Das Biber-Orakel

Im Werratal hat ein Biber einen Baum angenagt. Wolfram Brauneis, Vorsitzender der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und seinerzeit Teilnehmer des so genannten Runden Tisches „Werraversalzung“, hält das für ein „gutes Signal für das gesamte Ökosystem vor Ort. Das Wasser der Werra sei besser geworden,…“ (1) Was soll man dazu sagen?

von Walter Hölzel

Fangen wir am besten ganz einfach an. Die Qualität von Fließgewässern wird in fünf Stufen erfasst. Die Werra musste wegen der Belastung durch die Abwässer der Kali-Industrie in die schlechteste Qualitätsstufe eingeordnet werden. Das bedeutet: im salzbelasteten Teil des Flusses ist die Süßwasser-Lebensgemeinschaft ausgelöscht. Da es keine schlechtere Kategorie als „schlecht“ gibt, kann sich „das Wasser der Werra“ auch nicht verbessert haben. So weit alles klar, Herr Brauneis?

Es geht aber auch etwas anspruchsvoller. Die Kriterien für die Einordnung der Gewässer in Qualitätsstufen sind wohl definiert. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf das Vorhandensein oder Aussterben bestimmter Leitorganismen, die in unterschiedlicher Weise von der Qualität des Wassers abhängig sind. Zu diesen Leitorganismen zählt der Biber nicht. Er kann zwar schwimmen und benötigt sogar Gewässer mit einer gewissen Mindesttiefe (die er notfalls durch Dammbau selbst erzeugt), aber er ernährt sich nicht von Fluss, sondern von Baumrinde. Seine Ansprüche an die Qualität der Gewässer sind dagegen gering:

„Biber können potenziell fast in jedem (Fließ-)Gewässer (…) leben – auch in weitgehend naturfernen Vorflutern, in Intensiv-Agrarlandschaften und inmitten großer Städte. (…) Für Biber ist die Naturnähe von Gewässern also nur ein nachrangiges Qualitätsmerkmal.“ (2)

So wünschenswert die Wiederansiedlung des Bibers auch sein mag, als Eideshelfer für eine vermutete Verbesserung in der salzbelasteten Werra taugt das Biber-Orakel nicht. Die Qualität der Werra ist so schlecht wie seit Jahrzehnten. Um zu erkennen, dass sich die Qualität der Werra auch künftig nicht verbessern soll, genügt schon ein Blick auf die „Zielwerte“, welche die hessische Umweltministerin mit der K+S AG vereinbart hat (3).

Der Naturschutz hat es schwer in Europa

Wolfram Brauneis ist kein Unbekannter. Als Mitglied des „Runden Tisches“ hat er vorgeschlagen, die Schadstoffkonzentration in der Werra zu verdünnen, indem man die Talsperren in Thüringen entleert. Gemeinsam mit anderen Naturschutzverbänden hat er sich dafür eingesetzt, die ökologische Katastrophe der Werra von Hessen an die Nordsee zu verschieben („Nordseepipeline“) (4).

Von ihm stammt auch die Idee, den stark mit Nitrat und Phosphat belasteten Werratalsee bei Eschwege zu sanieren, indem man den am stärksten mit Salz belasteten Fluss Europas – nämlich die Werra – hindurchleitet (5).

Der Naturschutz hat es schwer in Deutschland. Zu den Belastungen gehört es auch, wenn Naturschutz-Funktionäre offensichtlich nicht wissen, worüber sie reden. Übertroffen werden sie allenfall von Verbänden, wenn ihnen nachgesagt werden kann, ihre Klagebefugnis an die verschmutzende Industrie zu verkaufen, indem sie vorher angestrengte Klagen wieder zurückziehen (6).

Die größte Belastung für Natur- und Umweltschutz ist inzwischen aber die EU-Kommission, wenn sie eigene Richtlinien nicht durchsetzt (zumindest nicht gegenüber der Bundesrepublik) und gültige Richtlinien zu verwässern beginnt (7).

Fußnoten

(1) https://www.werra-rundschau.de/lokales/meinhard/biber-baut-burg-an-werra-erstmals-wieder-aufzuchtbemuehungen-bei-frieda-13527949.html

(2) Dr. Lutz Dahlbeck, Biologische Station im Kreis Düren e.V., Biber und Wasserrahmenrichtlinie, 01.12.2011

(3) W.Hölzel/WWA, „Die Umweltministerin sieht sich auf dem richtigen Weg. Aber wohin? Jedenfalls sorgt sie nicht für eine bessere Gewässerqualität.“, 05.11.2019, https://salzblog.org/2019/11/05/die-umweltministerin-sieht-sich-auf-dem-richtigen-weg-aber-wohin-jedenfalls-sorgt-sie-nicht-fuer-eine-bessere-gewaesserqualitaet/

(4) W.Hölzel/WWA, „Hinhaltende Maßnahmen – der „Runde Tisch“ und Co.“, 20.01.2020, https://salzblog.org/2020/01/20/unterlaufen-der-eu-wasserrahmenrichtlinie-die-werra-als-stark-veraendertes-gewaesser/

(5) W. Hölzel/WWA, „Wer schützt uns vor den Naturschützern?“, 07.12.2017, https://salzblog.org/2017/12/07/wer-schuetzt-uns-vor-den-naturschuetzern/

(6) W.Hölzel/WWA, „Verlorenes Vertrauen“, 17.11.2017, https://salzblog.org/2017/11/17/verlorenes-vertrauen/

(7) W.Hölzel/WWA, „Vorläufiges zur Umweltpolitik der Europäischen Union. Gewässerschutz und Wirtschaftsinteresse.“, 05.08.2019, https://salzblog.org/2019/08/07/vorlaeufiges-zu-der-umweltpolitik-der-europaeischen-union/


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