Die paradoxe Kommunikation der K+S AG
In Spanien ist es dem dortigen Kalihersteller Iberpotash auf der Basis europäischer Richtlinien untersagt, seine Salzrückstände oberirdisch auf Halden abzulagern, weil sie „eine Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit“ darstellen. Die bereits bestehenden Halden muss das Unternehmen zurückbauen.
In Deutschland möchte die K+S AG diesen Aufwand wohl gerne vermeiden. Sie versichert uns, die Halden im Werra-Fulda-Revier seien keine Gefahr für die Umwelt, weil man beabsichtige, sie abzudecken. Dies soll allerdings erst 2075 realisiert werden („Sechzigjahresplan“ der Hessischen Umweltministerin Priska Hinz) und erfordert viel Vertrauen, weil sich die Wirksamkeit der Pläne einer Überprüfung entzieht.
von Walter Hölzel
Viel Vertrauen war schon damals nötig, als uns Mitarbeiter der K+S AG und deren Gutachter am so genannten „Runden Tisch“ vielfach und wortreich versicherten, eine Abdeckung ihrer Rückstandshalden im Werra-Fulda-Revier sei technisch nicht möglich. Diese seien mit einem Schüttwinkel von ca. 45° viel zu steil, um eine – wie auch immer geartete – Abdeckung dauerhaft verankern zu können. Eine Abflachung der Halde komme auch nicht in Betracht, weil der dazu benötigte Platz an den Standorten fehle. Es gebe weltweit keine Salz-Rückstandshalde mit ähnlich steilem Schüttwinkel, bei der eine Abdeckung standfest geblieben sei. Das Aufhalden von Salzrückständen sei alternativlos (1). Das Problem würde sich ohnehin wie von selbst lösen, weil der Regen die Salze innerhalb von 700 Jahren auflösen werde.
Wir waren schon immer gut beraten, Aussagen der K+S-Mitarbeiter nicht blind zu glauben, sondern vielmehr auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Manchmal reichte schon sorgfältiges Lesen der von K+S veröffentlichten Unterlagen aus – allenfalls ergänzt durch eine zusätzliche Plausibilitätsprüfung – , um Aussagen und Versprechungen des Unternehmens relativieren zu müssen (2). Der „Runde Tisch“, der solche Überprüfungen offenbar unterlassen hatte, musste ohne erkennbares Ergebnis seine Tätigkeit einstellen.
In diesem Falle aber mussten wir zu unserer Überraschung feststellen, dass K+S die Tatsachen korrekt dargestellt zu haben schien. Wir konnten tatsächlich weltweit keine Salzhalde mit ähnlich steilem Haldenwinkel ermitteln, deren Abdeckung einige Jahre standfest geblieben wäre. Die K+S AG schien ihre Ausführungen untermauern zu wollen, als sie auf der Halde in Bokeloh einen Abdeckversuch unternahmen. Teile dieser Halde wurden mit einer mächtigen Schicht (an der Basis 12 bis 15 Meter) verschiedener Materialien überzogen, darunter schwermetallhaltige Industrieabfälle (3) (Anhang Abb. 1).

