Wie geht man mit den Rückstandshalden der Kali-Industrie um?

Ohne Versatz der Salzrückstände bleiben das Grundwasser und die Flüsse auf unabsehbare Zeit versalzen

Eine der verstreut im Werratal liegenden Reststoffhalden der K+S AG. Die Abwässer laufen den Berg hinunter und gelangen über einen Vorfluter in die Werra.

Teil I – Niedersachsen aktuell – B’90/Die Grünen wollen den Rückbau der Salzhalden

von Walter Hölzel

Das niedersächsische Bergrecht schreibt vor, dass Kaliabbaue (=Rückstände der Förderung und der Aufbereitung von Rohsalzen) innerhalb gesetzter Fristen wieder versetzt werden müssen. Sie sollen also wieder in diejenigen untertägigen Hohlräume eingebaut werden, aus denen die Rohsalze gewonnen wurden (1).

Schwermetalle im Grundwasser

Das ist auch sinnvoll, weil sie sonst übertägig zu Altlasten anwachsen, deren Abwässer („Haldenlaugen“) das Grundwasser und die Oberflächengewässer versalzen. Die mit den Rückstandshalden erzeugten Probleme gehen aber noch weit darüber hinaus. In Hessen und Thüringen haben Haldenlaugen zu einem Eintrag von Schwermetallen in das Grundwasser geführt:

„Die K+S KALI GmbH betreibt am Standort Hattorf eine Rückstandshalde. Im Zuge der Überwachung wird das Grundwasser sowie an der Oberfläche austretendes Quellwasser im Umfeld der Halde beprobt. Die be­probten Wässer zeigen neben hohen Salzkonzentrationen auch zum Teil Schwermetallkonzentrationen, die weit über den zur orientierenden Bewertung herangezogenen Geringfügigkeitschwellen (GFS) gemäß LA­WA-Publikation 2004 „Ableitung von Geringfügigkeitsschwellenwerten für das Grundwasser“ liegen. Insbe­sondere betrifft das die Nickel-, Cadmium-, Blei- und Zinkbelastung des Grundwassers. Es ist nachgewie­sen, dass durch den Eintrag des Haldensickerwassers in den Untergrund das Grundwasser, insbesondere das Grundwasser im schwebenden Grundwasserleiter (SGWL), lokal geschädigt ist“. (2)

Die Entnahme von Grundwasser wurde deshalb untersagt (3), (4), (5). Das Problem ist seit mindestens 2011 bekannt (6), Abhilfe scheint dort nicht möglich oder beabsichtigt zu sein.

Auch Haldenlaugen der K+S-Rückstandshalde in Zielitz (Sachsen-Anhalt) zeigen hohe Schwermetallkonzentrationen, wie Messungen in den umliegenden Vorflutern zeigen. Dort ist die Umweltsqualitätsnorm nach RL 2008/105/EG für Quecksilber um das 27-fache und für Blei um das 20-fache überschritten (7). Es verwundert deshalb nicht, dass auch die Sedimente der beprobten Vorfluter extrem hohe Schwermetallgehalte zeigen. Nach Ansicht des NABU liegen deshalb „Rechtsverstöße mit entsprechender Handlungserfordernis“ vor.

Betroffenen Anwohnern von Kali-Rückstandshalden ist deshalb anzuraten, eine Beprobung der Grundwasser- und Oberflächenwasserkörper im Umkreis der Halden und die Untersuchung auf Schwermetalle zu verlangen.

Niedersachsen hat die Versatzpflicht nicht genutzt

Die Aufhaldung von Salzrückständen als Alternative zum Versatz muss in Niedersachsen beantragt und genehmigt werden. Das ist offenbar regelmäßig geschehen, so dass sich das Land nun mit den Altlasten der Kali-Industrie auseinander setzen muss. Die Landesregierung möchte die bestehenden Rückstandshalden mit mineralischen Abfällen abdecken lassen, auch weil die Deponiekapazitäten für derartige Abfälle knapp werden. Davon sind in Niedersachsen sieben Rückstandshalden betroffen. Bei Nutzung von Abfällen zur Abdeckung der Salzhalden wird aus entsorgungspflichtigem Bauschutt ein „Abfall zur Verwertung“, für den geringere Umweltauflagen gelten.

