Die Werra trägt Schwarz

Die hessische Umweltministerin lobt sich selbst und das Wasserforum der Hessischen Landesregierung (am 20.11.2019 in Kassel) ignoriert die Umweltkatastrophe in Werra und Weser.

Das Problem der Kali-Rückstandshalden, Teil VI

von Walter Hölzel

Im salzbelasteten Teil der Werra haben die Abwässer der Kali-Industrie die Süßwasser-Lebensgemeinschaft vernichtet. Der Fluss ist ab der Einleitstelle in die schlechteste Qualitätsstufe der EU-Wasserrahmenrichtlinie eingestuft. Das Gleiche gilt für das Grundwasser im Einflussbereich der Laugenverpressung und der versickernden Haldenlaugen. Wir verdanken es auch der hessischen Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen), dass sich daran nichts ändern soll.

Die Salzwässer sind nicht die einzige Belastung des Flusses, aber die ökologische Katastrophe in Werra und Weser wird ausschließlich durch die Abwässer des Kaliherstellers K+S verursacht. Trotzdem wäre es falsch, das Unternehmen als allein schuldig hinzustellen. Natürlich nehmen die Unternehmen alle Vorteile mit, die sie bekommen können – solange man ihnen kein sozialeres Verhalten abverlangt.

Hauptschuldig an der Werraversalzung sind vielmehr die Landesregierungen in Thüringen und Hessen. Die Neuordnung der Kali-Industrie („Kali-Fusion“, (1), (2)) nach der Wiedervereinigung hätte die Gelegenheit geboten, Werra und Weser zu sanieren und ihre Anrainer vor den Entsorgungspraktiken der K+S AG zu schützen. Die technischen Voraussetzungen sind gegeben (3) und Jahresgewinne von mehr als 500 Mio. Euro – selbst in Krisenjahren (4) – machen es möglich, diese Technologien auch anzuwenden. Aber es fehlte der politische Wille und wohl auch die politische Kraft für eine Umweltpolitik, die diesen Namen verdient.

Im Bundesland Hessen würde wohl keine Partei einen Koalitionspartner finden, wenn sie sich für den Werraschutz einsetzte. Es ist deshalb durchaus nachvollziehbar, wenn sich B’90/Die Grünen wegen der Regierungsbeteiligung gegen den Gewässerschutz entschieden haben. Es entlarvt aber die politische Unglaubwürdigkeit einer Partei, die vorgibt, „mit Liebe für die Umwelt“ zu kämpfen (5). Wenn es um die Wurst geht…. (6)

Besonders entlarvend ist es, wenn die bündnisgrüne Umweltministerin im Hinblick auf die Werraversalzung die Desinformation und das Greenwashing der Vorgängerregierungen ungehemmt fortsetzt.

Kein Umweltminister scheint sich dem Willen der Kali-Industrie so tief gebeugt und die Interessen der Anrainer so weitgehend verraten zu haben wie die bündnisgrüne Priska Hinz. In den Koalitionsverhandlungen hatte ihre Partei noch Werraschutz vorgetäuscht: „Die Koalition verfolgt das Ziel, die Belas­tung des Grund­wassers und des Oberflä­chenwassers im Naturraum Wer­ra-Weser durch Salzabwässer dauerhaft zu been­den.“ (Koalitionsvertrag 2014). Gerade wegen der Gewässerpolitik der Ministerin ist mit einer „dauerhaften Beendigung der Belastung“ in den nächsten 2000 Jahren nicht zu rechnen. Das Gegenteil ist zu erwarten, die Werra wird dauerhaft belastet bleiben.

In demselben Jahr 2014 hatte Priska Hinz nämlich mit ihrem „Vierphasenplan“ der K+S AG zugestanden, weiterhin Abwässer in den Untergrund zu verpressen und in die Werra zu leiten sowie die Rückstandshalden erweitern zu dürfen. Und 2015/2016 hat sie bei derAufstellung des Bewirtschaftungsplans 2015-2021 für Werra und Weser weitere vier bündnisgrüne Umweltminister aus den Anrainerländern Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen auf diese Linie verpflichtet.

Seitdem wird Gewässerschutz in der Flussgebietseinheit Weser ersetzt durch Desinformation und Greenwashing (7), (8). Das „Wasserforum“ der Landesregierung in Kassel ist dafür ein weiteres Beispiel.

In der Werra werden die Vorgaben der EU-WRRL nicht umgesetzt

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU (EU-WRRL) ist im Jahre 2000 in Kraft getreten. Die Richtlinie verlangt, dass bis 2015, spätestens aber bis 2027 im Grundwasser und in den Oberflächengewässern der Mitgliedsstaaten ein „guter ökologischer und chemischer Zustand“ erreicht wird.

Diesen Zielen sind wir in der Werra nicht näher gekommen, weil der Verursacher nicht die vorhandenen Möglichkeiten ergriffen hat, um den Salzabstoß seiner Werke im Werra-Fuldatal in ausreichendem Maße zu senken. Den Bewirtschaftungsplänen für die Flussgebietseinheit Weser können wir sogar entnehmen, dass er dazu auch nicht verpflichtet worden ist.

