Die Verhandlungen der Klägergemeinschaft mit der K+S AG sind ohne Ergebnis (für die Anrainer) geblieben, aber das Propagandanarrativ der Kali-Industrie scheint wie geölt zu laufen und Politiker zeigen sich beeindruckt.
von Walter Hölzel
Nur kurz gesagt
■ Die K+S AG hatte beantragt, ihre Produktionsabwässer über eine Rohrleitung an die Oberweser transportieren und dort verklappen zu dürfen. Bei geringerer Wasserführung der Werra können wegen der sonst drohenden Überschreitung der Grenzwerte die Abwässer nicht mehr vollständig in den Fluss geleitet werden. Mit ihrer Verklappung in die Oberweser sollte so der sonst regelmäßige auftretende Entsorgungskollaps in den Werken im Werrarevier vermieden werden. Dieses Vorhaben wurde der Öffentlichkeit als „Entlastung der Werra“ präsentiert.
■ Ursache des Entsorgungsnotstands ist allerdings nicht die Wasserführung der Werra (1), (2), (3), (4). K+S hat es versäumt, den Salzabstoß in ausreichendem Maß zu senken und die systembedingten Havarien (aufsteigendes Salzwasser als Folge der Laugenverpressung, Versickern von Haldenlaugen) zu sanieren. Keine der von K+S stattdessen bevorzugten Maßnahmen konnte den Entsorgungsnotstand beenden. Die „temporäre Nutzung“ der Gerstunger Mulde, die „Zwischenstapelung“ von Haldenlaugen in der Grube Springen II, der LKW-Transport von Haldenlaugen an die Werra, die Abwasserpipeline für Haldenlaugen von Neuhof-Ellers an die Werra, das „360-Mio. Euro-Maßnahmenpaket zum Gewässerschutz“, die vermehrte Aufhaldung von Salzrückständen, die Flutung stillgelegter Bergwerke und Gaskavernen in Norddeutschland, die Salzrückstandshalden als „temporäres Wertstofflager“, die „Neue Integrierte Salzlaststeuerung“, der Bau von zusätzlichen Stapelbecken, die „KKF-Anlage“ – sie alle haben nicht geholfen, sondern häufig neue Engpässe verursacht und mussten deshalb auch als Not- und Zwischenlösungen versagen.
Für dieses Bündel an Maßnahmen will K+S 800 Mio. Euro aufgewandt haben (5). Für diese Summe hätte das Unternehmen auch eine sorgen- und abstoßfreie Produktion haben können (6), (7). Damit hätte man den Energiebedarf senken und die Verschwendung von Rohstoffen beenden können.
■ Die K+S AG will jetzt die Produktionsabwässer im Werrarevier durch Einstapeln in aufgelassene Bergwerksstollen beseitigen (8), (9), (10), (11). Das Vorhaben wird von Experten als riskant angesehen, weil notwendig ablaufende chemische Reaktionen an der Oberfläche der Stützpfeiler deren Tragfähigkeit vermindern werden und so die Bergsicherheit gefährden können (12), (13). Die Entsorgungsprobleme der K+S AG sehen wir wieder einmal nicht behoben, sondern nur verschoben. Das Risiko bleibt bei den Anrainern der Werra und der Untertageponie Herfa-Neurode.
■ Trotzdem hat die Weser-Ministerkonferenz die von K+S geplanten Maßnahmen als ausreichend angesehen, um das Unternehmen nicht auf den Bau einer Oberweserpipeline zu verpflichten. Dieser Entsorgungsweg war wegen der drohenden Verletzung des Verschlechterungsverbots in der Oberweser rechtlich ohnehin fragwürdig und die Pipeline hätte bis 2021, also bis zum Auslaufen des jetzt gültigen Bewirtschaftungsplans, auch nicht mehr realisiert werden können. K+S kann sich die erheblichen Baukosten nun ersparen. (14)
■ K+S verlangt jetzt zusätzlich, dass die für 2022 vereinbarte Senkung von Grenzwerten in der Werra wieder rückgängig gemacht wird (15), (16). Dem konnte die Weser-Ministerkonferenz noch nicht zustimmen, denn sonst wäre die Grundlage für die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens 2012/4081 durch die EU-Kommission entfallen.Es gibt andere Wege: 2015 hatte die hessische Genehmigungsbehörden bis zum Auslaufen des Bewirtschaftungsplans 2009-2015 gewartet, bevor sie die 2012 schon einmal verfügte Senkung von Grenzwerten in der Werra wieder rückgängig gemacht hat. Dies scheint ein erprobter Weg zu sein, europäische Richtlinien auszuhebeln, die EU-Kommission das Manöver damals akzeptiert.
■ Die von K+S angekündigten Maßnahmen betreffen nur ihre Produktionsabwässer, nicht aber die Haldenlaugen. Deren Menge soll sich wegen der Verdoppelung der Rückstandshalden auf bis zu 4,2 Mio. cbm/Jahr ebenfalls verdoppeln und sie sollen weiterhin in die Werra eingeleitet werden. Deshalb kann sich dort und auch in der Oberweser der biologische Zustand der Flüsse nicht verbessern (17). Der „gute ökologische und chemische Zustand“ als Qualitätsziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie wird nicht angestrebt. K+S verspricht stattdessen, bis 2028 in der Weser „Süßwasserqualität“ zu erreichen (18). Dieser Begriff ist nicht definiert und ermöglicht keine Aussage über die Qualität eines Gewässers, er wird deshalb in der Wasserrahmenrichtlinie nicht erwähnt. Der Begriff ist allenfalls geeignet, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. K+S hat die Möglichkeit angedeutet, den Anfall von Haldenlaugen verringern zu können, indem sie die Halden abdecken. Eine Haldenabdeckung ist bisher aber weder technisch noch wirtschaftlich als Möglichkeit nachgewiesen. Sie kann nicht ersthaft diskutiert werden, auch weil sie ohnehin erst im Jahre 2075 und damit 30 Jahre nach Einstellung der Kaliproduktion realisiert sein soll (19).
