Die Fuldaer Zeitung befasst sich seit einigen Monaten mit den Plänen des Bergbauunternehmens K+S, nämlich der Rückstandshalde in Neuhof-Ellers mit einer Dickschicht aus belasteten Abfällen eine weitere Altlast hinzuzufügen. Die Zeitung zitiert Aussagen von lokalen Landtagsabgeordneten und stellt Einigkeit fest: „K+S stehe in der Verantwortung, eine Lösung für die salzhaltigen Abwässer finden.“
Nun hat das Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten seine Probleme immer selbst gelöst und die hessische Landesregierung und der Landtag waren immer Teil der „Lösung“, indem sie auch rechtswidrige Erlaubnisse erteilt bzw. toleriert haben. Es lohnt sich also, die „Ablehnung“ der Abgeordneten genauer zu betrachten.
Wer sind hier die „Lager der Landespolitik“?
Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass die Fuldaer Zeitung mit den „Lagern der Landespolitik“ nicht die im Landtag vertretenen Parterien meinen kann, denn zumindest werden Vertreten der Linken nicht erwähnt, die in den letzten Jahrzehnten die Umweltpolitik der hessischen Landesregierungen kritisch begleitet haben. CDU, SPD, FDP und B’90/Die Grünen haben dagegen nach unseren Erfahrungen die Interessen der Anrainer regelmäßig diffamiert, man kann sie eher als das „Salzlager“ des Landtags bezeichnen. „Umweltpolitik nach Gutsherrenart“ haben niedersächsische Abgeordnete die rücksichtslose Durchsetzung lokaler hessischer Interessen in der Flussgebietseinheit Weser genannt.
Das ist weniger ein parteipolitisches als vor allem ein hessisches Problem, denn andere Abgeordnete haben nicht so rigoros und einseitig die Interessen der Kali-Industrie vertreten.
Bundestagsabgeordnete der SPD („Weser-Abgeordnete“) haben sich für die Interessen der Flussgebietsanrainer eingesetzt. Der niedersächsische Landtag hat sich auf Antrag der SPD mit mehreren Beschlüssen gegen die Entsorgungspraxis der K+S AG gewandt und die CDU-Fraktion in Düsseldorf hat in einer öffentlichen Anhörung die K+S-Argumentation entlarvt. Das lesenswerte Protokoll der Anhörung finden Sie hier: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA16-733.pdf).
Die dortige Landesregierung hat ein Rechtsgutachten beauftragt, das sich mit der Rechtswidrigkeit des „Vierphasenplans“ der hessischen Umweltministerin Priska Hinz befasst hat (S.Laskowski, R.Verheyen, „Rechtsgutachten: Weser- und Werra-Versalzung – Vereinbarkeit der Vorschläge Hessens an die FGG Weser mit europäischem und deutschem Wasserrecht“, 26.01.2015, abrufbar unter https://ia601605.us.archive.org/30/items/gutachten-laskowski-verheyen-2015/Gutachten%20Laskowski_Verheyen%202015.pdf
Im Hessischen Landtag aber hat die Kritik der Abgeordnetenkollegen aus den Unterlieger-Ländern keinen Anklang gefunden. Im Gegenteil: In der Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) hat sich die dortige Mehrheit der bündnisgrünen Umweltminister unter der Führung von Priska Hinz gegen die Interessen der Unterlieger durchgesetzt. Das politische Überleben ihrer Partei- und Ministerkollegin Priska Hinz war ihnen wohl wichtiger als einer der größten Umweltskandale der Bundesrepublik.
Hat sich daran etwas geändert? Wollen sich die lokalen Landtagsabgeordneten jetzt mit guten Argumenten auf die Seite der Anwohner stellen oder versuchen sie nur, den Wahlkampf zu überstehen? Mal sehen:
Haben die Abgeordneten die Problematik der Rückstandshalden erkannt?
Grundsätzlich dürfen Bergbaubetriebe ihre Abfälle auch auf der Erdoberfläche ablagern. Dabei müssen aber die Vorgaben des Abfall- und Deponierechts beachtet werden. Das ist bei den Rückstandshalden der K+S regelmäßig nicht der Fall, wenn Abfallstoffe von dort in die Umwelt gelangen:
Die Halden der Kali-Industrie sind vor allem deshalb problematisch, weil ihre Abwässer in den Untergrund eindringen und in die Vorfluter gelangen. Damit verstößt die K+S- Abfallentsorgung nicht nur gegen das Abfallrecht, sondern auch gegen das Verschlechterungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Der Betrieb der K+S-Rückstandshalden ist deshalb rechtswidrig, unabhängig von der Menge der abgestoßenen Haldenlaugen.
Daran ändert auch eine Haldenabdeckung nichts. Es ist weltweit kein Abdeckungsverfahren bekannt, das langfristig standfest und hinreichend wirksam wäre, um die oberirdische Aufhaldung von Abfallsalzen rechtskonform zu machen:
Für die Abgeordneten von CDU, SPD, FDP und B’90/Die Grünen im hessischen Landtag war aber die Rechtswidrigkeit von Erlaubnissen, die der K+S AG erteilt worden sind, bislang kein Problem. Sie haben ihre Pflicht, die Landesregierung zu kontrollieren, im Falle der K+S AG nicht wahrgenommen. Daran hat sich auch nichts geändert, als die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen ergeben haben, dass die Rechtmäßigkeit der Genehmigung zur Verpressung von Abwässern mit der Verfälschung von Gutachten vorgetäuscht werden musste:
Die Mediationsverfahren: Außer Spesen nichts gewesen
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, dass es technisch keinerlei Möglichkeit gebe, den Salzabstoß der Kali-Industrie zu verringern, ohne die Betriebe in Deutschland zu vernichten. Alternativen für eine weniger umweltvernichtende Produktion von Kalidünger habe man angeblich nicht gefunden. Auch rechtlich sei es geboten, die von der Kali-Industrie und den Behörden geschaffenen Tatsachen zu akzeptieren. Diese Ziele haben verschiedene Mediationsverfahren verfolgt:
- Pilotprojekt Werra-Salzabwasser, 2005-2007
- Runder Tisch Werraversalzung 2008 – 2014
- Kasseler Umweltfrieden 2018-2020
Diese „Mediationsverfahren“ haben sich uns ohne Ausnahme als Täuschungsversuche erwiesen. Sie waren aber insoweit erfogreich, als sie das Unternehmen K+S unter dem Vorwand des „Interessensausgleichs“ vor der öffentlichen Kritik geschützt haben:
Wie stehen die Abgeordneten zur Haldenabdeckung?