Diese Schicht ist 2010 abgerutscht und hat Absperrbarrieren durchschlagen. Auch dieser Versuch, eine Rückstandshalde mit steilem Flankenwinkel abzudecken, war gescheitert (4). Die K+S AG hat ihren Abdeckversuch danach zwar fortgesetzt, aber wir vermuten, dass die Abnahmeverpflichtungen für die verwendeten Industrieabfälle noch nicht erfüllt war.
Die Mindestvoraussetzung, um abgedeckte Halden als Ewigkeitslast akzeptieren zu können, wäre aber eine sehr langfristige Standfestigkeit der Abdeckung. Dies schien nicht gegeben zu sein. Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz hat deshalb gefordert, der K+S AG die Fortsetzung der Salzaufhaldung zu untersagen und den Rückbau der Halden durch chemische Aufarbeitung und/oder Versatz in die untertägigen Hohlräume der Bergwerke anzuordnen (5), (6).
Wie denn, es geht doch?
Wir waren deshalb erneut überrascht, als wir feststellen mussten, dass der Bewirtschaftungsplan 2015-2021 für die Flussgebietseinheit Weser wieder auf der Möglichkeit basierte, den Anfall von Haldenlaugen durch Abdeckung der Halden im Werra-Fuldarevier erheblich zu reduzieren. Auch K+S scheint plötzlich überzeugt zu sein, eine standfeste Haldenabdeckung realisieren zu können. Allerdings soll diese Abdeckung erst etwa 2075 fertiggestellt sein – also mehrere Jahrzehnte nach Einstellung des Kalibergbaus. Wir kennen keine Aussage dazu, wer nach Abzug der K+S AG aus dem Werra-Fuldarevier die Abdeckung fertigstellen wird und wer dies bezahlen soll.
Auch der Vorstandsvorsitzende der K+S AG, Burkhardt Lohr, zeigte sich 2017 im Gespräch mit der Werra-Weser-Anrainerkonferenz überzeugt, dass sein Unternehmen eine wirksame und standfeste Abdeckung errichten könne. Sollte K+S tatsächlich inzwischen eine neue und revolutionäre Technologie entwickelt haben, die den Optimismus des Vorstandsvorsitzenden rechtfertigen könnte? Das scheint eher nicht der Fall zu sein. Noch im Jahre 2018 hat K+S einen Ideenwettbewerb zur Haldenabdeckung ausgeschrieben. Das spricht nicht für eine Vorreiterrolle der K+S AG in der technologischen Entwicklung.Der Wettbewerb wurde im Dezember 2018 abgeschlossen, im Mai 2019 sollen die Preise verliehen werden.
Schwer verständlich ist, dass das Unternehmen trotz der schlechten Erfahrungen einen erneuten Abdeckversuch unternehmen will, diesmal bei der Kalihalde in Wathlingen. Es hat sogar beantragt, mit dem Bau einer „Recyclinganlage“ beginnen zu dürfen, bevor über die Zulässigkeit der Abdeckung entschieden ist. (7) Die Verwendung von Industrieabfällen scheint sehr lukrativ zu sein. Die zuständige Behörde sollte sich vorab informieren, bevor Tatsachen geschaffen werden, deren Beseitigung schwer fallen könnte.
Der Tanz der Salzhalden
Aber bevor wir uns mit den Ergebnissen des Ideenwettbewerbs beschäftigen, scheint es sinnvoll, die Grundlage für eine erfolgreiche Haldenabdeckung zu überprüfen, nämlich die Standfestigkeit der Halden selbst. Wir wissen, dass sich auf Salzhalden Spalten bilden können, die durch Regenwasser beträchtlich erweitert werden und die Standfestigkeit der Halde gefährden können. Wir wissen auch, dass Haldenflanken abrutschen können. In diesen Fällen würde dann notwendig auch jede Haldenabdeckung beschädigt werden und damit in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sein. Sollte dies auch für die Halden im Werra-Fuldarevier zutreffen, dann müsste man die Möglichkeit ihrer wirksamen und standfesten Abdeckung von vorneherein ausschließen.
Genau hier scheint Vieles im Argen zu liegen. Wir dokumentieren seit Jahren, dass Halden der K+S AG Abrutschungen und Löcher aufweisen und instabil zu sein scheinen (Abb. 2 und 3).

Auf der K+S-Rückstandshalde in Neuhof-Ellers scheinen sich kleinere Abrutschungen (Abb. 3) massiv vergrößert zu haben.

Abb. 4 zeigt wieder die Halde in Neuhof-Ellers, diesmal 2019. Die Flankenabrutschungen umfassen inzwischen mehr als 25% der Südwestflanke. Im unteren Teil des Bildes sehen Sie einen aufgeschütteten Damm, der offenbar verhindern soll, dass das Haldenmaterial zu Tal rutscht und Infrastruktur des Bergwerks beschädigt.

Wie konkret diese Gefahr ist, zeigt die Abb. 5.

Ein Durchschlagen der Sicherheitsbarrere konnte bislang offenbar vermieden werden. Allerdings sehen Sie auf Abb. 6 einen Bereich außerhalb der Halde und unterhalb der Abrutschungen, wo eine Schwarzfärbung des Grünlandes zu erkennen ist.

