Verlorenes Vertrauen

Der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat sich in einer Vergleichsvereinbarung mit dem Kalihersteller K+S darauf verpflichtet, seine Klage gegen die Verpressung von Abfalllaugen in den Unter­grund zurückzuziehen. Dies nur als „faulen Kompro­miss“ anzusehen, wäre eine realitätsfremde Schönred­nerei, denn der BUND scheint nunmehr eine rechtswidrige Entsorgungspraxis zu akzeptieren.

von Walter Hölzel

Das Grundwasser im Bereich der Lau­genverpressung ist in die schlechteste Qualitätsstufe nach der euro­päischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) einzustufen. Für diesen Fall verbietet ein Urteil des EuGH aus dem Jahre 2015 jede weitere Belas­tung der Gewässer, weil sie gegen das Verschlechterungsverbot der EU-WRRL verstößt.

Mit der Fortsetzung der Laugenverpressung wird nicht nur das Grundwasser verschlechtert, sondern es wer­den auch weitere Trinkwasservorkommen vernichtet. Darauf haben Behördengutachter und das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) hingewiesen. Das Hessische Umweltministeri­um hat versucht, diese Gutachten zu unterdrücken und die Laugenverpressung gegen die Warnung der Fach­behörde weiter genehmigt. Der BUND nimmt die fortgesetzte Vernichtung von Trink­was­ser­vorkom­men hin.

Schließlich akzeptiert der BUND mit seinem Kompromiss die Entstehung und Vergrößerung einer Ewigkeits­last. Die verpressten Abwässer verbreiten sich unkontrolliert und unbeherrschbar im Untergrund. Sie gelan­gen zum Teil auch wieder an die Erdoberfläche und erhöhen für viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte als „dif­fuse Einträge“ die Salzbelastung der Werra. Dies hat den Umweltministern der Anrainerstaaten 2016 als Vorwand gedient, um die Umweltziele der EU-WRRL auszusetzen und K+S mit dem Bewirtschaftungsplan 2015-2021 die zeitlich unbegrenzte Benutzung von Werra und Weser als Abwasserkanäle zu gestatten.

Als wäre das noch nicht genug, hat der BUND bis mindestens 2021 auch seine restlichen Handlungsmög­lichkeiten, etwa hinsichtlich der Rückstandshalden, des Versickernlassens von Haldenlaugen und der Ver­klappung von Abwässern in Werra und Weser drastisch eingeschränkt. Er hat nämlich zugestanden, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. K+S wird vertraglich ermöglicht, alle Zugeständnisse außer Kraft zu setzen, falls eine gerichtlich erwirkte Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen Auswir­kungen auf das jetzt betriebene Entsorgungskonzept hat. Das betrifft konkret auch die von K+S angestrebte Verklappung von Abwässern in die Oberweser. Es wird die Anrainer der Weser interessieren, dass der BUND mit der jetzt getroffenen Vereinbarung den Anschein erweckt, sich auch aus dem Widerstand gegen die Oberweserpipeline zu verab­schieden.

Aber was erhält der BUND für die Hingabe der Umweltinteressen?

Zunächst will K+S nach Ablauf der jetzt gültigen Erlaubnis im Jahre 2021 keine weitere Anträge auf Laugen­verpressung stellen. Das wäre auch nicht nötig, denn bis dahin soll die „Oberweserpipeline“ fertiggestellt sein, mit der die bisher verpressten Ab­wassermengen an die Oberweser transportiert werden können, um sie dort in den Fluss einzuleiten. Falls K+S nach 2021 doch die Laugenverpressung weiter betreiben will, müss­te der BUND erneut klagen – mit ungewissem Ausgang.

Schließlich will K+S die bis 2021 zu versenkende Abwassermenge um insgesamt 1 Mio. Kubikmeter ver­rin­gern – aber nur, wenn die Wasserführung der Werra dies zulässt. Die Vereinbarung bezieht sich auf einen mittleren jährlichen Abfluss, der in der Werra seit Jahren nicht erreicht wird und dessen Verfehlen 2015 zum Kollaps des K+S-Entsorgungssystems geführt hat.

Um es zusammenzufassen: Der BUND hat nicht erreicht, dass K+S den Abstoß seiner Abwässer mit geeig­neten Aufbereitungsverfahren verringert und er verzichtet hinsichtlich der Abwasserverpressung auf alle Rechtsmittel. Bei allen anderen Entsorgungswegen hat er sich seiner Einflussmöglichkeiten nach unserer Ansicht völlig be­raubt. Dies betrifft die Rückstandshalden als Ewigkeitslast, deren versickerte Abwässer für die Bleibelastung des Grundwassers verantwortlich sind und es betrifft den Bau der Oberweserpipeline als Voraussetzung für die Schaf­fung einer weiteren Verklappungsstelle. Ist der BUND ist somit als Bündnis­partner im Kampf gegen die Versalzung von Werra und Weser ein Totalaus­fall? Auch am „Runden Tisch Werraversalzung“ war der BUND mit seinem untauglichen Vorschlag, die K+S Abwässer in die Nordsee zu verklappen („Nordseepipeline“) eher hinderlich.

Zeitgleich zu dem Vertragsabschluss des BUND befindet sich auch die Gemeinde Gerstungen in Vergleichs­verhandlungen mit K+S. Die Gemeinde kann aber nicht über allgemeine Umweltfragen verhandeln, sondern muss sich auf die eigene Betroffenheit beschränken. In diesem Fall sind dies die steigenden Kosten wegen der versenkungsbedingten Versalzung der Trinkwasservorkommen. Warum es der BUND so eilig gehabt hat und der Gemeinde Gerstungen in die Parade fahren musste, das können wir nicht nachvollziehen.

Den Verhandlungspartnern schien das geschilderte Ergebnis erklärungsbedürftig zu sein. Schon im Vor­feld wurde gemeinsam veröffentlicht, es sei hierfür kein Geld geflossen. Dieser Hinweis war wohl nötig, weil die Naturschutzverbände in der Vergangenheit durch lukrative Vereinbarungen aufgefallen sind, mit denen sie ihre Klagebefugnis gegen Geld eingetauscht haben.

Man könnte hierfür durchaus Verständnis haben, denn die Verbände haben nicht nur für die selbst definier­ten Schutzgüter zu sorgen, sondern sie sind auch für die finanzielle Situation ihrer Funktionsträger verant­wort­lich. Dies ist aus Mitgliedsbeträgen offenbar nicht mehr möglich. Die Abhängigkeit von Spenden der In­dustrie und von den Zuwendungen der Umweltministerien scheint groß zu sein. Die Annahme, der BUND könne ein Bünd­nispartner in Umweltfragen sein, geht möglicherweise an der Realität vorbei.

Es schien als Stärkung der Umweltpolitik gemeint zu sein, als den Umweltverbänden die Klagemöglichkeit gegen Umweltvergehen eingeräumt worden ist. Sie müssen eine eigene Betroffenheit nicht nachweisen und können so eine der größten prozessualen Hürden umgehen. Man könnte allerdings auch der Meinung sein, dass dieses Klagerecht im Laufe der Jahrzehnte zu einem Jobmodell für Umweltfunktionäre verkommen ist, wenn sich die Verbände den Ausstieg aus Klageverfahren haben bezahlen lassen.


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