Es ist auffallend, dass sich keine(r) der Abgeordneten die Frage stellt, ob die kritisierten Pläne des Kaliherstellers überhaupt rechtmäßig sind und genehmigt werden dürfen – so zumindest in der Darstellung der Fuldaer Zeitung. Die Abgeordneten scheinen nicht erkannt zu haben, dass nicht die Haldenabdeckung das wesentliche Problem ist, sondern die Salzhalden selbst. Sie kritisieren weniger die Ziele des Unternehmens, sondern eher Mängel des Antragsverfahrens – und die betroffenen Bürger:
Sebastian Müller (CDU) bemängelt nach Darstellung der FZ die Qualität der K+S-Planung:
„Alle Alternativen müssen in gleicher Tiefe geprüft werden – am besten im Raumordnungsverfahren. Eine einseitige Fokussierung auf die Dickschichtabdeckung ist nicht richtig. Bisher kamen die Interessen der Betroffenen und die Transparenz in den Planungen von K+S zu kurz“,
zitiert nach FZ vom 19.03.2023
Sebastian Müller kennt auch einige technische Alternativen, wie den Versatz oder die Aufarbeitung der Rückstände. Was aber, wenn die Landesregierung trotz der geforderten Transparenz und trotz umfangreicher Alternativenprüfung wieder im Sinne der K+S-Interessen und damit rechtswidrig entscheidet? Wird Sebastian Müller dann im Landtag für die Interessen der Anwohner eintreten?
Ähnlich ist es bei der Abgeordneten Sabine Waschke (SPD).
„Erst wenn wirklich ergebnisoffen geplant wird, ist wieder ein Dialog möglich. Die Region und auch ich standen immer hinter K+S, aber jetzt überschreitet der Konzern eine rote Linie, in dem er sich die Halde mit einer Dickschichtabdeckung vergolden lassen will. Wer glaubt denn, dass es bei den jetzigen Plänen bleibt, wenn erst einmal richtig Geld mit dem Müll gemacht wird?“
zitiert nach FZ vom 19.03.2023
Der Abgeordnete Marcus Hofmann (B’90/Die Grünen) kritisiert vor allem die Bürgerinitiative – oder wer sonst könnte nach seiner Meinung für die „täglichen Zuspitzungen“ verantwortlich sein, die seine Besorgnis erregen?
„Die Region hat jahrzehntelang sehr stark wirtschaftlich vom Kaliabbau profitiert und wird dies weiter tun. K+S ist größter Arbeitgeber der Region. Ich verfolge die täglichen Zuspitzungen mit Sorge.“
zitiert nach FZ vom 19.03.2023
Die „Dickschicht“ ist für Marcus Hofmann ohnehin „aktuell die Wirkungsvollste“. Lediglich die vorgesehene Bauzeit von über einhundert Jahren gibt ihm zu denken. Er sagt uns aber nicht, welche Bauzeit er für akzeptabel hält und wie er eine kürzere Bauzeit erreichen will: durch Reduzierung der Abdeckschicht oder durch Erhöhung der stündlichen Lkw-Fahrten?
Ansonsten setzt Marcus Hofmann auf ein weiteres Mediationsverfahren in dem „alle Beteiligten Gehör finden“, als hätten wir davon noch nicht genug gehabt. Der Bürgerinitiative wird es aber darauf ankommen, nicht nur gehört, sondern auch berücksichtigt zu werden.
René Rock (FDP) setzt auf Bürgerbeteiligung und einen Runden Tisch und insbesondere auf Naturverträglichkeit:
„Der Berg sollte langfristig kleiner, nicht größer werden. Im Mittelpunkt sollte die Naturverträglichkeit stehen, nicht die Umwandlung des Bergbaubetriebs in eine Mülldeponie.“
zitiert nach FZ vom 19.03.2023
Da kann man ihm nur zustimmen, denn Umwelt- und Naturschutz sind ohnehin die Ziele der einschlägigen EU-Richtlinien und der deutschen Gesetze. Deshalb müssen sie umgesetzt werden. Wie aber will René Rock erreichen, dass im hessischen Landtag künftig die Gesetze beachtet werden, auch wenn sie den Interessen der K+S AG entgegenstehen?
Die Abgeordneten überzeugen nicht – Die BI wird sich auf sich selbst verlassen müssen
Insgesamt enttäuschen uns die Abgeordneten. Wir können weder ausreichende Sachkenntnis noch den politischen Willen erkennen, sich für die Interessen der Anwohner einzusetzen. Wenn sie sich schon im Wahlkampf einen halbherzigen und inkompetenten Eindruck vermitteln, was erwartet uns dann nach der Wahl? Die „Bürgerinitiative Umwelt Neuhof“ wird sich auf sich selbst verlassen müssen.
Eine „Ablehnung aus allen Lagern der Landespolitik für K+S-Plan“, so die Schlagzeile der Fuldaer Zeitung, können wir nicht erkennen.
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