Wer schützt uns vor den Naturschützern?

Der stellvertretender Landesvorsitzender der Hessischen Gesell­schaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), Wolfram Braun­eis, hat vorgeschlagen, die Umweltprobleme des Werratalsees bei Eschwege zu lösen, indem man den an stärksten mit Salzen belas­teten Fluss Europas durch den See leitet.

https://www.hna.de/lokales/witzenhausen/eschwege-ort28660/naturschuetzer-wollen-werra-durch-werratalsee-leiten-9413572.html

von Walter Hölzel

Neben der Werra, flussaufwärts der Stadt Eschwege liegt der Werratalsee:

Direkt benachbart zum Unterlauf des Kellaer Baches liegt der ca. 50 ha große „Werratalsee“ (…), ein Kiessee, in dem noch weiter Kies abgebaut wird. Dieser See ist das weitaus größte Stillgewässer im Werra-Meißner-Gebiet und ist vor allem für seine intensive Wassersport-Frei­zeitnutzung überregional bekannt. Das Umfeld des Sees und auch der Innenbereich des Alt­armbogens wird überwiegend intensiv ackerbaulich genutzt, in Teilbereichen, z. B. einer Flutrin­ne im Altarmbogen, auch als Grünland“.

Claus Neubeck, Auenrevitalisierung an der unteren Werra, Leitarten und Entwicklungsalternativen -.Ver­gleichende Betrachtung mit Oberweser und mittlerer Fulda, Dissertation, 2014, S. 85

Mit diesem See hat die Stadt Eschwege ein Problem, denn er ist wegen der hohen Nährstoffeinträge eutro­phiert. Das starke Blaualgenwachstum hat bereits Badeverbote notwendig gemacht:

https://www.hna.de/lokales/witzenhausen/badeverbot-wegen-algen-werratalsee-salzgehalt-fluss-ohne-pipeline-hoch-3815258.html

Seit Jahren macht Herr Brauneis für den HGON Vorschläge für die Rettung des gefährdeten Gewässers. Am 01.12.2017 schreibt die HNA:

Die Werra muss nach Ansicht des Eschweger Ornithologen und Naturschützers Wolfram Braun­eis durch den Werratalsee geleitet werden, um das kranke Gewässer zu retten. „Aufgrund der gesammelten Erfahrungen und angesichts der katastrophalen Lage am Werratalsee sowie des Parteienstreits und der unterschiedlichen Auffassung verschiedener Gutachter, schlägt die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) vor, die Werra durch gezielte ökologische Wasserbaumaßnahmen mit Einlauf und Auslauf ganzjährig durch den Werratalsee zu leiten“, so Brauneis.

Herr Brauneis möchte sich also nicht mit den Verursachern der Eutrophierung anlegen und den Nährstoff­ein­trag womöglich verringern, sondern das Problem durch Verdünnen lösen. Was würde es bedeuten, wenn man diesen Vorschlag umsetzte?

Das Ionenspektrum des Werratalsees würde sich tatsächlich stark ändern und zugleich würden die Nährstof­fe des Sees in die Werra eingetragen. Diese Verschlechterung der Werra wäre nach einem Urteil des EuGH vom Sommer 2015 nicht mehr genehmigungsfähig, weil der Fluss bereits in die schlechteste Qualitätsstufe eingeordnet ist. Von diesem Argument wollen wir aber einmal absehen, weil sich auch die Kali-Industrie und die Genehmi­gungsbehörden bislang nicht um das Urteil des EuGH kümmern.

Es bleibt aber die Frage, wie denn die Werra dem angeschlagenen Werratalsee helfen könnte? Schließlich ist in der Werra die Süßwasser-Lebensgemeinschaft wegen des hohen Eintrags von Abfallsalzen der Kali-Industrie voll­ständig zusammengebrochen. In dem salzbelasteten Teil des Flusses leben nur noch zwei Ar­ten, die wegen ihrer Salz­to­leranz sonst im Brack­wasser heimisch sind, der Getigerte Flohkrebs Gammarus tigrinus und der Darmtang Entero­morpha intes­tinalis. Soll künftig im Werratalsee statt der Blaualgen der Darmtang wachsen, den man im Sommer schon jetzt in der gesamten Werra bewundern kann?

Man könnte den Vorschlag für einen einmaligen Ausrutscher halten, aber bei genauerem Hinsehen scheinen Problemlösungen dieser Qualität für Naturschutzverbände typisch zu sein. Herr Brauneis war von 2008 bis 2011 für den HGON Mitglied des „Runden Tisches Werraversalzung“. Er hat dort, gemeinsam mit dem „Bund Umwelt und Naturschutz BUND“ vorgeschlagen, das Problem der Werraversalzung zu lösen, indem man für die K+S-Abwässer eine Pipeline bis zur Nordsee baut und sie dort in das Wattenmeer verklappt.

Diese Idee hatte keine Chance auf eine Umsetzung, einerseits wegen der hohen Baukosten (ca. 1 Mrd. Euro) und weil die Pipeline hätte betrieben werden müssen, bis die Salzhalden abgeregnet sind. Nach K+S wären dies 700 Jahre, wir errechnen aber 2000 Jahre. Auch die Genehmigungsfähigkeit einer Verklappung der K+S-Abwässer in die Nordsee konnte nicht nachgewiesen werden. Nach dem Schei­tern des Runden Tisches wurde der Vorschlag der Naturschutzverbände deshalb in aller Stille fallen gelas­sen.

Diese können sich allerdings bis heute nicht von ihrer untauglichen Idee lösen. Ein Vertreter des BUND hat Anfang 2017 bei einer Veranstaltung der Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft AöW in Gerstungen allen Ernstes eine „Nordseepipeline 2.0“ vorgeschlagen und die HNA schreibt am 28.08.2014:

Brauneis hofft darauf, dass die Rohrfernleitung 2020 fertig sein könnte. „Spätestens dann kann die Werra die Kiesseen mit Austauschwasser versorgen und das Algenproblem ist beseitigt.“

Die Umweltverbände haben also mit ihrer Teilnahme am „Runden Tisch“ und mit ihrem Vorschlag, das Um­welt­problem an die Nordsee zu verlagern, nichts für die Werra erreichen kön­nen. Nach dem Scheitern der „Nordseepipeline“ hat der BUND versucht, noch schnell auf den fahrenden Zug aufzuspringen und hat eine Klage ge­gen das Verpressen von Abfallaugen durch die K+S Kali GmbH angestrengt. Diese Klage hat der BUND kürzlich schon wieder zurückgezogen, ohne dass er eine Verringerung des Salzabstoßes erreicht hätte. Bei hinreichend hoher Wasserführung soll zwar weniger Abwasser in den Untergrund verpresst und mehr in die Werra eingeleitet werden, aber auch dies wäre nur eine Verlagerung der Probleme, keine Verminderung. Angeblich sind dafür noch nicht einmal Gelder für den BUND geflossen:

http://www.wasser-in-not.de/index.php/aktuelles-alt2/1291-verlorenes-vertrauen

Natur- und Umweltschutz sind nötig und es ist schwierig genug, die Gewässer davor zu schützen, als die bil­ligsten Entsorgungswege für Abwässer genutzt zu werden. Aber warum machen es uns die Umwelt- und Na­turschutzverbände auch noch unnötig schwer?


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