Auf Schleichwegen in die Sackgasse – Das Regierungspräsidium windet sich

Folge II: Der Kasseler Regierungspräsident versucht, seine Behörde vom Verdacht der Kollusion* zu befreien. Wir setzen unsere Reihe fort, heute geht es um die Frage, ob die der K+S AG erteilte Erlaubnis grundsätzlich rechtswidrig ist.

* Kollusion (lateinisch collusio, „geheimes Einverständnis“) ist das unerlaubte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter mit der Absicht, einen Dritten zu schädigen (Wikipedia). Als Zusammenwirkende beschuldigt sind hier Mitarbeiter, Gutachter und Rechtsanwälte der K+S AG, die hessische Umweltministerin und mehrere ihrerer Ministerialbeamte sowie die damalige Leitung und Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Kassel. Geschädigte sind die Bewohner des Werrareviers sowie die Anrainer von Werra und Weser.

Zur Erinnerung: Worum geht es?

Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz hatte das Regierungspräsidium Kassel als zuständige Genehmigungsbehörde aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die K+S AG die Verpressung von Abwässern in den Untergrund einstellt. Hierfür hatte die Behörde rechtswidrig eine Genehmigung erteilt. Nach fast vier Monaten teilt uns der Behördenleiter mit, dass er diese Forderung ablehnt.

Wir zitieren im Folgenden wieder die Einlassungen des Regierungspräsidenten, sie sind unterzeichnet von dem Regierungsvizepräsidenten Dr. Wachter. Unsere Kommentare sind gekennzeichnet.

Folge II: Besorgnisgrundsatz und Verschlechterungsverbot – Auf Schleichwegen in die Sackgasse

Im zweiten Teil seiner Einlassungen befasst sich der Vizepräsident Dr. Wachter mit der Frage, ob die Genehmigung zur Fortsetzung der Laugenverpressung grundsätzlich rechtswidrig war. Er glaubt die Frage verneinen zu können, allerdings auf der Basis einer fragwürdigen Argumentation und indem er das Verschlechterungsverbot der Richtlinie 2000/60/EG ganz aus seinen Überlegungen ausklammert.

Eine spitzfindige Überlegung ohne Substanz

WWA: Wir hatten dem Regierungspräsidium vorgeworfen, dass seine Genehmigung zur Fortsetzung der Laugenverpressung rechtswidrig ist, weil sie den Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes nicht beachtet. In §48 Abs. 1, 1. Satz WHG heißt es:

(1) Eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist.“

WWA: Dass in diesem Falle die weitere Verpressung von Abwässern in den Untergrund zu einer „nachteiligen Veränderung“ des Grundwassers führen musste, hatte im Vorfeld der umstrittenen Genehmigung die thüringische Fachbehörde TLUG und ebenso ihr hessisches Pendant HLUG in Gutachten bestätigt.

WWA: Dr. Wachter versucht, von diesen Tatsachen abzulenken, indem er sich auf den zweiten und dritten Satz des 1. Abschnitts des § 48 WHG bezieht. Dort heißt es:

Durch Rechtsverordnung nach § 23 Absatz 1 Nummer 3 kann auch festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen die Anforderung nach Satz 1, insbesondere im Hinblick auf die Begrenzung des Eintrags von Schadstoffen, als erfolgt gilt. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundestages.“

WWA: Er glaubt, daraus folgenden Schluss ziehen zu müssen:

Die Vorschrift zeigt durch die in Absatz 1 Satz 2 eröffnete Verordnungsmöglichkeit, dass das Gesetz nicht apodiktisch jedweden Schadstoffeintrag in das Grundwasser ausschließt.“

WWA: Dr. Wachter unterschlägt hier die Tatsache, das eine solche einschränkende Verordnung nicht erlassen worden ist. Es bleibt also dabei: die Genehmigungsbehörde musste sich an den Gesetzestext halten, sie hatte keinerlei Ermessensspielraum. Die beanstandeten Erlaubnisse missachten den Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes und sind deshalb rechtswidrig.

Ist das Verschlechterungsverbot auf dem Behördenweg verloren gegangen?

