Vor der Hacke ist es duster – Sicherheit nur vorgetäuscht

Die Pläne des Bergbauunternehmens K+S, seine Betriebsabwässer in die stillgelegte Grube Springen (Thüringen) zu verklappen, liegen nach wie vor auf Eis. Am 02. August 2022 lehnte die hessische Genehmigungsbehörde eine Zustimmung ab und forderte weitere umfangreiche Sicherheitsnachweise. Neue Erkenntnisse über unzureichende Sicherheitspfeiler zwischen den hessischen und thüringischen Gruben schließen eine Genehmigungsfähigkeit ohnehin aus. Dies betrifft auch die Lagerung von Industrieabfällen in den hessischen Grubenteilen.

Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz (WWA) hatte 2021 gegen die Einlagerung der K+S-Abwässer in das Bergwerk Springen eingewandt, dass die dort vorgefundenen geophysikalischen und geochemischen Bedingungen die Einlagerung von Abwässern nicht zulassen. Sie würde vielmehr die Bergsicherheit gefährden:

Simplicissimus: Der giftigste Ort der Welt

Auch das Regierungspräsidium Kassel äußert grundlegende Kritik an den Antragsunterlagen, die nicht geeignet seien, Sicherheitsbedenken auszuräumen. Wir gehen davon aus, dass die Sicherheitsnachweise grundsätzlich nicht erbracht werden können und dass wieder einmal ein Entsorgungskonzept der K+S AG gescheitert ist.

Nach den uns vorliegenden Unterlagen gibt es folgende Gründe, die eine Genehmigung der Einlagerung von K+S-Abwässern in die Grube Springen ausschließen:

  • Ein „bergsicherheitlicher Zweck“ als Genehmigungsvoraussetzung ist nicht nachgewiesen
  • Die Überprüfung der eingereichten Antragsunterlagen wurde durch Ministererlass eingeschränkt und damit das Bundesbergrecht mißachtet
  • Die Antragsunterlagen sind „nicht geeignet, die Zulassungsfähigkeit der geplanten Maßnahme vollumfänglich zu belegen“. Das „überwiegende öffentliche Interesse“ steht einer Genehmigung entgegen (nach RP Kassel).
  • Das Vorhandensein eines ausreichend dimensionierten Sicherheitspfeilers wurde weder überprüft noch nachgewiesen. Angaben der Antragstellerin sind unvollständig und widersprüchlich.

Das Fehlen eines ausreichend dimensionierten Sicherheitspfeilers zwischen der Grube Springen mit den dort auftretenden Wassereinbrüchen und der Grube Hattorf hat zur Folge, dass auch die Genehmigungsvoraussetzungen für die dort von K+S betriebene Einlagerung von Industriegiften in der K+S-Untertageverwertung und der „Untertagedeponie für besonders überwachungsbedürftige Abfälle“ in Herfa-Neurode nicht gegeben ist. Die Einlagerung von Industrieabfällen muss sofort gestoppt und die Räumung der betreffenden Grubenbereiche vorbereitet werden.

Die hessische Umweltministerin hat die Überprüfung der Antragsunterlagen behindert – Ein „bergsicherheitlicher Zweck“ durfte weder gefordert noch überprüft werden

Die hessische Umweltministerin wollte offenbar der K+S AG weit entgegenkommen. In einem Erlass vom 06.02.2021 hat sie das Regierungspräsidium Kassel angewiesen, bei ihrer Überprüfung diejenigen Aspekte nicht zu berücksichtigen, die sonst eine Genehmigung bereits ausschließen:

Die Pläne des Unternehmens erfordern nach Bundesbergrecht einen „bergsicherheitlichen Zweck“. Sie können nur genehmigt werden, wenn sie geeignet sind, die Sicherheit des Bergwerks zu verbessern. Genau das will K+S mit der Einstapelung angeblich erreichen können. Ein „Bergbauerbe, das andernfalls die Sicherheit des Bergbaus langfristig gefährden würde„, nämlich die Wassereinbrüche in der Grube Springen am „Querort 23“, sollen mit der Einstapelung, sozusagen Hand in Hand, „beseitigt werden“.

Es wäre jedoch eine Sensation, wenn dies gelingen würde. Es ist zwar bekannt, dass ein Salzbergwerk absaufen kann, aber es ist weltweit noch nie gelungen, einen Wassereinbruch zu „beseitigen“. Genau das soll nach Anordnung der Ministerin nicht überprüft werden, weder ob die Gefahr tatsächlich besteht, noch ob das K+S-Projekt wirksam sein könnte und auch nicht, ob das Ziel nicht auch mit weniger Risiken erreicht werden kann.

