So wird det Ding jedreht …

Aktuell: Auch mit dem neuem Bewirtschaftungsplan haben die Anrainerländer akzeptiert, dass der schlechte Zustand der Werra sich nicht verbessern soll. Offizielle Sprachregelung: Weniger Salz in der Werra. Wir brauchen keine Fakten mehr, wir haben det Ding schon jedreht …

Wie die Anrainerländer von Werra und Weser die Flüsse zu „Opfergebieten außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie“ machen wollen, Teil 2

Massenauftreten des salztoleranten Getigerten Flohkrebes Gammarus tigrinus in der Werra bei Gerstungen. Dieser Organismus beherrscht die Fauna der salzbelasteten Werra. Die Süßwasserbiozönose des Flusses ist quantitativ und qualitativ extrem verarmt.
Foto: U. Braukmann

Das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie, in den Gewässern der Mitgliedsstaaten einen „guten ökologischen Zustand“ zu erreichen, soll für Werra und Weser in das Gegenteil verkehrt werden. Wie soll das gehen? Ein K+S-Gutachter weist den (krummen) Weg.

Auch nach Ablauf der letzten Umsetzungsfrist der Wasserrahmenrichtlinie im Jahre 2027 bleiben das Verbesserungsgebot und das Verschlechterungsverbot der Richtlinie 2000/60/EG weiterhin rechtlich verbindlich. Auch das Ziel der Richtlinie, in den Gewässern der Mitgliedsstaaten den „guten ökologischen Zustand“ zu erreichen, bleibt weiter bestehen. Eine Abweichung von diesem Ziel nach 2027 kann nur akzeptiert werden, wenn für die Zielverfehlung eine natürliche Ursache angeführt werden kann. Die Ausnahmeregelungen in Art. 4, Abs. 5 der Richtlinie 2000/60/EG erlauben die im Vierphasenplan der Hessischen Landesregierung dokumentierte dauerhafte Zielverfehlung nicht.

Ein von der K+S AG beauftragter Rechtsgutachter rät deshalb, bei der geplanten Nicht-Umsetzung der Richtlinie 2000/60/EG einen anderen Weg zu nutzen und sich nicht auf die Ausnahmeregelungen der Richtlinie zu berufen, denn …

die gesetzliche Ausnahme soll lediglich in bestimmten, eng begrenzten Fällen eine angemessene rechtliche Handhabung ermöglichen, …“,

M. Reinhard, Februar 2015, Rechtsgutachten: Wasserrechtliche Anforderungen an eine dauerhafte Lösung für die Salzwasserproblematil in Werra und Oberweser – Zum Vierphasenplan des Landes Hessen und der K+S AG, S. 22

Die Wasserrahmenrichtlinie soll über die Bewirtschaftungspläne ausgehebelt werden

Der Gutachter empfiehlt stattdessen, die Pflicht zum Erreichen des „guten Zustands“ in der Werra über die Gestaltung der Bewirtschaftungspläne zu umgehen. Das sei auch nachträglich möglich und man sei dann nicht mehr an die Umsetzungsfristen der Richtlinie gebunden (Hervorhebungen durch die WWA):

Art. 4 Abs. 3 WRRL. §27 Abs. 2 WHG tragen dem Umstand Rechnung, dass in der modernen Industriegesellschaft die vollständige Rückführung aller Gewässer in einen ökologischen Idealzustand illusorisch ist, und schränken die Bewirtschaftungsziele für diejenigen Gewässer, die nach näherer Maßgabe des §28 WHG konstitutiv als künstlich oder erheblich verändert eingestuft worden sind, insoweit ein, als an Stelle des guten ökologischen Zustandes lediglich die verminderte Anforderung eines guten ökologischen Potentials tritt.“

Reinhard, a.a.O., S. 11

Art. 4 Abs. 4 WRRL, §30 WHG relativieren zwar die strengen Bewirtschaftungsvorgaben auch unter Berücksichtigung ökonomischer Interessen, doch enthalten sie keine allgemeine Abwägungsklausel, nach deren Überwindung breitflächig ökologische Opfergebiete außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie eingerichtet und dauerhaft aufrechterhalten werden dürfen.“

Reinhard, a.a.O., S. 25

Da indes keine ausdrücklichen gesetzlichen Auschlussfristen gelten, können hiernach nicht nur neu angelegte künstliche Gewässer nach §28 WHG eingestuft werden, sondern durchaus auch anfänglich verabsäumte oder irrtümlich als nicht erforderlich angesehene Einstufungen oberirdischer Gewässer nachgetragen werden.“

Reinhard, a.a.O., S. 12

Auf diese Weise kommt den Bewirtschaftungsplänen, der nach Art. 13 WRRL, §83 WHG als reines Dokumentationsinstrument konzipiert ist, faktisch eine rechtlich nicht unproblematische Gestaltungsfunktion zu.“

