bei den Weser-Anrainern aufgebaut. Die WWA hatte damals die EU-Kommission darauf aufmerksam gemacht, dass der Kalihersteller möglicherweise versuchen würde, mit untauglichen Maßnahmen die WRRL zu umgehen.

„Kasseler Umweltfrieden“

Offenbar mit Erfolg, denn als sich das „Hamelner Bündnis“ gebildet hat, war die Oberweserpipeline längst keine Entsorgungsoption mehr. Die Landräte sollten sich trotzdem als nützlich erweisen. Inzwischen war es nämlich gelungen, den „Vierphasenplan“ der hessischen Umweltministerin zur Grundlage der Bewirtschaftungspläne für Werra und Weser zu machen. Der Plan sieht vor, die Werra zu einem unsanierbaren Fluss herabzustufen, um so die Verpflichtung zu umgehen, auch Werra und Weser in ökologischer Hinsicht zu verbessern. K+S wäre damit jetzt sorgenfrei, allerdings: Die Herabstufung der Warra ist rechtswidrig, weil die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind:

S. Laskowski, R Verheyen, Rechtsgutachten: Weser- und Werra.Versalzung – Vereinbarkeit der Vorschläge Hessens an die FGG Weser mit europäischem und deutschem Wasserecht, Kassel 2015

Die Lösung sollten wohl Vereinbarungen mit den betroffenen Anrainern bringen. Sie würden die Rechtswidrigkeit des Vierphasenplans und der K+S-Enjtsorgungspraxis zwar nicht aufheben, aber vielleicht würde es gelingen, die Verhandlungspartner so zu knebeln, dass sie künftig nicht mehr gegen die Verursacherin der Flussgebietsversalzung würden klagen können? Jedenfalls wurden Verhandlungsangebote unter dem Motto „Kasseler Umwelfrieden“ gemacht.

Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz ist schon 2018 nach zwei Gesprächen ausgestiegen, weil nicht zu übersehen war, dass K+S zu keinerlei Zugeständnissen bereit war. Mehr Geduld hatten der Bürgermeister Herz (Witzenhausen) und Rechtsanwälte des „Hamelner Bündnis“. Sie haben offenbar bis 2020 weiter verhandelt und dabei übersehen, wie sie hinters Licht geführt worden sind. Das 2020 vorgelegte Ergebnis haben weder die Stadt Witzenhausen noch ein Mitglied der Klagegemeinschaft akzeptiert.

Es war unbrauchbar.

Keine qualitative Verbesserung

Ähnlich wird es sich auch mit der Vereinbarung verhalten, die das Hamelner Bündnis jetzt mit der K+S AG geschlossen hat. Jedenfalls haben die Landräte der umfassend falschen Darstellung des Vorstandsvorsitzenden der K+S AG nicht widersprochen:

„Wir sind Vorreiter für einen umweltschonenden Bergbau und wollen als verlässlicher Partner gemeinsam mit dem Landkreisbündnis daran arbeiten, den ökologischen Zustand der Flüsse weiter zu verbessern.“

https://www.osthessen-zeitung.de/einzelansicht/news/2024/februar/weniger-salzbelastung-in-der-werra-k-s-will-austausch-vertiefen.html

Daran ist nichts richtig. Dass der Bergbau im Werrarevier nicht umweltschonend ist, kann man an den dortigen Salzhalden erkennen, am versalzenen Untergrund, den vernichteten Trinkwasservorräten und daran, dass die Süßwasser-Lebensgemeinschaft im salzbelasteten Teil der Werra vernichtet ist. Es gibt auch keine Verbesserung des ökologischen Zustands. Die Werra wurde 2004 in die schlechteste Qualitätsstufe „5=schlecht“ eingestuft, daran hat sich in den folgenden 20 Jahren nichts geändert. Es ist auch keine „Verbesserung“ zu erwarten, denn das sehen der Vierphasenplan und die Bewirtschaftungspläne für Werra und Weser nicht vor.

Konkret: Um eine qualitative Verbesserung um nur eine Stufe, also von „5=schlecht“ nach „4=unbefriedigend“ zun erreichen, müsste z.B. die Chloridkonzentration des Flusswassers dauerhaft weniger als 400 mg/L betragen.

