„Ablehnung aus allen Lagern der Landespolitik für K+S-Plan“ – Tatsächlich?

Die Fuldaer Zeitung beschäftigt sich seit einigen Monaten mit den Plänen des Bergbauunternehmens K+S, der Abraumhalde in Neuhof-Ellers eine weitere Schicht belasteter Abfälle hinzuzufügen. Die Zeitung zitiert Aussagen von lokalen Landtagsabgeordneten und stellt Einigkeit fest: K+S ste­he in der Verantwortung, eine Lösung für die salzhaltigen Abwässer finden.“

https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-ablehnung-lagern-landespolitik-plan-k-und-s-kaliberg-haldenabdeckung-gruene-fdp-cdu-92156548.html

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Unternehmen seine Probleme stets selbst gelöst und die hessische Landesregierung und der Landtag waren immer Teil der „Lösung“, indem sie auch rechtswidrige Genehmigungen erteilt bzw. toleriert haben. Es lohnt sich also, die „Ablehnung“ der Abgeordneten genauer zu betrachten.

Wer sind hier die „Lager der Landespolitik“?

Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Fuldaer Zeitung mit den „politischen Lagern des Landes“ nicht die im Landtag vertretenen Parteien meinen kann, denn zumindest werden Vertreter der Linken nicht erwähnt, die in den letzten Jahrzehnten die Umweltpolitik der hessischen Landesregierungen kritisch begleitet haben. CDU, SPD, FDP und B’90/Die Grünen haben dagegen nach unseren Erfahrungen die Interessen der Anwohner regelmäßig diffamiert, man kann sie eher als das „Salzlager“ des Landtags bezeichnen. „Umweltpolitik nach Gutsherrenart“ haben niedersächsische Abgeordnete die rücksichtslose Durchsetzung lokaler hessischer Interessen im Flussgebiet Weser genannt.

Dies ist weniger ein parteipolitisches als vor allem ein hessisches Problem, denn andere Abgeordnete haben nicht so rigoros und einseitig die Interessen der Kali-Industrie vertreten.

Bundestagsabgeordnete der SPD („Weser-Abgeordnete“) haben sich für die Interessen der Flussgebietsanwohner eingesetzt. Der niedersächsische Landtag hat sich auf Antrag der SPD mit mehreren Beschlüssen gegen die Entsorgungspraxis der K+S AG gewandt und die CDU-Fraktion in Düsseldorf hat in einer öffentlichen Anhörung die Argumentation von K+S entlarvt. Das lesenswerte Protokoll der Anhörung finden Sie hier: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA16-733.pdf).

Die dortige Landesregierung hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das sich mit der Rechtswidrigkeit des „Vierphasenplans“ der hessischen Umweltministerin Priska Hinz befasst hat (S.Laskowski, R.Verheyen, „Rechtsgutachten: Weser- und Werra-Versalzung – Vereinbarkeit der Vorschläge Hessens an die FGG Weser mit europäischem und deutschem Wasserrecht“, 26.01.2015, abrufbar unter: https://ia601605.us.archive.org/30/items/gutachten-laskowski-verheyen-2015/Gutachten%20Laskowski_Verheyen%202015.pdf

Im Hessischen Landtag jedoch hat die Kritik der Abgeordnetenkollegen aus den Unterlieger-Ländern keinen Anklang gefunden. Im Gegenteil: In der Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) hat sich die dortige Mehrheit der grünen Umweltminister unter der Führung von Priska Hinz gegen die Interessen der Unterlieger durchgesetzt. Das politische Überleben ihrer Partei- und Ministerkollegin Priska Hinz war ihnen wohl wichtiger als einer der größten Umweltskandale der Bundesrepublik.

Hat sich daran etwas geändert? Wollen sich die lokalen Landtagsabgeordneten jetzt mit guten Argumenten auf die Seite der Anwohner stellen oder versuchen sie nur, den Wahlkampf zu überstehen? Mal sehen:

Haben die Abgeordneten die Problematik der Rückstandshalden erkannt?