Die niedersächsische Landesregierung verspricht sich (und uns), mit der Abdeckung der Halden auch die Salzbelastung des Grundwassers entscheidend verringern zu können. Solche Haldenabdeckungen sind aber keineswegs wasserdicht. Unter besten Voraussetzungen kann eine Verringerung der Haldenlaugen um allenfalls 80% erreicht werden. Dazu müsste die Abdeckung dauerhaft standfest sein. Aber auch die relativ flachen Halden in Niedersachsen zeigen bereits jetzt bedeutende Abrutschungen und Rissbildungen (8), so dass eine standfeste und dichte Haldenabdeckung als wenig wahrscheinlich erscheint.

Nicht standfeste Haldenabdeckungen müssen für unabsehbare Zeit ständig saniert werden, weil sie undicht werden und abrutschen können. Die Sanierungskosten dürften – gemeinsam mit den angerichteten Schäden – die Kosten für den Versatz der Kaliabbaue um das Mehrfache überschreiten. Es bleibt dabei: die beschriebenen Probleme der Rückstandshalden lassen sich nur durch deren Rückbau und Versatz in die untertägigen Hohlräume lösen.

B’90/Die Grünen wollen den Rückbau der Halden

In ihrem Antrag „Abfallwirtschaftsplan überarbeiten: Keine Genehmigung von Bauschuttdeponien durch die Hintertür des Bergrechts“, Drucksache 18/4709 vom 01.10.2019 heißt es (9):

„Der Landtag stellt fest, dass die Sanierung und Sicherung der Altlasten der KaliIndustrie Vorrang vor den Interessen der Verwertung und Entsorgung von Abfällen hat. Wo immer möglich und rechtlich durchsetzbar, ist ein Rückversatz vorzunehmen. Ein Austrag von salzigen Abwässern in das Grundwasser oder angrenzende Oberflächengewässer aus Kalirückstandshalden ist durch geeignete Maßnahmen weitestgehend zu verhindern. (…)“

„Das Landesbergrecht sieht ohnehin vor, dass Rückstände der Kali-Industrie schon während des Abbaubetriebs untertägig versetzt werden. Der Rückversatz ist konsequent umzusetzen, um die Rückstandshalden so weit wie möglich zu beseitigen. Das Aufschütten neuer Kalirückstandshalden entspricht nicht mehr dem Stand der Technik.“

Dem wäre wenig hinzuzufügen. Das Problem der Altlasten der Kali-Industrie ist durch das Abdecken der Rückstandshalden nicht zu lösen. Keinesfalls sollte man die Probleme vervielfachen, indem man weitere Altlasten hinzufügt.

Die Havarie zeigt: in Bokeloh gibt es keine stabile Abdeckung, aber neue Altlasten

Wir möchten deshalb die Grünenfraktion in Hannover daran erinnern, dass die K+S AG am Standort Bokeloh viel schlimmere Stoffe als Bauschutt für die „Abdeckung“ der Halde des Kaliwerks Sigmundshall „verwertet“, nämlich: Löserückstand aus der Aufbe-reitung von Salzschlacke aus dem Aluminiumrecycling („REKAL“, Schwermetallgehalt mindestens 0,5%), Reststoffe aus der Rauchgasentschwefelung („SAV-Stabilisat“) und Flugaschen (10).

