Die Umweltministerin sieht sich auf dem richtigen Weg. Aber wohin? Jedenfalls sorgt sie nicht für eine bessere Gewässerqualität.

„Das zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg und sorgen für eine bessere Wasserqualität in Werra und Weser.“ Ministerin Hinz im Juni 2019 (1)

„Die Koalition verfolgt das Ziel, die Belas­tung des Grund­wassers und des Oberflä­chenwassers im Naturraum Wer­ra-Weser durch Salzabwässer dauerhaft zu been­den.“ Koalitionsvertrag 2014 (2)

So sieht die Ministerin ihre Arbeit bei der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Aber ihr Selbstlob hat keine sachliche Grundlage.

Massenentwicklung des halophilen Darmtangs Enteromorpha intestinalis in der Werra bei Witzenhausen. Er verstopft im Sommer Wehre und Wasserkraftanlagen. Grund für die Massenentwicklung ist der hohe Kaliumgehalt derWerra, bedingt durch die Abwässer der K+S-Betriebe im Werra- und Fuldarevier.
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von Walter Hölzel

Zur Information: Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) verlangt von den Mitgliedsstaaten, dass sie die Qualität ihrer Gewässer bis spätestens 2027 verbessern. Sie definiert dazu für die Oberflächengewässer fünf Stufen der ökologischen Qualität, von 1 „Sehr gut“ bis 5 „schlecht“ . Sie können durch Untersuchungen des Ökosystems ziemlich gut überprüft werden. Keine Rolle spielen dabei Grenzwerte für bestimmte Stoffe – jedenfalls dann, wenn die Grenzwerte so hoch liegen, dass eine Verbesserung des ökologischen Zustandes nicht zu erwarten ist. Im Falle der Werra haben die hohen Grenzwerte für Chlorid und insbesondere für Kalium und Magnesium zu einer Vernichtung der Süßwasser-Lebensgemeinschaft geführt.

Die Werra und die Weser sind in die schlechteste Stufe nach der EU-WRRL eingeordnet; bis spätestens 2027 soll aber mit dem „guten ökologischen Zustand“ die zweitbeste Qualitätsstufe als Umweltziel erreicht werden. Dieses Ziel strebt die Ministerin mit ihrem „Vierphasenplan“ noch nicht einmal bis 2075 und darüber hinaus an.

Die „schlechte ökologische Qualität“ der Werra als „Zielwert“ der Ministerin

Vor einer „Verbesserung“ im Sinne der EU-WRRL kann man nach einem Urteil des EuGH nur sprechen, wenn der ökologische Zustand eines Gewässers bei mindestens einer Komponente um mindestens eine Stufe angehoben wird. Auch dies kann der „Vierphasenplan“ nicht erreichen. Deshalb kann man der Ministerin nicht folgen, wenn sie angibt, „für eine bessere Wasserqualität in Werra und Weser“ gesorgt zu haben.

Priska Hinz scheinen die Mängel ihrer Argumentation durchaus bewusst zu sein. Gefragt, an welcher Stelle der Werra sich denn die Qualität des Flusses gebessert habe, weicht sie aus (3). Sie muss bekennen, dass sie und die Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) keine qualitative Verbesserung der Flüsse anstreben, sondern nur noch „Zielwerte“ für bestimmte Schadstoffe.

Zeit-
raum
Pegel Gers-
tungen
demnach zu erwartende Chlorid-
konzentration am Messpunkt Blickershausen
jetzt2.3101.200
ab 20211.580800
ab 20271.170600
„Zielwerte“ für Chlorid in mg/Liter nach Angaben der Ministerin und zu erwartende Chloridkonzentrationen in Hann.Münden

Aus der Höhe der Grenzwerte lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Pläne der Ministerin eine qualitative Verbesserung nicht anstreben; der „gute ökologische Zustand“ eines Gewässers lässt sich nur unterhalb einer Chloridkonzentration von 50 mg/Liter erreichen. Selbst für eine geringfügige Verbesserung müssten Werte von 300 mg/Liter unterschritten werden.

Besonders deutlich wird die Unglaubwürdigkeit der Ministerin, wenn man den besonders kritischen Gehalt an Kalium- und Magnesiumionen betrachtet (wieder in mg/Liter):

Stoff Grenzwert in der
Werra ab 2021
Maximalkonzentration für das
Umweltziel der EU-WRRL
Kalium20020
Magnesium34030

Mit solchen „Zielwerten“ lassen sich die keine qualitativen Verbesserungen und schon gar nicht die Umweltziele der EU-WRRL erreichen. Dazu müssten die Grenzwerte um den Faktor 10 verringert werden. Schweigen wir ganz von der „dauerhaften Beendigung der Belastung durch Salzabwässer“, mit der uns der Koalitionsvertrag in die Irre führen wollte (2). Mit der Verfahrenskombination der K-UTEC AG wäre eine abstoßfreie Produktion und damit auch die in der EU-WRRL vorgeschriebenen Ziele zu erreichen gewesen

Voraussetzungen für abweichende Umweltziele sind nicht erfüllt

Ministerin Hinz sieht sich mit ihrer „Zielwertkonstruktion“ im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie, weil sie nämlich „abweichende Umweltziele“ darstellten. Das ist ein Irrtum. Die EU-WRRL verwendet zwar auch den Begriff der „abweichenden Umweltziele“, von den ihren Qualitätszielen darf aber nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Im Falle der Werra-Weser-Versalzung sind sie nicht erfüllt. So müsste es z.B. grundsätzlich unmöglich sein, in Werra und Weser ein Qualitätsziel der EU-WRRL zu erreichen. Die WWA konnte aber schon 2014 nachweisen, dass es möglich gewesen wäre, in der Werra den „guten ökologischen Zustand“ bis 2027 zu erreichen (4). Das Unternehmen K+S war dazu allerdings nicht bereit und die Beörden haben das Unternehmen nicht dazu verpflichtet.