Dies deutet darauf hin, dass hier versickerte Haldenlauge wieder an die Erdoberfläche getreten sein könnte. Der Haldenwasserdurchbruch wurde bereits von der Oberen Naturschutzbehörde dokumentiert. Dies wäre dann einer derjenigen Bereiche, in denen nicht aufgefangene und versickerte Salzlaugen das Grundwasser beeinflussen.
Vertraut uns, wir bauen auf Sand …
… scheint die Kommunkationsstrategie der K+S AG zu sein, denn sie konfrontiert die Öffentlichkeit mit einander widersprechenden Botschaften. Eine solche Kommunikation erzeugt Verwirrung; es ist immer problematisch, wenn das, was offensichtlich ist, nicht zur Sprache kommt oder sogar geleugnet wird. Paradoxe Kommunikation funktioniert als Falle. Der hier zutreffende Wikipedia-Artikel formuliert es so:
„Der auf der bewussten Ebene mitgeteilte Informationsanteil deckt sich nicht mit dem objektiv vorhandenen Sachverhalt. Falls dem Empfänger der Botschaft und der Kommunikationssignale der wahre Sachverhalt nicht bekannt ist, er den (…) kommunizierten Anteil aber bewusst oder unbewusst wahrnimmt, entsteht eine kognitive Dissonanz beim Empfänger, die ggf. mangels weiterer korrekter Sachinformationen nicht aufgelöst werden kann. Für den Fall, dass der Empfänger der Botschaft die auf der unbewussten Ebene kommunizierte Botschaft nicht wahrgenommen hat, entsteht hingegen mehr Irrtum und Täuschung über den wahren Sachverhalt.“
Und „Eine paradoxe Informationsübermittlung wird umgangssprachlich als Heuchelei bezeichnet.“ (8)
Zusammenfassung
Wir können also festhalten, dass zumindest einige der K+S-Rückstandshalden instabil zu sein scheinen. Damit fehlt jeder Nachweis, dass es jemals möglich sein könnte, den Anfall von Haldenlaugen durch Abdeckung der Halden zu vermindern. Damit entfällt auch jede Begründung für den Bewirtschaftungsplan 2015-2021 für die Flussgebietseinheit Weser. Die dort genannten Maßnahmen sind nicht geeignet, den Bewirtschaftungszielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch nur näher zu kommen.
Das bedeutet auch, dass die Rückstandshalden der K+S AG nicht als Ewigkeitslast akzeptiert werden können. Sie sind weder sicher noch gesetzeskonform (9). Es muss jetzt bereits die in wenigen Jahrzehnten notwendige Konversion der K+S-Standorte mitbedacht werden. Es ist nicht sinnvoll, der K+S AG zu gestatten, ihre Salz-Rückstandshalden – wie geplant – um 50 bis 100% zu erweitern, wenn deren Rückbau der Öffentlichen Hand überlassen bleibt. Dem Unternehmen muss die Erlaubnis zum versatzlosen Bergbau entzogen und der Rückbau der Halden muss angeordnet werden.
Anmerkungen:
(1) Mit diesem Begriff hatte schon die englische Premierministerin Margareth Thatcher erfogreich operiert.
(2) z.B. Behauptungen zum Stand der Technik in der Kali-Industrie und über die Möglichkeit, bis 2015 die Chloridbelastung der Werra halbieren zu können.
(3) Silvia Nissing, Rekultivierung von Rückstandshalden der Kaliindustrie, Ökologie und Umweltsicherung 25/2005 (Frau Nissing ist Mitarbeiterin der K+S AG)
(4) Ein Mitarbeiter der K+S AG hat mir im Rahmen der Gespräche der WWA, der Klägergemeinschaft und der „Hamelner Erklärung“ mit der K+S AG 2018 mitgeteilt, dass die Abdeckungsversuche fortgesetzt worden sind. Wir gehen davon aus, dass K+S noch Abnahmeverpflichtungen für die eingesetzten Industrieabfälle erfüllen muss.
(5) W. Hölzel/WWA, Dreistufenplan zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in der Flussgebietseinheit Weser, 2014
(6) W. Hölzel/WWA, Dreistufenplan zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in der Flussgebietseinheit Weser, aktualisierte Fassung, 2018
(7) https://www.cellesche-zeitung.de/Celler-Land/Samtgemeinde-Wathlingen/Wathlingen/Kalihalde-K-S-beantragt-Bau-von-Recyclinganlage
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Doppelbindungstheorie
(9) z.B. wegen der Verletzung des Verschlechterungsverbots der EU-Wasserrahmenrichtlinie (Urteil des EuGH vom Juli 2015). Siehe auch: W. Hölzel/WWA, Stellungnahme zum Internationalen Tag des Wassers, 22.03.2019