„Jedes Salzbergwerk wird einmal absaufen“

In der Schweiz leben die Bürger sicherer – Unter dem Titel „Zeitbomben im Untergrund“ berichtet der SWR über die Gefahren der „Untertageverwertung“ von Industrieabfäl­len

von Walter Hölzel

Kurz gesagt

■ Die K+S AG lagert hochgiftige und wassergefährdende Industrieabfälle in ihren Stollen ein. Angebl­ich handelt es sich dabei um eine „Verwertung“ der Abfälle, weil ihre Einlagerung die Bergsicherheit ge­währ­l­eisten soll. Die K+S AG vermeidet es allerdings, die Bergsicherheit im Werrarevier mit den eigenen Ab­fällen herzustellen.

■ Im Jahre 2008 hatte der Verwaltungsgerichtshof Versailles die Einlagerung französischer Industrie­abfälle in den Bergwerken im Werrarevier untersagt, weil es in der dortigen Behandlung der Abfälle keine Verwertung erkennen könne und weil der K+S AG genug eigene Abfälle für die Herstellung der Bergsicher­heit zur Verfügung stünden. Diese müssten vorrangig eingesetzt werden. Die Verwendung von Rauchgas­rückständen sei für diesen Zweck „weniger geeignet“.

■ Die Schweiz setzt bei der Abfallbeseitigung auf das „worst case scenario“. Dort wird die Einlagerung von Rauchgasrückständen in Salzbergwerken nicht gestattet, weil „jedes Salzbergwerk einmal absaufen wird“.

Aus „Abfall zur Beseitigung“ wird „Abfall zur Verwertung“

Die HNA berichtet, dass die K+S AG in ihren Bergwerken im Bereich Wintershall jährlich eine Million Tonnen Filterstäube aus der Müllverbrennung einlagert (1). Sie spricht dabei – wie die K+S AG auch – von „Abfallver­wertung“ und vermeidet den Begriff „Abfallbeseitigung“.

Diese Unterscheidung ist wichtig, denn eine „Beseitigung von Abfällen“ ist in den Bergwerken nicht gestattet. Dazu sind wesentlich höhere Sicherheitsstandards vorgeschrieben, wie z.B. in der weltweit größten Unterta­gedeponie für besonders überwachungsbedürftige Abfälle in Herfa-Neurode, die ebenfalls zu K+S gehört. Trotz der hö­heren Sicherheitsstandards hat es in Herfa Neurode im Herbst 2016 ge­brannt. Zum Glück konn­te der Brand nach einigen Monaten er­stickt wer­den. Ein Brand in einer französi­schen Untertagedeponie hat­te einige Jah­re zu­vor die umliegen­den Berg­werke unbetretbar gemacht. Sie mussten ebenso geschlossen werden wie die havarierte Untertagedeponie. Selbst solche „be­sonders überwachten“ Un­tertagedeponien sind offenbar nicht sicher genug für giftige Abfälle.

Die bei K+S angelieferten Aschen und Filterstäube sind ohne Zweifel „Abfälle zur Beseitigung“, denn sie ent­halten große Mengen an Schwermetallen und Dioxinen. Es muss für alle Zeiten ausgeschlossen werden, dass sie in die Biosphäre gelangen. In den Bergwerken der K+S AG vollzieht sich nun die geheimnisvolle Umwandlung von Wasser in Wein: aus überwachungsbedürftigen „Abfällen zur Beseitigung“ werden „Abfälle zur Verwertung“. Angeblich, um Berg­senkungen zu verhindern, werden die Abfälle als Füllmaterial „verwer­tet“. Die Verwandlung bezieht sich al­lerdings nur auf die rechtliche Einstufung, denn die chemischen Eigen­schaften der Abfälle bleiben unverän­dert. Sie sind weiterhin giftig und wassergefährdend und auch die Berg­werke sind durch die juritische Ver­wandlung nicht si­cherer geworden.