Andererseits reicht noch nicht einmal eine schlechte wirtschaftliche Situation eines verschmutzenden Unternehmens aus, um abweichende Umweltziele zu rechtfertigen. Wer grundsätzlich nicht in der Lage oder bereit ist, bei seiner Geschäftstätigkeit die Gesetze einzuhalten, der muss die Produktion einstellen.

Zweifelhafte Annahmen zur Effektivität der „KKF-Anlage“

In der Beantwortung der Kleinen Anfrage Drs. 20/937 äussert sich die Ministerin auch zu der „Kalinit-Kristallisations-Flotationsanlage“ des Unternehmens K+S:

„Durch die im Jahr 2018 in Betrieb genommene KKF-Anlage sinkt die zu entsorgende Salzabwassermenge um rund 1,5 Mio. m3/a und dabei wird eine Menge von rund 500.000 Tonnen Salz aus den Salzwässern zur weiteren Produktgewinnung zurückgewonnen.“ (3)

Diese Aussage widerspricht auffällig den Angaben der K+S AG und der K-UTEC AG als deren Auftragnehmerin. Danach verarbeitet die Anlage jährlich 3 Mio. Kubikmeter Abwasser und stößt ihrerseits 1,5 Mio. Kubikmeter ab. Das bei der Aufbereitung entstehende Natriumchlorid wird nicht als Wertstoff gewonnen und muss deshalb in einer Jahresmenge von ca. 180.000 Tonnen aufgehaldet werden. Aus dieser Menge entstehen ca. 550.000 Kubikmeter Haldenlaugen, die in die Werra geleitet werden. „Die zu entsorgende Salzwassermenge“ reduziert sich also nur ca. 950.000 Kubikmeter oder 11%. Auch werden mit der Anlage nach K+S-Angaben lediglich 260.000 Tonnen an Wertstoffen gewonnen (5), (6). Zum Vergleich: Die vor der K-UTEC-AG vorgeschlagene Anlage gewinnt 1,1 Mio. Tonnen Wertstoffe und reduziert die zu entsorgenden Abwässer um 100%.

Es reicht. Die Ministerin muss zurücktreten.

Am Beispiel der Werra-Weser-Versalzung lässt sich das umfassende Versagen der Ministerin Priska Hinz im Gewässerschutz betrachten. Frau Hinz ist aber auch Ministerin für Verbraucherschutz. Auch hier hat sie versagt. Sie war nicht in der Lage, die Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Produkten eines hessischen Wurstherstellers zu schützen (7). Sie muss zurücktreten.

Anmerkungen

(1) HMUKLV, 14.06.2019

(2) „Verlässlich gestalten – Perspektiven eröffnen Hessen 2014 bis2019; Koalitionsvertrag zwischen der CDU Hes­sen und Bündnis 90/Die Grünen Hessen für die 19. Wahlperiode des Hessischen Landtags 2014 – 2019“, S. 15, Zeilen 595-607)

(3) Kleine Anfrage Torsten Felstehausen (Die Linke), Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (Die Linke) vom 11.07.2019: Verbesserung der Gewässerqualität und Salzeinleitungen in dien Werra und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Drucksache 20/937 https://ia601506.us.archive.org/34/items/hessischerlandtagdrucksache20937gewasserqualitatderwerra/Hessischer%20Landtag%20Drucksache%2020-937%20Gew%C3%A4sserqualit%C3%A4t%20der%20Werra.pdf

(4) Mitteilung K+S AG, http://www.k-plus-s.com/de/gewaesserschutz/kkf.html, zuletzt aufgerufen am 06.06.2018

(5) W.Hölzel/WWA, Effektivität der KKF-Anlage, 21.06.2018 https://ia601406.us.archive.org/10/items/effektivitatderkkfanlage/Effektivit%C3%A4t%20der%20KKF-Anlage.pdf

(6) W.Hölzel/WWA, „Flüsse und Umwelt schonen, Arbeitsplätze im Kali-Revier sichern und die Region entwickeln“ – Dreistufenplan zur Umsetzung der EU-WRRL in der Flussgebietseinheit Weser, 05.11.2014 https://ia601501.us.archive.org/24/items/flusseundumweltschonendreistufenplanfinal/Fl%C3%BCsse%20und%20Umwelt%20schonen%20Dreistufenplan-final.pdf

(7) Europaticker 06.11.2019: „Staatsanwaltschaft prüft, ob 37 Todes- und Krankheitsfälle in unmittelbarem Zusammenhang mit Produkten der Firma Wilke stehen.“


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