„We Feed the world“ war lange ein Werbeslogan des Düngemittelherstellers K+S, wohl eine Anspielung darauf, dass man mit Kalidünger den Ernteertrag steigern kann. „We Feed the World“ hat auch der Saatguthersteller Monsanto genutzt, der mit Hybridsaatgut Bauern in Abhängigkeit gebracht und seine Interessen rigoros durchgesetzt hat. Wir fühlen uns nach sechzehnjähriger Beschäftigung mit der Entsorgungspraxis der K+S AG eher überfüttert mit den Fehlinformationen, mit denen das Unternehmen K+S seine Entsorgungspraxis zu rechtfertigen versucht.
Eigentlich, so dachten wir, müssen wir uns damit nicht mehr beschäftigen, schließlich ist es uns immer wieder gelungen, entsprechende Aussagen des Unternehmens als falsch und interessegeleitet zu entlarven. Aber es gibt einen Anlass: Die Fuldaer Zeitung, stark beschäftigt mit Berichten über die geplante Abdeckung der K+S-Rückstandshalde bei Neuhof.Ellers, hat in einem fiktivem Frage-und-Antwort-Spiel die relevanten Aussagen des Unternehmens zusammen zu fassen versucht:
Fuldazeitung 30.3.2023, Ein Viertel der Abwässer kommt aus Neuhof, Fragen und Antworten zur angestrebten Reduzierung der Salzlauge von der Kalihalde
Mangel an zutreffenden Argumenten oder Unternehmenskultur?
Wir wissen nicht, wer sich die dort veröffentlichten Fragen und Antworten ausgedacht hat, aber die Anworten sind uns wohl bekannt. Wir kennen sie, ebenso wie die bundesweit betroffenen Bürgerinitiativen, aus dem Werkzeugkasten der K+S-Kommunikationsabteilung. Dass sie immer noch wiederholt werden, kann man vielleicht auf die nicht vorhandene wissenschaftliche Kompetenz der Kommunikations-Mitarbeiter zurückführen – wenn man nicht unterstellen will, dass K+S mangels zutreffender Argumente ihre Interessen auch mit Falschdarstellungen vertreten will. Bedauerlich ist, wenn die Fuldaer Zeitung die K+S-Angaben offenbar ungeprüft weitergibt. Hier fehlt uns zumindest der inzwischen üblich gewordene Zusatz „Die Angaben konnten nicht überprüft werden“.
Bedauerlich ist auch, dass dieselbe Zeitung den betroffenen Bürgern nur Emotionalität unterstellt:
FZ, 02.04.2023, Der Kaliberg als Gretchenfrage: Fragen und emotionale Statements zu Haldenabdeckung und Kali-Bergbau, https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/bergbau-neuhof-fragen-und-emotionale-statements-zu-haldenabdeckung-und-kali-92186014.html
Entsorgungskosten nicht bekannt?
Entlarvend ist schon die Behauptung, die Entsorgungskosten für die in die Werra eingeleiteten Salzabwässer könnten nicht „pauschal“ angegeben werden, weil sie von der Wasserführung der belasteten Flüsse abhänge. Aber eine „genaue“ Angabe wäre doch wohl möglich? So entsteht der Eindruck, dass die Entsorgungskosten angesichts der Gewinne lächerlich gering sind und besser verschwiegen werden sollten. Die K+S-Entsorgungspraxis zeichnet sich ja dadurch aus, dass die vermiedenen Kosten bei den betroffenen Anrainern anfallen:
Haldenwässer werden nicht reduziert,
zumindest verweist K+S (und die FZ) nur auf „Versuche“ mit „Membrandestillationsprozessen“. Dieses Verfahren befindet sich tatsächlich noch in der Versuchsphase und es ist bis heute nicht klar, ob es großtechnisch sinnvoll eingesetzt werden kann. Es ist auch nicht geeignet, Salz von Wasser zu trennen, es ist bestenfalls in der Lage, unter Energieeinsatz (!) konzentrierte und weniger konzentrierte Salzlaugen zu produzieren. Deshalb hat die K-UTEC AG vorgeschlagen, für die Aufarbeitung der Haldenlaugen aus Neuhof (!) die bewährte fraktionierende Vakuumdestillation zu verwenden. Der Vorschlag wurde von Prof. P. Quicker (RWTH Aachen) überprüft und in wirtschaftlicher und energietechnischer Hinsicht als brauchbar eingestuft:
H. Marx et al., Überlegungen zur abstoßreduzierten bzw. abstoßfreien Produktion von Salzen, Runder Tisch 18.09.2012, https://bit.ly/3bLceYL
P. Quicker, RWTH Aachen, „Entsorgung von Kaliabwässern durch Eindampfen. Evaluierung eines alternativen Entsorgungsszenarios für Kaliabwässer der K+S Kali GmbH, Juli 2013“, https://bit.ly/3H0cxgs
Dieses Verfahren ist Stand der Technik in der Kali-Industrie und K+S verwendet es selbst. Im dem kanadischen Werk der K+S AG dient es der Gewinnung von Kalidünger aus den dortigen Solen. Was dort nicht „zu energieintensiv“ ist, das kann doch wohl auch in Deutschland „ökologisch vertretbaren Verfahren“ sein, „um die Haldenabwässer aufbereitungstechnisch zu reduzieren“?