Chemische Reaktionen gefährden die Bergsicherheit und die Qualität der Werra bleibt unverändert schlecht

Die Bundesländer Hessen und Thüringen wollen der K+S AG erlauben, ihre Produktionsabwässer in alten Bergwerksstollen „einzustapeln“, also dauerhaft zu verklappen. Für die Einstapelung in thüringischen Bergwerken sollen sie vorab geringfügig „aufkonzentriert“ werden. In Hessen werden sie unaufbereitet und „temporär“ eingelagert (9).

Diese Beseitigungsverfahren sind riskant. Der Vorstandsvorsitzende der K-UTEC AG, Dr. Heiner Marx, hat darauf hingewiesen, dass die Salze der Lagerstätte nicht beständig sind gegenüber dem Wasseranteil der Abwässer (10). Dem Geochemiker Dr. Ralf Krupp verdanken wir den Hinweis, dass dafür eine chemische Reaktion des Wassers mit den Salzbestandteilen Sylvin und Kieserit verantwortlich ist (11).

Das Risiko der Einstapelung und ihre unvermeidbaren Folgen werden – wieder einmal – die Anrainer zu spüren bekommen. Dabei reicht die Maßnahme noch nicht einmal aus, um eine bessere ökologische und chemische Qualität in der Werra zu ermöglichen.

Erst geköpft und dann gehangen, dann gespießt auf heißen Stangen: das Wasserforum will die salztote Werra auch noch totgeschweigen

Die Kosten für die Einstapelung in Bergwerke will K+S nämlich nicht für die Abwässer seiner Rückstandshalden aufwenden. Sie sollen weiterhin in den Fluss Werra geleitet werden, deshalb will K+S dort die Grenzwerte auch zukünftig ausschöpfen. Das bedeutet, dass in der Werra die Umweltziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht einmal in geringem Umfang erreicht werden können. Die Werra verbleibt in dem schlechten Qualitätszustand, in dem sie sich seit Jahrzehnten befindet. Alles dies ermöglicht der „Vierphasenplan“ der Umweltministerin Priska Hinz.

Die Tagesordnung des „Wasserforums“ zeigt, dass die Umweltministerin dort angebliche „Erfolge“ bei der Umsetzung der EU-WRRL in den hessischen Gewässern darstellen will. Die Tagesordnung sieht aber nicht vor, auch ihr Versagen am Beispiel der Werra und der Oberweser zu diskutieren. Die Werra wird totgeschwiegen.

Anmerkungen:

(1) Volksstimme 13.10.2019 „Kali-Fusion kostete Milliardenbetrag“ https://www.volksstimme.de/sachsenanhalt/kali-fusion-kostete-milliardenbetrag/1570951832000

(2) MDR 13.10.2019 „Anfrage der Linken: Treuhand zahlte Milliardenbetrag für Kali-Fusion“ https://www.mdr.de/nachrichten/wirtschaft/inland/zahlen-zur-umstrittenen-kali-fusion-nach-wende-100.html

(3) Lesen Sie dazu den Blogbeitrag vom 14.11.2019: „Eine praktikable Lösung für die Entsorgungsprobleme des Kaliherstellers K+S war wohl nicht erwünscht.“

(4) Der Vorstandsvorsitzende der K+S AG, Lohr, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 14.05.2017: „Wir zum Beispiel haben selbst im schwierigen Jahr 2016 eine halbe Milliarde Gewinn (Ebidta) gemacht – trotz schlechtem Kalipreis, einem warmen Winter, der das Salzgeschäft beeinträchtigt hat, und Produktionseinschränkungen aufgrund der fehlenden Versenkung der Rückstände aus der Kaliförderung. Das zeigt, wie robust wir sind.“

(5) „Mit Liebe für die Umwelt. Kämpfe mit uns für echten Klimaschutz, umweltfreundlichen Verkehr und nachhaltige Landwirtschaft, die unsere Artenvielfalt erhält.“ So zu lesen auf: https://www.gruene.de/oekologie

(6) Die hessischen Wursthersteller mögen mir diesen politischen Kalauer nachsehen: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wilke-abschlussbericht-wursthersteller-wurde-zu-selten-kontrolliert-a-1297072.html

(7) W.Hölzel/WWA, Die Besatzung der Titanic hofft auf eine technische Lösung, die es unnötig macht, dem Eisberg auszuweichen, https://salzblog.org/2019/10/21/in-hessen-sollen-die-salzhalden-verdoppelt-werden/

(8) W.Hölzel/WWA, Priska Hinz erhält den Alternativenhttps://salzblog.org/2019/09/25/priska-hinz-erhaelt-den-alternativen-nobelpreis-wieder-nicht/ Nobelpreis (wieder) nicht,

(9) W.Hölzel/WWA, Unter den Teppich gestapewlt – Der ewige K+S-Entsorgungsnotstand und die Missachtung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, https://salzblog.org/2019/08/26/unter-den-teppich-gestapelt-der-ewige-ks-entsorgungsnotstand-und-die-missachtung-der-eu-wasserrahmenrichtlinie/

(10) Protokoll des Umweltausschusses der Stadt Witzenhausen vom 16.05.2019

(11) Ralf E. Krupp, Offener Brief an die Flussgebietsgemeinschaft Weser, „Versalzung der Werra und Weser, riskante Einstapelung von Kaliabwässern in ehemaligen Kalibergwerken“, vom 30.07.2019 https://ia601500.us.archive.org/23/items/kruppoffenerbrieffggweser2/Krupp_Offener_Brief_FGG_Weser_2.pdf


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