Vor der Landtagswahl: Das hessische Umweltministerium zeigt Einsicht – scheinbar.

Die Bürgerinitiative, die sich in Neuhof gegen die K+S-Pläne zur Wehr setzt, zählt nun mehr als 850 Mitglieder.

Kalihalden: Das Entsorgungskonzept der K+S AG hat sich erneut als Sackgasse erwiesen. Die Sicherheit der Untertagedeponie Herfa-Neurode konnte von dem Unternehmen für die geplante Einlagerung der K+S-Abwässer in die Grube Springen bisher nicht nachgewiesen werden. Gleichzeitig wird die für K+S finanziell attraktive Abdeckung der Rückstandshalden mit anderen Abfällen bundesweit von den betroffenen Anwohnern bekämpft. Nun versucht das Hessische Umweltministerium, Einsicht und Dialogbereitschaft vorzutäuschen. Wäre dies ernst gemeint, könnte das Ministerium auf Fehldarstellungen verzichten. Leider ist dies erneut nicht der Fall.

https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/fulda-umweltministerium-hessen-offen-andere-abdeckung-kaliberg-dickschicht-priska-hinz-92143673.html

Stattdessen versucht das Ministerium, sich hinter den Entscheidungen der Flussanlieger in der Flussgebietsgemeinschaft (FGG Weser) sowie hinter dem Abfall- und Bergrecht zu verstecken. Dies lässt sich leicht auf seine Stichhaltigkeit überprüfen.

Abfallrecht: Zuerst an die eigene Nase fassen

Eine Sprecherin des Ministeriums verteidigt die geplante „Dickschichtabdeckung“ der Salzhalden mit belastetem Bauschutt aus abfallrechtlicher Sicht. Das Abfallrecht schreibt vor, diese Abfälle vorrangig zu verwerten:

„Sofern sich die Ziele der Haldenabdeckungen mit einer Verwertung mineralischer Abfälle erreichen lassen, die hier natürliche Primärressourcen sinnvoll ersetzen können, ist das aus abfall- und ressourcenpolitischer Sicht grundsätzlich zu begrüßen.“

Ira Spriestersbach, Umweltministerium, zitiert nach: Fuldaer Zeitung vom 14.03.2023

Die Sprecherin des Ministeriums vermeidet es hier zu erwähnen, dass die abfallrechtliche Reihenfolge „Vermeidung/Verminderung vor Verwertung vor Beseitigung“ zunächst auf die Salzabfälle der K+S AG angewendet werden müsste. Dass dies nicht geschehen ist, lässt sich mit der „Verwertung“ ganz anderer Abfälle nicht rechtfertigen.

Ein gesetzeskonformer Umgang mit den Abfällen der Kali-Industrie ist unproblematisch, die Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit aller hier erforderlicher Verfahren ist längst nachgewiesen und Stand der Technik. Ebenso ist es möglich und rechtlich erforderlich, die Kalihalden zurückzubauen und zu versetzen:

  • Die oberirdische Aufhaldung der festen Salzabfälle und die daraus folgenden Haldenlaugen lassen sich vermeiden, wenn man die Rohsalze bereits unter Tage aufarbeitet und die Rückstände auch dort versetzt. Der Salzabstoß über die flüssigen Produktionsabfälle lässt sich vermindern, indem man besser geeignete Aufbereitungsverfahren einsetzt.
  • Die festen Salzabfälle kann man verwerten, indem man sie in untertägige Hohlräume einbaut („versetzt“). Damit können Bergsenkungen vermindert und Bergschläge verhindert werden.
  • Der Versatz der Salzabfälle ist gleichzeitig die einzige gesetzeskonforme Art ihrer Beseitigung. Als Abfälle der Kategorie 4 müssen sie nämlich in einer Deponie derselben Klasse untergebracht werden. Das sind: Salzbergwerke.

Bergrecht hebt das Abfallrecht nicht auf, es muss angewendet werden

Das Bergrecht ermöglicht es zwar, den Unternehmen auch die oberirdische Lagerung ihrer Abfälle zu gestatten, aber auch hier gilt das Abfallrecht. Im Fall der Salzabfälle der K+S AG bedeutet dies: Die oberirdische Lagerung muss denselben Sicherheitsstatus aufweisen wie die Beseitigung in einem Salzbergwerk. Dies ist bei den K+S-Rückstandshalden nicht erreicht und noch einmal angestrebt worden. Die dort anfallenden Salzlösungen verhindern die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, sie sind daher nicht nur ein Umwelt-, sondern auch ein rechtliches Problem für das Unternehmen.

Nicht nur das Abfallrecht wird mit Verweis auf das Bergrecht missachtet, dasselbe gilt im Falle der Rückstandshalden auch für das Bergrecht selbst. Hier sind insbesondere die Vorgaben des Lagerstättenschutzes und des Bodenschutzes zu nennen.