„Behördenverbindlich“ – auf ausdrücklichen Wunsch der K+S AG
K+S gibt (über die Fuldaer Zeitung) zu verstehen, dass die Dickschichtabdeckung der Halde in Neuhof-Ellers eine behördenverbindliche Auflage des aktuellen Bewirtschaftungsplans für die FGE Weser sei. Sie vergisst aber zu erwähnen, dass dies ihr eigener Wunsch gewesen ist.
Aus den Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir, dass sich die K+S AG mit der hessischen Umweltministerin darauf geeinigt haben, den „Vierphasenplan“ der Ministerin zur Grundlage der Bewirtschaftungspläne zu machen. Er zielt darauf ab, die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie auszusetzen, um dem Unternehmen eine abstoßfreie Produktion und den Rückbau der Halden zu ersparen. Er setzt ein von der K+S AG beauftragtes Rechtsgutachten um, das einen Weg zur Aushebelung der Richtlinie erarbeitet hatte:
W. Hölzel/WWA, Die Flüsse Werra und Weser als „Opfergebiete außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie“, 26.02.2022, S. 4-12
M. Reinhardt, Februar 2015, „Rechtsgutachten: Wasserrechtliche Anforderungen an eine dauerhafte Lösung für die Salzwasserproblematik in Werra und Oberweser – Zum Vierphasenplan des Landes Hessen und der K+S AG“,
K+S-Gutachten: Wissenschaftlich nicht haltbar
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie verlangt, dass die Gewässer der Mitgliedsstaaten bis 2015, spätestens bis 2027 qualitativ verbessert werden. Die Gewässerqualität ist messbar; die Richtlinie definiert dazu 5 Qualitätsstufen, die wissenschaftlich hervorragend hinterlegt sind. Die Werra ist in die schlechteste Stufe „5=schlecht“ eingeteilt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, es gibt keine qualitative Verbesserung im Fluss. Wenn K+S (und die FZ) nun mitteilen, „Die Artenvielfalt im Werra und Weser hat sich im Vergleich zur Zeit vor dem Jahre 2000 durch die Verringerung der Salzkonzentrationen in den Flüssen deutlich verbessert: Diese positiven Entwicklungen werden schon seit vielen Jahren durch umfangreiche gewässerbiologische Untersuchungen dokumentiert.“, dann kann etwas nicht stimmen.
Tatsächlich hat der Gewässerökologe Prof. U. Braukmann (Uni Kassel) festgehalten, dass die diesbezüglichen Aussagen der K+S-Gutachter wissenschaftlich nicht haltbar sind. Und: Die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG), die in demselben Zeitraum fischerereibiologische Untersuchungen in der Werra durchgeführt hat, muss „eine Verschlechterung auf schlechtestem Niveau“ feststellen.
W. Hölzel/WWA, Die Flüsse Werra und Weser als „Opfergebiete außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie“, 26.02.2022, S. 29-35
Deshalb kann der K+S-Sprecher auch wahrheitsgemäß (!) feststellen, dass es keine Hinweise auf Artensterben in der Werra gibt. Das Artensterbem hat nämlich schon vor Jahrzehnten stattgefunden und seitdem ist im salzbelasteten Teil der Werra die Süßwasserlebensgemeinschaft ausgestorben.
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