Französische Gerichte erkennen die Verwertungsfiktion nicht an

Im Jahre 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof Versailles die Verbringung von Aschen und Filterstäuben aus französischen Abfalllverbrennungsanlagen in die Bergwerke der K+S AG untersagt. Die Südthüringer Zei­tung schrieb am 10.01.2008 („Französisches Gericht stoppt Müllexport an die Werra“):

Die Geschichte beginnt in Thiverval-Grignon in Nordfrankreich. Dort wird Müll verbrannt. Aber nicht restlos. Denn in der Rauchgasreinigung der Müllverbrennungsanlage (MVA) fallen giftige Rückstände an. Wohin also mit den Abfällen? Die Antwort des Zweckverbandes, der die MVA betreibt: Ins Kalibergwerk im hessischen Hattorf.

Zwar ist in der EU die Beseitigung von Müll per Export nicht erlaubt, aber weil die Abfälle in Hat­torf im Bergversatz zur Verhinderung von Geländesenkungen eingesetzt werden, sei es keine Beseitigung, sondern eine Verwertung, argumentierte der Betreiber. Schließlich sähen die deut­schen Behörden das Kalibergwerk Hattorf als Verwertungszentrum.

Doch die zuständige französische Behörde beurteilte das anders und verweigerte die Genehmi­gung des Exportes der Rauchgasreinigungsabfälle. Der Fall landete zunächst beim Verwal­tungsgericht und schließlich beim Verwaltungsgerichtshof, der in letzter Instanz der Behörde recht gab: Unzulässig! Der Export der Rückstände könne nicht als Verwertung im juristischen Sinne bezeichnet werden.

Die Richter folgen der Argumentation des französischen Umweltministers und der Umweltver­bände. Diese hatten argumentiert, die an den Kalistandorten vorhandenen Rückstandshalden müssten beim Bergversatz Vorrang haben. Um Geländesenkungen zu verhindern, seien die Rauchgasrückstände aufgrund ihrer Giftigkeit weniger geeignet. Eine EU-Richtlinie vom März 2006 hatte festgelegt, dass Abfälle des Bergbaus zur Verwertung als Versatzmaterial für die im Bergbau entstandenen Hohlräume geeignet seien. Außerdem zeigten die von K+S vorgelegten Dokumente, dass sie den Standort Hattorf als Beseitigungsanlage betreibt. Die Verhinderung der Risiken der Geländesenkungen sei nur ein zweitrangiger Grund“.

Der Geologe und Geochemiker Dr. Ralf Krupp fasste die Bedeutung des Urteils zusammen (02.01.2008):

  • Durch das Urteil wurde letztinstanzlich und rechtskräftig festgestellt, dass Frankreich die um­fangreichen Entsorgungsmaßnahmen von MVA-Abfällen in deutschen Kalibergwerken als Be­seitigung betrachtet. Somit ist die Ausfuhr der MVA-Abfälle aus Frankreich zu diesem Zweck nicht mehr zulässig.
  • In der Begründung ist der Gerichtshof dem Umweltminister und den Umweltverbänden gefolgt, indem es eine vorrangige Verwertung der an den Kalistandorten vorhandenen Rück­standshalden als angemessen ansieht, um den Zweck des Bergversatzes, nämlich die Verhin­derung von Geländesenkungen, zu erreichen. Rauchgasrückstände seien zu diesem Zweck aus verschie­denen angeführten Gründen weniger geeignet.“

„Jedes Salzbergwerk wird einmal absaufen“

Die Betreiber von Versatzbergwerken betonen die Langzeitsicherheit ihrer Gruben häufig mit dem Argument, die Lagerstätte sei schließlich „seit Jahrmillionen“ vom Wasser abgeschnitten und absolut trocken, Wasser­einbrüche könnten deshalb ausgeschlossen werden. Dem kann man entgegenhalten, dass „vor Jahrmillion­en“ noch niemand Schächte durch Grundwasser führende Schichten bis in die Lagerstätte gebohrt hat. Seit dies aber geschieht, also seit Beginn des untertägigen Salzbergbaus, ist eindringendes Wasser das größte Sicherheitsproblem für die Gruben. Davon ist auch die „Untertageverwertung“ betroffen.

Solche Bergwerke müssen aus Sicherheitsgründen aufgegeben werden, häufig saufen sie ab, wie dies Bei­spiele auch aus Thüringen, Hessen und Niedersachsen zeigen. Es ist weltweit noch nie gelungen, Wasser­einbrüche in Salzbergwerken zu beherrschen. Muss ich das Beispiel der Grube Asse II noch einmal anfüh­ren?