Grundsätzlich sind Bergbauunternehmen berechtigt, ihre Abfälle auch auf der Erdoberfläche zu lagern. Sie müssen jedoch die Vorgaben des Abfall- und Deponierechts einhalten. Dies ist bei den Abraumhalden von K+S regelmäßig nicht der Fall, wenn Abfallstoffe von dort in die Umwelt gelangen:

Die Halden der Kali-Industrie sind vor allem deshalb problematisch, weil ihre Abwässer in den Untergrund eindringen und in die Vorfluter gelangen. Damit verstößt die Abfallentsorgung von K+S nicht nur gegen das Abfallrecht, sondern auch gegen das Verschlechterungsverbot der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Der Betrieb der K+S-Abraumhalden ist daher rechtswidrig, unabhängig von der Menge der abgestoßenen Haldenlaugen.

Eine Abdeckung der Halden ändert daran nichts. Es ist weltweit kein Abdeckungsverfahren bekannt, das langfristig stabil und ausreichend wirksam wäre, um die oberirdische Lagerung von Abfallsalzen rechtskonform zu machen:

Für die Abgeordneten von CDU, SPD, FDP und B’90/Die Grünen im hessischen Landtag war die Rechtswidrigkeit von Genehmigungen, die der K+S AG erteilt wurden, bisher kein Problem. Sie haben ihre Pflicht, die Landesregierung zu kontrollieren, im Falle der K+S AG nicht wahrgenommen. Daran hat sich auch nichts geändert, als die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen ergeben haben, dass die Rechtmäßigkeit der Genehmigung zur Verpressung von Abwässern durch die Fälschung von Gutachten vorgetäuscht werden musste:

Die Mediationsverfahren: Außer Spesen nichts gewesen

Es hat nicht an Versuchen gefehlt, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, dass es technisch keine Möglichkeit gäbe, den Salzausstoß der Kali-Industrie zu reduzieren, ohne die Betriebe in Deutschland zu vernichten. Angeblich wurden keine Alternativen für eine weniger umweltschädigende Produktion von Kalidünger gefunden. Auch rechtlich sei es geboten, die von der Kalibranche und den Behörden geschaffenen Tatsachen zu akzeptieren. Diese Ziele haben verschiedene Mediationsverfahren verfolgt:

  • Pilotprojekt Werra-Salzabwasser, 2005-2007
  • Runder Tisch Werraversalzung 2008 – 2014
  • Kasseler Umweltfrieden 2018-2020

Diese „Mediationsverfahren“ haben sich uns ohne Ausnahme als Täuschungsversuche erwiesen. Sie waren jedoch insofern erfolgreich, als sie das Unternehmen K+S unter dem Vorwand des „Interessenausgleichs“ vor öffentlicher Kritik geschützt haben:

Wie stehen die Abgeordneten zur Haldenabdeckung?

Es ist auffällig, dass keiner der Abgeordneten die Frage stellt, ob die kritisierten Pläne des Kaliproduzenten überhaupt rechtmäßig sind und genehmigt werden dürfen – zumindest nach Darstellung der Fuldaer Zeitung. Die Abgeordneten scheinen nicht erkannt zu haben, dass nicht die Abdeckung der Halden das Hauptproblem ist, sondern die Salzhalden selbst. Sie kritisieren weniger die Ziele des Unternehmens, sondern eher Mängel des Antragsverfahrens – und die betroffenen Bürger:

Sebastian Müller (CDU) bemängelt nach Darstellung der FZ die Qualität der K+S-Planung:

„Alle Alternativen müssen in gleicher Tiefe geprüft werden – am besten im Raumordnungsverfahren. Eine einseitige Fokussierung auf die Dickschichtabdeckung ist nicht richtig. Bisher kamen die Interessen der Betroffe­nen und die Transparenz in den Planungen von K+S zu kurz“,

zitiert nach FZ vom 19.03.2023

Sebastian Müller kennt auch einige technische Alternativen, wie die Verfüllung oder die Aufbereitung der Rückstände. Was aber, wenn die Landesregierung trotz der geforderten Transparenz und trotz umfangreicher Prüfung von Alternativen wieder im Sinne der K+S-Interessen und damit rechtswidrig entscheidet? Wird Sebastian Müller dann im Landtag für die Interessen der Anwohner eintreten?