Reinhard, a.a.O., S. 10

Schließlich fällt die Maske ganz. Über die „Gestaltung der Bewirtschaftungspläne“ scheint es dem Gutachter möglich zu sein, Werra und Weser dauerhaft zum „Opfergebiet außerhalb des Schutzregimes der Wasserrahmenrichtlinie“ zu machen. Das wäre bei Anwendung der Ausnahmeregelungen der Richtlinie nicht möglich:

Die neuen, exekutiv bestimmten Ziele treten dann für Zwecke der Bewirtschaftung an die Stelle der legislativ vorgegebenen Ziele, (…). Insbesondere unterliegt die Festlegung abweichender Ziele auch nicht der letzten Fristbindung bis zum Jahre 2027 (…).“

(Reinhard, a.a.O., S. 24)

§31 Abs. 2 WHG in Umsetzung des Art. 4 Abs. 7 (erfasst) auch dauerhafte Dispense von den Idealzielen.“

Reinhard, a.a.O., S. 22

Damit hätte der Rechtsgutachter einen Weg gewiesen, über den die Richtlinie 2000/90/EG tatsächlich ad absurdum geführt würde. Er muss also rechtswidrig sein. Der Autor des Rechtsgutachten selbst spricht deshalb etwas vorsichtig von einem

Testfall für Inhalt und Tragweite der durch den Gerichtshof betonten Eigenständigkeit der mitgliedsstaatlichen Ausgestaltung des Wasserrechts“.

Reinhard, a.a.O., S. 29

Tatsächlich können die Mitgliedsstaaten die Gewässer nicht nach eigenem Ermessen und ohne nachvollziehbaren und überprüfbaren Tatsachenhintergrund als nicht sanierbar einstufen. Sie müssten dazu die Öffentlichkeit, die Verwaltungsgerichte und die EU-Kommission hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Tatsachen und der technischen Möglichkeiten umfassend täuschen.

Das Land Hessen hat einschlägige Erfahrung

Die Hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen) hat diesen Weg schon einmal durchexerzieren lassen, um der K+S AG die gewünschte Genehmigung zur Fortsetzung der Laugenverpressung erteilen zu können. Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Meiningen wissen wir, dass dazu ein naturwissenschaftliches Gutachten gezielt verfälscht und auf dieser Basis ein Gefälligkeitsgutachten beauftragt worden ist. Weiter wurden Fachbehörden unter Druck gesetzt:

… und für die Vorbereitung der rechtswidrig erteilten Erlaubnis sogar die Rechtsabteilung der Genehmigungsbehörde durch K+S-Rechtsanwälte ersetzt (Verfügung der StA Meiningen).

Wollen Sie sich selbst ein Urteil bilden? In einem Antrag der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag finden Sie die Verfügung der StA Meiningen zitiert:

„Grundwasserversalzung beenden – Laugenversenkung sofort stoppen“, Drucksache 20/6595, starweb.hessen.de/cache/DRS/20/5/06595.pdf

Die „Flussgebietsgemeinschaft Weser“ hat sich als Autorin der Bewirtschaftungspläne auf diesen Weg eingelassen.

Im „Vierphasenplan“, den die Hessische Landesregierung 2014 mit der K+S AG vereinbart hat, ist genau dies geschehen, denn er stuft die Werra zu einem „erheblich veränderten Gewässer“ herab und täuscht vor, der Fluss könne nicht mehr saniert werden. Die Flussgebietsgemeinschaft Weser hat sich mit ihrem Bewirtschaftungsplan 2015-2021 auf diesen krummen Weg eingelassen. Ihr „Entwurf für den Bewirtschaftungsplan 2022-2027“ zeigt, dass er fortgesetzt und die Werra den Wünschen der Kali-Industrie geopfert werden soll:

WWA, Entwurf des Bewirtschaftungsplans/Maßnahmenprogramms 2015-2021 für die Flussgebietseinheit Weser, Einwendungen der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V., 08.08.2015, https://bit.ly/3DikdZd/

WWA, Entwurf des Bewirtschaftungsplans/Maßnahmensprogramms 2022-2027 für die Flussgebietseinheit Weser, Einwendungen der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V., 15.06.2021, https://bit.ly/320Mnud

Das können wir so nicht stehen lassen. Ist die Werra tatsächlich ein natürlicher Salzfluss? Kann der Fluss wirklich nicht mehr saniert werden? Gibt es keinerlei Verfahren, mit denen sich der Salzanstoß der K+S AG verringern ließe? Halten die Hausgutachten der K+S AG der Überprüfung stand?

Mit diesen Fragen werden wir unsere Reihe über die von der K+S AG und der Hessischen Landesregierung beabsichtigte Aushebelung der Wasserrahmenrichtlinie fortsetzen.