Dass nicht nur alte, sondern auch moderne Bergwerke absaufen können, zeigt ein Dokumentarfilm der Rei­he „Odysso – Wissen im SWR“ mit dem Titel „Zeitbomben im Untergrund“ (2). Er ist (noch) in der Mediathek aufrufbar. Aber beeilen Sie sich, denn das ZDF musste einmal einen K+S-kritischen Film aus der Media­sthek entfernen… Wenn Sie diese Dokumentation gesehen haben, kann ich das Schreckbild eines absau­fenden und mit Industriemüll gefüllten Salzbergwerks in der direkten Nähe zur Werra Ihrer Phan­tasie über­lassen.

Auch im Werrarevier gibt es ein Bergwerk, das wegen Wassereinbrüchen aufgegeben werden musste, die Grube Springen II. Sie hat durchgängige Verbindungen zu allen Bergwerken der K+S AG, also auch zu den Versatzbergwerken und der Untertagedeponie Herfa-Neurode (3). Die Genehmigungsbehörden gehen davon aus, dass die Verbindungswege im Notfall geschlossen werden können. Im Notfall kann man sich ja bei den Betreibern der absaufenden Grube Asse II erkundigen, wie das zu machen ist….

Tatsache ist: für kein existierendes Salzbergwerk kann eine Sicherheitsgarantie abgegeben werden. Viel­mehr müssen wir davon ausgehen, dass jedes Salzbergwerk wird einmal absaufen wird (2).

In der Schweiz leben die Bürger sicherer – Nicht das „Hoffnungs­prinzip“, sondern ein „worst case scenario“ dient als Entschei­dungsgrundlage

Die Prognos AG, ein Beratungsunternehmen aus der Schweiz, hat ein Gutachten für die Perspektiven der Untertageverwertung (UTV) für Abgasrückstände in Deutschland erstellt (4). Die Autoren kommen zu folgen­der Bewer­tung:

Zudem bestehen zu den sonstigen Entsorgungswegen günstige Voraussetzungen der Verbrin­gung von AGR-Rückständen unter Tage auch im Bereich des Ressourcen-/Flächen- und Ener­gieeinsatzes, der Ener­gieeffizienz und bei den, gemessen am hohen Nutzen der Verfahren, sehr akzeptablen Entsorgungskos­ten“.

Mit wenigen Worten: die Untertageverbringung der Abgasrückstände ist der billigste Entsorgungsweg. Das gilt natürlich nur dann, wenn man die Risiken für die Anwohner nicht berücksichtigt.

Ausgerechnet im Heimatland des Beratungsunternehmens Prognos, der Schweiz, will man diese Risiken den Bürgern nicht zumuten. Statt sich dem Hoffnungsprinzip zu überlassen („es wird schon nichts passieren solange ich im Amt bin“) hat man sich gefragt: Was kann passieren und sollen die Bürger dies hinneh­men müssen? Das Ergebnis war eindeutig: in der Schweiz wird die Untertageverbringung von Rauchgasrückstän­den nicht gestattet (2). Es kann durchaus von Vorteil sein, nicht in einem EU-Mitgliedstaat zu leben… (5), (6), (7).

Anmerkungen

  1. https://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/heringen-ort56535/heringen-k-s-verwertet-sondermuell-in-grube-wintershall-12821016.html
  2. https://swrmediathek.de/player.htm?show=30009050-a2e3-11e9-a7ff-005056a12b4c
  3. Prognos AG, Endbericht – Bewertung der mittel- bis langfristigen Perspektiven von UTV und UTD in Deutschland für die Entsorgung von Abgasreinigungsrückständen, für den Verband der Kali- und Salzindustrie e.V. (VKS) sowie (den) Verband Bergbau, Geologie und Umwelt e.V. (VBGK), 30.03.2012, S. 231
  4. Der Spiegel, 5/1993, S. 103
  5. W.Hölzel/WWA, Ein Feldzug gegen die Umwelt, Salzblog 33, 01.05.2019
  6. W.Hölzel/WWA, Danke für die Klatsche, Salzblog 39, 20.06.2019
  7. W.Hölzel/WWA, Revision der Wasserrahmenrichtlinie, Salzblog 41, 13.07.2019

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