Ähnlich verhält es sich mit der Abgeordneten Sabine Waschke (SPD).

„Erst wenn wirklich ergebnisoffen geplant wird, ist wieder ein Dialog möglich. Die Region und auch ich stan­den immer hinter K+S, aber jetzt überschreitet der Konzern eine rote Linie, in dem er sich die Halde mit einer Dick­schichtabdeckung vergolden lassen will. Wer glaubt denn, dass es bei den jetzigen Plänen bleibt, wenn erst einmal richtig Geld mit dem Müll gemacht wird?“

zitiert nach FZ vom 19.03.2023

Der Abgeordnete Marcus Hofmann (B’90/Die Grünen) kritisiert vor allem die Bürgerinitiative – oder wer sonst könnte nach seiner Meinung für die „täglichen Zuspitzungen“ verantwortlich sein, die seine Besorgnis erregen?

„Die Region hat jahrzehntelang sehr stark wirt­schaftlich vom Kaliabbau profitiert und wird dies weiter tun. K+S ist größter Arbeitgeber der Region. Ich verfolge die täglichen Zuspitzungen mit Sorge.“

zitiert nach FZ vom 19.03.2023

Die „Dickschicht“ ist für Marcus Hofmann ohnehin „aktuell die Wirkungsvollste“. Die geplante Bauzeit von über hundert Jahren gibt ihm jedoch zu denken. Er teilt uns jedoch nicht mit, welche Bauzeit er für akzeptabel hält und wie er eine kürzere Bauzeit erreichen möchte: durch Reduzierung der Abdeckungsschicht oder durch Erhöhung der stündlichen LKW-Fahrten?

Ansonsten setzt Marcus Hofmann auf ein weiteres Mediationsverfahren, in dem „alle Beteiligten Gehör finden“, als hätten wir davon noch nicht genug gehabt. Die Bürgerinitiative wird es jedoch darauf ankommen lassen, nicht nur gehört, sondern auch berücksichtigt zu werden.

René Rock (FDP) setzt auf Bürgerbeteiligung und einen Runden Tisch und insbesondere auf Naturverträglichkeit:

„Der Berg sollte langfristig kleiner, nicht größer werden. Im Mittelpunkt sollte die Naturverträglichkeit stehen, nicht die Umwandlung des Berg­baubetriebs in eine Mülldeponie.“

zitiert nach FZ vom 19.03.2023

Da können wir ihm nur zustimmen, denn Umwelt- und Naturschutz sind ohnehin die Ziele der einschlägigen EU-Richtlinien und der deutschen Gesetze. Deshalb müssen sie umgesetzt werden. Wie aber will René Rock erreichen, dass im hessischen Landtag künftig die Gesetze eingehalten werden, auch wenn sie den Interessen der K+S AG entgegenstehen?

Die Abgeordneten überzeugen nicht – Die BI wird sich auf sich selbst verlassen müssen

Insgesamt enttäuschen uns die Abgeordneten. Wir können weder ausreichende Fachkenntnisse noch den politischen Willen erkennen, sich für die Interessen der Anwohner einzusetzen. Wenn sie uns schon im Wahlkampf einen halbherzigen und inkompetenten Eindruck vermitteln, was erwartet uns dann nach der Wahl? Die „Bürgerinitiative Umwelt Neuhof“ wird sich auf sich selbst verlassen müssen.

Eine „Ablehnung aus allen Lagern der Landespolitik für K+S-Plan“, so die Schlagzeile der Fuldaer Zeitung, können wir nicht erkennen.


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