■ Deshalb muss man die seit 2017 stattfindenden Verhandlungen der Klagegemeinschaft der Werra-Weser-Anrainer mit der K+S AG als ergebnislos ansehen (20), (21), (22). Die oben beschriebenen Maßnahmen gehen nicht über das hinaus, was K+S schon 2014 im „Vierphasenplan“ mit dem Land Hessen vereinbart hatte. Der „Verhandlungsfrieden“ hat der Klagegemeinschaft aber die Möglichkeit genommen, ihre Interessen gegenüber der EU-Kommission zu vertreten (23). Sie musste tatenlos zusehen, als die Kommission das von der Klagegemeinschaft selbst initiierte Vertragsverletzungsverfahren eingestellt hat, ohne ihr rechtliches Gehör zu geben (24).
Anmerkungen
- Pressemitteilung der K+S AG vom 13.08.2019
- https://www.mdr.de/thueringen/west-thueringen/wartburgkreis/kpluss-zwischenspeicher-werra-unter breizbach-100.html
- https://www.hessenschau.de/wirtschaft/nach-produktionsstopps-im-hitzesommer-ks-lagert-salzab waesser-700-meter-unter-der-erde-ein,kali-speicher-untertage-100.html
- W.Hölzel/WWA, „Klimaschutz durch Werraschutz“, Salzblog 36, 03. Juni 2019
- HNA 18.05.2017, „Keine Alternative zu Halden“
- H. Marx et al. (K-UTEC AG), „Überlegungen zur Aufbereitung der Abstoßlösungen des Werkes Wer ra“, Vortrag zur 23. Sitzung des Runden Tisches, 21.01.2014. Der Vorsitzende des Runden Tisches, der ehemalige Hochschullehrer der Universität Kassel, Prof. Brinckmann, hatte diesen Vortrag da mals nicht zugelassen. Stattdessen sollte auf seinen Antrag der Runde Tisch feststellen, dass keine technischen Möglichkeiten für eine abstoßfreie Produktion zur Verfügung stünden. Der Antrag muss te zurück gezogen werden.
- Umweltbundesamt, „Versalzung von Werra und Weser – Beseitigung der Abwässer aus der Kaliproduktion mittels „Eindampflösung“, Oktober 2014
- W.Hölzel/WWA; „Das hat (K+S)-Methode“, Salzblog 34, 25. Mai 2019
- https://www.pressebox.de/inaktiv/ks-aktiengesellschaft/Zwischenspeicher-fuer-Salzabwasser-geneh migt-K-S-Produktion-wird-robuster-gegen-Trockenheit/boxid/968703
- https://www.fr.de/rhein-main/alte-grube-abwasserspeicher-12911147.html
- https://www.hessenschau.de/wirtschaft/nach-produktionsstopps-im-hitzesommer-ks-lagert-salzab waesser-700-meter-unter-der-erde-ein,kali-speicher-untertage-100.html
- W.Hölzel/WWA, „Jedes Salzbergwerk wird einmal absaufen“, Salzblog 42, 18. Juli 2019
- Ralf E. Krupp, Offener Brief: Versalzung der Werra und Weser, riskante Einstapelung von Kaliab wässern in ehemaligen Kalibergwerken, 30.07.2019
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Weserkonferenz verzichtet auf Oberweserpipeline:
- https://www.mdr.de/thueringen/west-thueringen/wartburgkreis/bund-kritisert-forderung-von-kalikon zern-100.html
- https://www.fr.de/rhein-main/alte-grube-abwasserspeicher-12911147.html
- W.Hölzel/WWA, „Vertraut unseren Plänen, wir bauen auf Sand“, Salzblog 33, 06. Mai 2019
- https://www.fr.de/rhein-main/alte-grube-abwasserspeicher-12911147.html
- W. Hölzel/WWA, „Oberweserpipeline – kein Grund zum Optimismus“, Salzblog 40, 04. Juli 2019
- W.Hölzel/WWA, „Außer Spesen nichts gewesen“, Waterkant 4/2018, S. 31 f.
- W.Hölzel, „Die Werra soll auf der Strecke bleiben – und die Weser auch“, Salzblog 32, 18.März 2018
- W.Hölzel/WWA, „Der ‚Kasseler Umweltfrieden‘ – Ohne Speck auf Mäusefang“, Salzblog 25, 19. Sep tember 2019
- W.Hölzel/WWA, „Der EuGH zeigt: die EU-Kommission ist fehlbar. Und: sie ist korrigierbar“, Salzblog 39, 20. Juni 2019
- W.Hölzel/WWA, „Gewässerverunreinigung und Wettbewerbsvorteile – Auf dem Salzauge blind?“, Salzblog 43, 26. Juli 2019