Daher gehen wir davon aus, dass die Annahme eines „bergbausicherheitlichen Zwecks“ nur vorgetäuscht wurde, weil sie die erforderliche Voraussetzung für die Genehmigung zur Abwasserverklappung ist. Mit anderen Worten: Sollte eine Überprüfung ergeben, dass die beantragte Maßnahme den bergsicherheitlichen Zweck nicht gewährleisten kann, dann wäre es nicht mehr möglich, die Abwasserverklappung zu genehmigen.

Dem ministeriellen Erlass musste sich das Regierungspräsidium Kassel unterwerfen. Trotzdem weist die Behörde darauf hin, dass auch ohne Überprüfung des „bergsicherheitlichen Zwecks“ ernsthafte Bedenken bestehen, nämlich ob die von der Antragstellerin behauptete Gefahrensituation tatsächlich besteht und ob sie dann nicht auch durch weniger beeinträchtigende Alternativen beseitigt werden könnte:

Allerdings bleiben die in meinem Schreiben geäußerten Zweifel in Bezug auf das im Abschlussbetriebsplan postulierte Vorliegen einer Gefahrensituation für den MSSPF aus dem Querort 23 bestehen. Dies gilt auch für die Frage, warum nicht zur Abwehr der vermeintlichen Gefahr (…) weniger beeinträchtigende Alternativen gewählt werden.“ (RP Kassel a.a.O.) * MSSPF = Markscheidesicherheitspfeiler, Anm. des Autors

Das Regierungspräsidium geht sogar noch weiter. Wenn nämlich von der Antragstellerin beschrieben wird, dass trotz der Verklappung ihrer Abwässer keine Schwächung des Sicherheitspfeilers zu erwarten ist, dann würde dies

Scharfe Kritik an den Antragsunterlagen und an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Antragstellerin – Die Beurteilung durch die Behörde und die Gutachter ist wissenschaftlich vernichtend

Trotz des bereits erheblich eingeschränkten Prüfungsumfangs kann die Genehmigungsbehörde der Verklappung der K+S-Abwässer nicht zustimmen. Sie kommt nach einer „vertieften fachlich-inhaltlichen Überprüfung“ zu dem Schluss, dass „die aktuell vorliegenden Unterlagen nicht geeignet (sind), die Zulassungsfähigkeit der geplanten Maßnahme vollumfänglich zu belegen“. Die Behörde fordert umfangreiche zusätzliche Untersuchungen an und betont, dass auch diese Unterlagen die Genehmigungsfähigkeit des Antrags noch nicht garantieren. Sie beklagt zudem die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Antragstellerin. Die jetzt geforderten weiteren Untersuchungen seien schon seit Jahren verlangt worden, ohne dass die Antragstellerin reagiert habe..

Die über Jahrzehnte von K+S zusammengetragenen Unterlagen seien zwar sehr umfangreich, ließen aber manchmal die notwendige Konsistenz vermissen. Damit sei ihre Überprüfung zumindest erschwert und manchmal auch nicht möglich. Die angestellten Berechnungen seien zwar umfangreich und korrekt, es sei aber zweifelhaft, ob die benutzten Eingangsparameter die Gegebenheiten zutreffend und auch für den ungünstigsten Fall beschrieben.

Das ist in wissenschaftlich-fachlicher Hinsicht ein vernichtendes Urteil. Tatsächlich weisen die Ausführungen der Behörde auf einen Täuschungsversuch hin.

Noch schlimmer: Ein ausreichend dimensionierter Sicherheitspfeiler wurde nur vorgetäuscht

Das externe Beratungsunternehmen DEEP.KBB GmbH war an den umfangreichen Arbeiten zur möglichen Zustimmungserklärung des Landes Hessen beteiligt. Die Gutachter kommen hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des K+S-Antrags zu denselben Schlussfolgerungen wie die Behörde. Das RP Kassel weist jedoch darauf hin, dass die Gutachter die tatsächlichen geologischen Bedingungen im Untersuchungsgebiet nicht vor Ort überprüft haben, sondern nur auf der Grundlage von Akten bewerten konnten.

Neu zugängliche Dokumente haben dann tatsächlich Zweifel aufkommen lassen, ob der Thüringer Bergwerk Springen tatsächlich – wie gefordert und angegeben – durch einen mindestens 200 Meter breiten und „unverritzten“ Sicherheitspfeiler von den hessischen Bergwerken getrennt ist, oder ob diese nur aufgeschüttet wurden. Diese Abmessung von 200 m Dicke wurde als notwendig erachtet, um die in Hessen betriebene „Abfallverwertung“ sowie die Untertage-Deponie Herfa-Neurode vor den Wassereinbrüchen des Bergwerks Springen zu schützen.

Welche Abmessungen hat der Sicherheitspfeiler denn nun? Die Angaben dazu könnten nicht widersprüchlicher sein.

