„Deformiert und abgesoffen“

Über die besonderen Eigenschaften von Salzbergwerken und über die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Betreiber sowie über die Gutgläubigkeit der zuständigen Behörden. Dargestellt am Beispiel des „Endlagers“ Asse II und als warnendes Beispiel für die Entsorgungspraktiken in den Kalibergwerken des Werratals.

In einem bemerkenswerten Artikel schildert Nadja Podbregar*, wie aus einem maroden und nassen Salzbergwerk, der Grube Asse II, zunächst ein „Endlager“ für radioaktive Abfälle wurde, und wie jetzt daraus wieder ein nasses, wenngleich saniertes Bergwerk entstehen soll, dass man getrost verschließen kann (1).

*Nadja Podbregar ist online-Redakteurin von wissenschaft.de (Bild der Wissenschaft) und Chefredakteurin des Wissenschafts-Magazins scinexx.de.

Uns geht es hier nicht um die Endlagerung vom Atommüll. Wir beschäftigen uns mit den Eigenschaften von Salzbergwerken und damit, was alles passieren muss, damit man diese Eigenschaften vergisst, verdrängt und auf jeden Fall nicht berücksichtigt.

In dem Salzbergwerk Asse II hat man trotz der dort bekannten Wassereinbrüche ein „Versuchsendlager“ für radioaktive Abfälle eingerichtet. Auch im Werratal gibt es eine „nasse Grube“, also ein Salzbergwerk, in das von außen Wasser eindringt, der Grubenteil Springen II in Thüringen. Es ist ein Allgemeinplatz, dass „jede Salzgrube einmal absaufen wird“. In der Schweiz begründet man damit das Verbot, in Salzbergwerke Abfälle einzulagern (2), (3). Springen II (4) hat schon einmal als „Zwischenlager“ (5) gedient, als die K+S AG die Abwässer der Rückstandshalde Neuhof-Ellers nicht mehr in den Untergrund verpressen durfte. Dieser Grubenteil soll nun zusätzlich noch jährlich mehrere Millionen Kubikmeter der K+S-Produktionsabwässer aufnehmen. Ein weiteres „Zwischenlager“ für K+S-Abwässer befindet sich auf der hessischen Seite, unterhalb der „weltweit größten Untertage-Deponie für besonders überwachungsbedürftige Abfälle“ (Herfa-Neurode). Bedenken gegen diesen Entsorgungsweg wurden von den Behörden weggewischt oder erst gar nicht zur Kenntnis genommen (6).

Eine katastrophale Entscheidung und ein glänzendes Geschäft

Aber zurück zu der anderen nassen Grube, dem absaufenden Bergwerk Asse II. Alle Gruben dieses Vorkommens (Asse I bis III) waren von Anbegin problematisch oder entwickelten sich rasch zu Problemfällen:

„Ab 1905 strömt so viel Salzlauge in das Bergwerk ein, dass man Asse I bereits im Jahr 1906 wieder aufgeben muss.“ Und so geht es weiter: „Schon in der Zeit des Salzabbaus kommt es immer wieder zu Komplikationen: Das plastische Salz verformt sich, Decken sinken ab und Wände bekommen Risse. Um das Bergwerk zu stabilisieren und ein Einbrechen des Salzstocks zu verhindern, werden einige nicht mehr benutzten Schächte und Gänge schon in den 1920er Jahren mit teils feuchtem Abraum aufgefüllt. Probleme bekommt auch das 1911 direkt östlich von Asse II angelegte Bergwerk Asse III: Schon während seines Baus dringt immer wieder Salzlauge in die Schächte ein. Es wird 1924 aufgegeben.“ (7)

Der Zustand des Bergwerks muss natürlich dem Eigentümer und auch den zuständigen Behörden bekannt gewesen sein. Trotzdem halten alle Betroffenen die Grube Asse II für trocken genug, um als Versuchsendlager für radioaktive Abfälle dienen zu können.

Diese, aus heutiger Sicht geradezu unbegreifliche Fehleinschätzung setzt eigentlich voraus, dass sich alle Verantwortlichen im Hinblick auf die Bergmechanik und die Anforderungen an ein Endlager im Zustand der unschuldigen und vollständigen Unwissenheit befunden haben. Vielleicht hat aber auch politischer Druck zu viele Bedenken weggewischt.

Und so geschieht das Unbegreifliche: 1965 gelingt es der Eigentümerin Wintershall, das nasse Loch an die Gesellschaft für Strahlenforschung (Helmholtz-Zentrum, Münchern) zu verkaufen, die dieses Geschäft im Auftrag der Bundesregierung tätigt.

