Justitia: blind, stumm, taub und abwesend?

Pressemitteilung der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der K+S AG, Norbert Steiner, will mit einer Einstweiligen Verfügung gegen den Rechtsanwalt der Flussanrainer verhindern, dass Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Meiningen in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten eingebracht werden. Er macht „verletzte Persönlichkeitsrechte“ geltend, also dürfte auch gegen ihn persönlich ermittelt worden sein. Hätte er damit Erfolg, würde sein Eingreifen die Verwaltungsrichter künstlich „dumm machen“ und für die Anrainer von Werra und Weser die Aussicht auf saubere Flüsse verschlechtern.

Stellen Sie sich folgende absurde Situation vor: Jeder Zeitungsleser weiß, dass der K+S AG auf der Basis gefälschter Gutachten rechtswidrige Genehmigungen erteilt worden sind. Diese Gutachten könnten in einem Gerichtsprozess wieder vorgelegt werden und der Richter müsste so tun, als sei er ahnungslos …

Worum geht es?

Die Klagegemeinschaft der Werra-Weser-Anrainer klagt gegen wasserrechtliche Genehmigungen, die es der K+S AG ermöglichen, mit ihren Abwässern das Grund- und Trinkwasser sowie die Flüsse Werra und Weser zu verschmutzen. Sie will damit erreichen, dass die Flüsse – wie es die EU-Wasserrahmenrichtlinie vorschreibt – bis 2027 in den „guten ökologischen Zustand“ gebracht werden. Die K+S AG hat offenbar andere Interessen, sie will nicht in die hierfür notwendigen technischen Verfahren investieren.

Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Meiningen geht hervor, dass der K+S AG über Jahrzehnte rechtswidrige Erlaubnisse erteilt worden sind. Dazu wurden Gutachten verfälscht und kritische Mitarbeiter der verstrickten Behörden unter Druck gesetzt. Mit einer kollusiven Zusammenarbeit zwischen der K+S AG, der hessischen Genehmigungsbehörde und dem Umweltministerium ist es sogar gelungen, die EU-Kommission hinsichtlich des Bewirtschaftungsplans für Werra und Weser zu täuschen und zur Einstellung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu veranlassen.

Hätte dies Bestand, dann wäre die Werra als lebendiger Fluss verloren und würde endgültig zu der Abwasserrinne der K+S AG. Der aktuelle Bewirtschaftungsplan basiert nämlich auf dem „Vierphasenplan“ der hessischen Umweltministerin, der zugunsten des Kaliherstellers K+S eine qualitative Verbesserung der Werra für alle Zeiten ausschliessen will. Die Ministerin muss dazu über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sich der schlechte Zustand der Werra fast ausschließlich auf die Entsorgungspraktiken der K+S AG zurückführen lässt. Deshalb die Werra ist sanierbar – wenn sich die K+S AG dazu bequemt, moderne Aufbereitungstechnologien anzuwenden.

Es geht um die Glaubwürdigkeit!

Dass Norbert Steiner tatsächlich um seinen guten Ruf besorgt ist, mag dahinstehen. Er hätte jede Gelegenheit gehabt, seinen Ruf zu wahren. Als CEO hätte er verhindern können, dass das Unternehmen K+S in die beschriebenen Machenschaften verwickelt ist. Außerdem ist durch seine Intervention erstmals bekannt geworden, dass auch gegen ihn persönlich ermittelt worden ist. Es rettet die eigene Ehre nicht, wenn man versucht, einen Anwalt an seiner Arbeit zu hindern.

Tatsächlich geht es wohl eher darum, die Rechtsprechung zu behindern. Die Annahme, dass das Unternehmen K+S nicht auf seine rechtswidrigen Erlaubnisse verzichten will, ist für uns viel plausibler als die empfindliche Ehre des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden. Sie wäre dann nur vorgeschoben.

Es sind eher die Vertreter der K+S AG und der Genehmigungsbehörde, die ihre Glaubwürdigkeit – auch offiziell! – einbüßen, wenn die Originalakten der Staatsanwaltschaft vor Gericht ausgewertet werden. Das kann in den folgenden Prozessen durchaus eine Rolle spielen.


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