Für die Beurteilung der durch die Einstapelung bedingten Gefahrensituation ist die Kenntnis der Dimensionen aber grundlegend wichtig. So stellt sich uns die Situation dar:

  • Die dem K+S-Antrag beigefügten Grubenrisse zeigen einen Sicherheitspfeiler von durchgehend 200 Meter Stärke.
  • Den Gutachtern von DEEP.KBB GmbH hat K+S mitgeteilt, dass der Sicherheitspfeiler „mindestens 150 Meter breit sei. Dieser Wert werde aber mit 142 bzw. 145 Metern „lokal unterschritten“.
  • Das 1984 beschlossene „Gesetz über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra“ legt fest, dass „in den noch abzubauenden Bereichen Sicherheitspfeiler von je 100 Meter Stärke (…) unverritzt bleiben“ müssen.
  • Im Anhang zu dem Gesetzsentwurf werden die Abgeordneten dann aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „an den Teilen der Markscheiden, an denen bereits Abbau von einer oder von beiden Seiten aus stattgefunden hat, entsprechend den jeweiligen Sicherheitsanforderungen in der Vergangenheit nicht überall Pfeiler von mindestens 100 m Stärke stehen gelassen wurden.“ (Bundesrat Drucksache 258/84, S. 15)
  • Noch nicht einmal die „Unverritzbarkeit“ des Sicherheitspfeilers wurde von der Antragstellerin eingehalten. Die Behördengutachter schreiben: „Im Süden des Betrachtungsraums verritzen zwei Bohrungen („Absenker“) den MSSPF, die von der 1. Sohle des SW-Feldes Springen gestoßen wurden. (…) Eine von beiden durchörtert die Markscheide (…). Es ergibt sich ein horizontaler Abstand von ungefähr 105 m. Es liegen keine weiteren Angaben zum Querschnitt oder zum aktuellen Status der Bohrungen (Verfüllung, Art der Verfüllung) vor. Es könnte an dieser Lokation punktuell eine deutliche Unterschreitung der erforderlichen Pfeilermächtigkeit vorliegen.“

Wir wissen also nicht, welche Maße der Sicherheitspfeiler an der schwächsten Stelle hat.

  • Und: Das RP Kassel und die Behördengutachter wissen es auch nicht, denn sie haben die Situation nicht vor Ort untersucht.
  • Und: Eine vor-Ort-Überprüfung war auch nicht möglich, weil die Umweltministerin den Untersuchungsgegenstand per Erlass eingeschränkt hat
  • und weil Teile des Lagerbereichs aufgrund angeblicher Sicherheitsmängel nicht mehr betreten werden können.

Die Gutachter fassen zusammen:

„Die Richtigkeit dieser Abgaben zu den minimalen Abständen zwischen den Grubenbauen auf thüringischer und hessischer Seite muss hier unterstellt werden, da die beigegebenen risswerklichen Darstellungen keine verlässliche Prüfung durch eine direkte Abstandsmessung im Raum erlauben. (…) Es könnte an dieser Lokation punktuell eine deutliche Unterschreitung der erforderlichen Pfeilermächtigkeit vorliegen.“ (DEEP.KBB GmbH, „Gutachterbericht zu den Antragsunterlagen zur ‚7. Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan Werk Werra Grube Merkers‘ der K+S Minerals and Agriculture GmbH“, 19.07.2022)

Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass nachträglich loses Material an die Pfeiler gefahren wurde, um eine größere Dicke vorzutäuschen und die tatsächlich vorhandenen Mängel und Abweichungen von den Vorgaben zu kaschieren.

Dieses Material hat aber nicht die gebirgsmechanischen Eigenschaften des gewachsenen Gesteins. Die Geheimhaltung der Umweltministerin, die die Gutachter durch einen Erlass von besonders kritischen Aspekten des K+S-Antrags ablenken wollte, lässt vielmehr das Schlimmste vermuten.

Die notwendige Zuverlässigkeit der Antragstellein wurde in Frage gestellt

Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V. hat in ihrem Einspruch gegen den Antrag der K+S AG vorgetragen, dass nach ihrer Einschätzung der Antragstellerin die notwendige Vertrauenswürdigkeit für den Betrieb der Laugeneinstapelung, der Untertageverwertung von Industrieabfällen und der Untertagedeponie Herfa-Neurode nicht unterstellt werden kann. Wir beziehen uns dabei auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen. Aus deren Unterlagen geht hervor, dass das Unternehmen an der Fälschung von Gutachten beteiligt war, um so die Rechtswidrigkeit der gewünschten Genehmigung zur Verpressung von Abwässern in den Untergrund zu kaschieren. An diesen Machenschaften waren auch Beamte des Regierungspräsidiums Kassel und des hessischen Umweltministeriums beteiligt.


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