Das ist noch nicht alles: Die Richtlinie 2000/60/EG („Wasserrahmenrichtlinie“) schreibt als Mindestanforderung vor, dass die Gewässer in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht weiter verschlechtert werden dürfen. Der Europäische Gerichtshof hat am 01.07.2015 dieses Verschlechterungsverbot näher erläutert. Er kommt zu dem Schluss, dass Gewässer, die bereits in die schlechteste Qualitätsstufe der Richtline eingestuft sind, nicht durch weitere Einleitung von Abwässern belastet werden dürfen („Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot“).

Diese Voraussetzung trifft auf das Grundwasser im Werrarevier und auch für die Werra selbst zu. Deshalb verstößt jede weitere Einleitung von Abwässern in den Untergrund und in die Werra gegen das Verschlechterungsverbot und ist rechtswidrig. Auch hier hat die Behörde keinen Ermessensspielraum, die Erlaubnis zur Fortsetzung der Laugenverpressung hätte nicht erteilt werden dürfen.

Hessen hat schon jeden Ausweg versucht und ist gescheitert

Das hessische Umweltministerium hatte in der Vergangenheit argumentiert, das Urteil des EuGH sei auf das Grundwasser nicht anwendbar, es gelte nur für Oberflächengewässer. Diese irrige Rechtsmeinung hat das Bundesverwaltungsgericht korrigiert (BVerwG 9 A 22.19, Rn. 30 und 31) :

  • Die Qualitätsziele der EU-WRRL, sowie deren Verbesserungsgebot und das Verschlechterungsverbot sind verbindliche Vorgaben; dies gilt gleichermaßen für Oberflächengewässer und das Grundwasser
  • Der EuGH hat mit seinem Urtel vom 01.07.2015 kein neues Recht geschaffen, sondern die EU-WRRL nur erläutert. Auch vor dem 01.07.2015 erteilte Erlaubnisse sind rechtswidrig, wenn sie die Vorgaben der EU-WRRL mißachten.

Weitere Informationen:

Eine einfache Frage

Dem Vizepräsidenten Dr. Wachter ist es also nicht gelungen, unsere Vorwürfe juristisch zu entkräften. Er ist aber kein Laie: Als ehemaliger Amtsgerichtsdirektor muss er wissen, dass seine Argumentation tatsachenwidrig und haltlos ist. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Behörde über kein akzeptables juristisches Argument verfügt, um die eigene Genehmigungspraxis zu rechtfertigen.

Man kann sich der Frage, ob das Regierungspräsidium Kassel womöglich doch rechtmäßig gehandelt hat, aber auch auf einem anderen Wege nähern. Nehmen wir dazu einmal an, die vorstehend behandelten Angaben des Dr. Wachter seien zutreffend. Dann wäre die Erlaubnis zur Fortsetzung der Laugenverpressung rechtmäßig und wir hätten keinen Anlass, diese Genehmigung anzufechten.

Dann stellen sich neue Fragen, auf die das Regierungspräsidium keine Antwort hat:

  • Wenn die Genehmigung rechtmäßig sein sollte: Warum war es dann nötig, geologische Gutachten der Fachbehörden zu verfälschen und auf der Basis von unzutreffenden Tatsachenbehauptungen ein neues Rechtsgutachten erstellen zu lassen?
  • Warum hat die Behörde bei der Erarbeitung der Genehmigung auf die Mitarbeit der Fachbehörde HLUG verzichtet? Warum hat sie nicht berücksichtigt, dass der Leiter des HLUG den verfälschten Aussagen seines Gutachtes widersprochen hat?
  • Warum hat die Behörde bei der Erarbeitung der umstrittenen Genehmigung auf die Mitarbeit der eigenen Rechtsabteilung verzichtet und stattdessen die Hilfe von Rechtsanwälten in Anspruch genommen, die von der Genehmigungsnehmerin, der K+S AG selbst ausgesucht und bezahlt worden waren?

In der nächsten Folge unserer Reihe befassen wir uns mit den Einwänden der hessischen und thüringischen Fachbehörden gegen unwissenschaftliche Gutachten der K+S AG und fragen uns, warum das Regierungspräsidium Kassel die eigene Fachbehörde konsequent ignoriert:

Folge III: Der Versuch, sich an der Perücke aus dem Sumpf zu ziehen – Die Fachbehörden bleiben standhaft

Freuen Sie sich auch auf weitere Folgen unserer Reihe:

Folge IV: Lästiges Fachwissen – Zusammenarbeit hinter den Kulissen

Folge V: Soll die umstrittene Genehmigung wieder verlängert werden?


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