„Deformiert und abgesoffen“

Inzwischen weiss man, dass ein Salzbergwerk eine denkbar schlechte Wahl für ein Endlager ist. 1978 wird die Einlagerung von radioaktiven Abfällen eingestellt, das Bergwerk aber weiter überwacht. Nun stellt man fest, was eigentlich allen schon vorher hätte klar sein müssen: die Strukturen der Grube verformen sich unter dem Bergdruck, schließlich entstehen Risse, durch die weiteres Wasser in das Bergwerk eindringt. Nun ist die Katastrophe vollständig, das Endlager muss wieder geräumt werden, „so weit dies möglich ist“ (8).

Und an der Werra?

Wintershall, eine BASF-Tochter, trennt sich später von seiner Salzsparte. Auf Umwegen und nach mehrfacher Umbenennung entsteht so die K+S AG, die in ganz Deutschland Salzbergwerke betreibt und die für erhebliche Umweltschäden und Altlasten verantwortlich ist. Damit sind wir wieder im Werratal.

Hier wird, so versichert man uns, kein radioaktiver Abfall eingelagert. Wohl aber Rauchgasrückstände und Aschen, sogar „besonders überwachungsbedürftige“ Abfälle, die das Unternehmen aus ganz Europa einwirbt, um sie gewinnträchtig in Stollen im Werratal einzulagern. Sie enthalten Schwermetalle und giftige organische Substanzen und sie reagieren mit Wasser zu hochexplosivem Wasserstoff (9). Angeblich werden sie deshalb „sicher“ in „trockenen“ Salzbergwerken eingelagert. Es gibt aber in der Grube Springen II keine natürliche und ausreichend standfeste Abtrennung zwischen dem eindringenden Wasser und den einzulagernden Abwässern einerseits und den reaktiven Sonderabfällen auf der anderen Seite. Wenn man aber befürchten muss, dass in der Asse II radioaktive bestandteile an die Oberfläche dringen, dann kann man dies für die Schwermetalle aus dem Sondermüll keineswegs ausschließen.

An Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit

Die Genehmigungsbehörde in Kassel hat nicht zur Kenntnis genommen, dass das eindringene Wasser und das eingelagerte Abwasser mit Bestandteilen der Lagerstätte reagiert und so die Stützpfeiler schwächt (10). Dies beschleunigt die Bergsenkungen und daraus ergibt sich notwendig eine höhere Belastung des Deckgesteins. Ebenso wie für die Asse II beschrieben werden sich Risse bilden, über die weiteres Wasser aus dem Rotliegenden in die Grube eindringen kann (6). Kein künstlich errichteter Damm kann dann mehr verhindern, dass unter Bergdruck stehende Wässer in andere Teile des Bergwerks vordringen. Der Weg zu den Sonderabfällen und zu einer Katastrophe im Werratal ist dann frei – „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“.

Von den jetzt im Werratal Verantwortlichen wird dann vielleicht niemand mehr leben. Aber vielleicht kennt man noch ihre Namen, wie den von Klaus von Dohnanyi, der als Staatsekretär im Wissenschaftsministerium zu der Eignung der Grube Asse II sagte: „Das Eindringen von Wasser kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.“

Ein hohes und unnötiges Risiko zugunsten eines Unternehmens, das sich geweigert hat, seine Abwässer durch Aufarbeitung und Verwertung zu beseitigen (11), (12).

Endnoten

(1) Asse II: Verstrahltes Erbe – Atommüll, ein Versuchsendlager und der Rückholplan, https://www.scinexx.de/dossier/asse-ii-verstrahltes-erbe/

(2)

(3)

(4) https://www.lars-baumgarten.de/die-reviere-und-ihre-sch%C3%A4chte/1-werra-fulda/1-5-heiligenroda/

(5)

(6)

(7)

https://www.scinexx.de/dossierartikel/die-vorgeschichte-5/

8)

https://www.scinexx.de/dossierartikel/deformiert-und-abgesoffen/

(9)

(10) Dr. habil. Ralf E. Krupp, Offener Brief: Versalzung der Werra und Weser, riskante Einstapelung von Kaliab­wässern in ehemaligen Kalibergwerken, 30.07.2019, S. 5 https://ia802802.us.archive.org/1/items/kruppoffenerbrieffggweser2/Krupp_Offener_Brief_FGG_Weser_2.pdf

(11)

(12)