In Bokeloh ist damit ein weiteres profit center für den Betreiber aufgebaut worden und eine weitere Altlast für das Land Niedersachsen entstanden. Dort hat es 2010 eine Havarie gegeben. Das Abdeckmaterial ist abgerutscht und hat als Giftschlammlawine die Sicherheitsbarrieren am Haldenfuß durchschlagen sowie eine angrenzende Straße verschüttet. Der Betreiber hat damals erklärt, dass sich bei den Regenfällen auf der Halde Seen gebildet und diese dann zum Abrutschen der Abdeckung geführt hätten. Dies kann als widerlegt angesehen werden (11). Es wäre auch nicht glaubhaft, dass der Betreiber einer Rückstandshalde zusieht, wie sich dort Seen bilden, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Man kann deshalb feststellen, dass die „Verwertung“ von Industrieabfällen zur Verfestigung von Abdeckmaterial nicht für die Herstellung standfester Haldenabdeckungen geeignet ist.

Der Betreiber sieht in der Havarie in Bokeloh allerdings kein Scheitern des Abdeckversuchs. Kein Wunder: auch die ähnlich steilen Halden im Werrrevier, so will man uns und die EU-Kommission glauben machen, sollen abdeckbar sein. Daran hängt nämlich die Fiktion, dass in Werra und Weser Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch ohne moderne Aufbereitungstechnik erreicht werden können. Wahrscheinlich ist das nicht: es gibt weltweit kein positives Beispiel.

In Bokeloh jedenfalls ist das profit center „Verwertung von Industrieabfällen“ auch nach 2010 weiter betrieben worden. Möglicherweise ist nur der Abnahmevertrag für schwermetallhaltige Industrieabfälle „zur Verwertung“ noch nicht erfüllt.

Anmerkungen

(1) Allgemeine Bergverordnung über Untertagebetriebe, Tagebaue und Salinen
ABVO vom 2. Februar 1966 (Nds. MBl. Nr. 15/1966 S. 337), § 225, https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=2ahUKEwjbwv-81YTlAhXQ26QKHZW8DuMQFjAAegQIAhAC&url=https%3A%2F%2Fwww.lbeg.niedersachsen.de%2Fdownload%2F57484%2FAllgemeine_Bergverordnung_ueber_Untertagebetriebe_Tagebaue_und_Salinen_ABVO_.pdf&usg=AOvVaw1gixAhl0cIlvLGiv57Mj9o

(2) Allgemeinverfügung des Thüringer Landesverwaltungsamts zur Einschränkung der Nutzung von Grundwasser in der Gemeinde Unterbreizbach, Wartburgkreis vom 22. Juli 2016

(3) Südthüringer Zeitung 09.09.2016

(4) Hessenschau vom 25.09.2016

(5) https://rp-kassel.hessen.de/pressemitteilungen/hessisches-umweltministerium-und-regierungspr%C3%A4sidium-kassel-untersuchen-am-fu%C3%9Fe (inzwischen gelöscht)

6) http://www.ardmediathek.de/tv/defacto/Giftige-Schwermetalle-im-Grundwasser-W/hr-fernsehen/Video?bcastId=3437388&documentId=37947064 (inzwischen gelöscht).

(7) „Anzeige einer hohen Schwermetallkonzentration im Einleitwasser sowie im Grundwasser und Oberflächenwasser im Zusammenhang mit dem Betrieb der Rückstandshalden 1, 2 und HKE des Bergwerks Zielitz“, Schreiben des RA Ulrich Werner vom 23.12.2015 (im Auftrag des NABU, Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.

(8)

(9) https://www.landtag-niedersachsen.de/drucksachen/drucksachen_18_05000/04501-05000/18-04710.pdf

(10) S. Niessing, Begrünungsmaßnahmen auf der Rückstandshalde des Kaliwerks Sigmundshall in Bokeloh, Ökologie und Umweltsicherung 25/2005. S. 29 ff.

(11) BUND, Kreisgruppe Region Hannover, Dokumentation zur Giftschlammlawine vom 27.08.2010, Kalihalde Sigmundshall, ohne Datumsangabe, https://archive.org/details/giftschlammlawinedoku


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