Das Bergrecht soll die Lagerstätten vor Raubbau schützen:

Beim Raubbau werden nur die wertvollsten und produktivsten Teile einer Lagerstätte abgebaut. Außerdem beschränkt man sich beim Raubbau auf die am leichtesten zu gewinnenden Lagerstättenteile. Das hat zur Folge, dass die Lagerstätte nur unvollständig ausgebeutet wird. Dies führt letztlich dazu, dass derjenige, der den Raubbau betreibt – bedingt durch die geringeren Kosten – einen deutlich höheren Gewinn erzielt als die Mitbewerber. Jedoch hat derjenige, der mittels Raubbau eine Lagerstätte ausbeutet, schon sehr bald wieder abgewirtschaftet. Durch die Beschränkung auf leicht zu gewinnende Anteile beim Raubbau verbleibt ein großer Teil der nutzbaren Mineralien in der Lagerstätte. Will später jemand die noch vorhandenen Lagerstättenteile abbauen, so ist dies oft nur durch Aufwendung deutlich höherer Kosten möglich. Für den Raubbauer bedeutet dies, falls er sich entschließt, die Lagerstätte weiter abzubauen, dass er die früheren Gewinne wieder aufwenden muss, um den Abbau weiter zu betreiben.

Wikipedia

Das von K+S angewandte „Room-and-Pillar“-Abbauverfahren, verbunden mit der oberirdischen Lagerung von Abfällen, führt zu Abbauverlusten von 50 bis 60%, da die Stützpfeiler nicht verwertet werden können. Auch die Untertagedeponie Herfa-Neurode und die von K+S betriebene „Verwertung“ von Aschen und Rauchgasrückständen führen zu Abbauverlusten. Dies ist mit den Zielen des Bergrechts nicht vereinbar.

Durch den Versatz der festen Rückständen könnten auch die Stützpfeiler verwertet werden. K+S hat dies bisher kategorisch abgelehnt, möchte nun jedoch an anderer Stelle die Verlagerung und den Rückbau kombinieren. Wenn das so ist, kann dieses Verfahren dem Unternehmen in all ihren Bergwerken zugemutet werden.

Auch der Schutz von Grund und Boden wird bei der oberirdischen Lagerung von Salzabfällen nicht berücksichtigt, da die Rückstandshalden nur teilweise gegen den Untergrund abgedichtet sind. Zwar können die Salzhalden wieder abgebaut werden, ob der Untergrund jedoch aufgrund der eingesickerten Salzlauge saniert werden kann, bleibt fraglich.

Die Bewirtschaftungspläne der FGG Weser – hier wurden K+S alle Wünsche erfüllt.

Auch die Bewirtschaftungspläne für Werra und Weser fordern die Abdeckung der K+S-Salzhalden. Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir jedoch, dass die K+S AG und die hessische Umweltministerin sich darauf geeinigt hatten, genau dies zu erreichen und daher den „Vierphasenplan“ der Ministerin zur Grundlage der Bewirtschaftungspläne zu machen. Sie folgen dabei einem Gutachten, das die K+S AG hatte erstellen lassen: Durch die Herabstufung der Werra zu einem „unsanierbaren Gewässer“ mit gleichzeitiger Verzögerung der Maßnahmenpläne sollte es möglich sein, die Anwendung europäischer Richtlinien auf die Entsorgungsaktivitäten der K+S AG zu verhindern. Dies würde es der K+S AG ersparen, moderne Verfahren anzuwenden und die Salzhalden wieder abzubauen.

Es ist keineswegs so, dass der Flussgebietsgemeinschaft Weser keine anderen Verfahren für eine ziel- und fristgerechte Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie vorgelegen hätten:

WWA, Entwurf des Bewirtschaftungsplans/Maßnahmenprogramms 2015-2021 für die Flussgebietseinheit Weser, Einwendungen der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V., 08.08.2015, https://bit.ly/3JIfqpV

WWA, Entwurf des Bewirtschaftungsplans/Maßnahmensprogramms 2022-2027 für die Flussgebietseinheit Weser, Einwendungen der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V., 15.06.2021, https://bit.ly/320Mnud

Es ist zwar korrekt, wenn die Sprecherin des Ministeriums darauf hinweist, dass die Bewirtschaftungspläne „behördenverbindlich“ sind. Das trifft allerdings nur insoweit zu, als schlechtere Standards ausgeschlossen sind, nicht aber umweltfreundlichere Technologien. Außerdem können die Bewirtschaftungspläne geändert werden – und es sollte auch getan werden, wenn sie nur dazu dienen, geltendes Recht zugunsten der K+S AG zu umgehen.


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