W. Hölzel/WWA, Ziel des Bewirtschaftungsplans 2022-2027 für die Flussgebietseinheit Weser ist die Aufhebung des Gewässerschutzes – Werra und Weser als „Opfergebiete außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie„, S. 34

https://bit.ly/3qyRYnP

Dieses Minimalziel ist nicht zu erreichen, solange der Bewirtschaftsplan die Qualitätsziele der WRRL zu umgehen versucht.

Der EuGH liefert notwendige Definitionen und verhindert Mißbrauch

In einem Urteil vom 01.07.2015 definiert der EuGH in der Rechtssache C-461/13, was unter „Verbesserung“ oder „Verschlechterung“ im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie zu verstehen ist. Außerdem schiebt das Gericht bestimmten Versuchen eine Riegel vor, Gewässer mutwillig und rechtswidrig so weit zu schädigen, dass sie in den schlechtesten der definierten Zustände geraten und nicht mehr saniert werden können. Wenn ein Gewässer nicht mehr saniert werden kann, so könnte ein Schädiger argumentieren, ist eine weitere Verschlechterung nicht mehr möglich und man könnte die Schädigung nunmehr legal weiterführen.

Das würde natürlich dem Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie widersprechen. Deshalb stellt der EuGH in seinem Urteil fest: Wenn ein Gewässer bereits in die schlechteste der definierten Qualitätsstufen eingeordnet ist, dann ist jede weitere Einleitung als Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot zu bewerten.

Sowohl die Werra als auch das Grundwasser im Werratal sind aufgrund der Entsorgungspraxis der K+S AG in die schlechteste Qualitätsstufe eingestuft. Aus dem zitierten Urteil des EuGH folgt dann zwangsläufig für die Entsorgungspraxis der K+S AG: Sowohl die Einleitung von Abwässern in die Werra als auch das Versickernlassen von Haldenlaugen verstößt gegen das Verschlechterungsverbot und ist daher rechtswidrig; entsprechende Genehmigungen hätten nicht erteilt werden dürfen.

Was sollen wir nun glauben? Sind die Landräte des Hamelner Bündnis nur rechtsunkundig oder helfen sie dabei, Rechtsbruch zu vertuschen? „Nützliche Idioten“ oder Mittäter?

Europäisches Umweltstrafrecht wird novelliert

In der kommenden Woche wird das Europäische Parlament über das aktualisierte Umweltstrafrecht beraten. Es kann auch auf Amtsträger angewendet werden. Die neue Richtlinie ersetzt die Richtlinie 2008/99/EG. Eine Überarbeitung war notwendig, da die Kommission festgestellt hat,

dass die Richtlinie in der Praxis keine große Wirkung zeigte: in den letzten zehn Jahren blieb die Zahl der Fälle von Umweltkriminalität, in denen erfolgreich ermittelt und verurteilt werden konnte, sehr niedrig. Zudem waren die verhängten Sanktionen zu niedrig, um abschreckend zu wirken, und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde nicht systematisch verfolgt.

Und weiter:

„Der Bewertung zufolge bestehen in allen Mitgliedstaaten und auf allen Ebenen der Durchsetzungskette (Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgerichte) wesentliche Durchsetzungslücken. Es wurden zudem bei den Mitgliedstaaten Defizite in den Bereichen Ressourcen, Fachwissen, Bewusstsein, Priorisierung, Zusammenarbeit und Informationsaustausch ermittelt und festgestellt, dass keine übergreifenden nationalen
Strategien zur Bekämpfung der Umweltkriminalität unter Einbeziehung aller Ebenen der Durchsetzungskette und kein multidisziplinärer Ansatz vorlagen. Ferner ist die mangelnde Koordinierung bei der Durchsetzung und den Sanktionen des Verwaltungs- und Strafrechts der Wirksamkeit abträglich.
Es wurde auch festgestellt, dass das Fehlen verlässlicher, genauer und vollständiger statistischer Daten über Verfahren wegen Umweltkriminalität in den Mitgliedstaaten nicht nur die Bewertung der Kommission behindert hat, sondern nationale politische Entscheidungsträger und Praktiker auch daran hindert, die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen zu überwachen.“

Die Kommission erläutert hier genau, warum die Werra-Weser-Anrainerkonferenz bisher nicht in der Lage war, die illegale Entsorgungspraxis der K+S AG zu Lasten der Anrainer an Werra und Weser zu stoppen – obwohl alle technischen Verfahren vorhanden sind, um eine abstoßfreie Kaliproduktion zu ermöglichen. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Meiningen könnten in Zukunft möglicherweise doch noch relevant werden.


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