Hundert Jahre Werraversalzung und hundert Jahre Kaliforschung – warum sich die Qualität der betroffenen Gewässer trotzdem nicht verbessert

Teil I: Die K+S AG hat sich ein Verfahren zur Aufarbeitung der Haldenlaugen entwickeln lassen – wendet es aber nicht an

Die Abwässer der Salzhalden will die K+S AG weder aufarbeiten noch unter Tage einstapeln, sie sollen weiter in den Untergrund versickern und in die Werra eingeleitet werden. Angeblich enthalten sie so wenig Wertstoffe, dass sich ihre Aufarbeitung nicht lohnt. Wir wissen seit 2011, dass das falsch ist.

von Walter Hölzel

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie definiert fünf Qualitätsstufen für die Oberflächengewässer: von 1 „sehr gut“ bis 5 „schlecht“. Bis spätestens 2027 soll in den Gewässern der EU-Mitgliedsstaaten die Qualitätsstufe 2 „gut“ erreicht werden. Die Werra ist in die schlechteste Qualitätsstufe eingeordnet. Seit den Zeiten der stärksten Salzbelastung durch DDR-Betriebe hat sich die Qualität des Flusses nicht verbessert.

Von einer „Verbesserung“ spricht man erst dann, wenn die Qualität der Gewässer in mindestens einer Komponente um mindestens eine Stufe angehoben wird (1). Die K+S AG will zwar seit 2009 ca. 800 Mio. Euro in den „Gewässerschutz“ investiert haben, aber es ist nicht zu erkennen, dass damit ein solches Minimalziel bis 2027 erreicht oder auch nur angestrebt worden ist. Der „Vierphasenplan“ der hessischen Umweltministerin schreibt das Minimalziel noch nicht einmal für das Jahr 2075 fest.

Auch die Haldenlaugen können noch Gewinn abwerfen

Der Rückbau der Halden bis zur Betriebseinstellung in ca. 40 Jahren ist wirtschaftlich zumutbar (2). Bis dahin fallen allerdings noch Haldenlaugen an, die weiterhin in die Werra eingeleitet werden sollen. Schon deren Menge würde eine Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Werra und Weser unmöglich machen. Aber auch diese Abwässer können noch mit Gewinn aufgearbeitet werden. Es ist nicht nötig, sie versickern zu lassen oder sie in die Werra zu leiten.

Auf Anregung (genauer: hartnäckiges Drängen) des niedersächsischen Landtagsabgeordneten Roland Schminke (SPD) hatte die K+S AG 2010 einen Untersuchungsauftrag an die K-UTEC AG vergeben. Am Beispiel der wertstoffärmsten Abwässer (Haldenlauge aus Neuhof-Ellers, Q-Lauge aus Hattorf) sollte ermittelt werden, ob deren Aufarbeitung und die Gewinnung der enthaltenen Wertstoffe technisch und wirtschaftlich machbar wäre. Das 2011 vorgelegte Ergebnis war möglicherweise – für K+S überraschend – (zu) gut, denn es folgte ein längerer Streit um die Veröffentlichung der Expertise (3). Erst ein Jahr später konnte die Werra-Weser-Anrainerkonferenz (und nur mit Hilfe zahlreicher Unterstützer!) erreichen, dass die K-UTEC AG ihr Gutachten den Mitgliedern des Runden Tisches vorstellen durfte (4).

Schon der Vergleich mit natürlichen Salzwässern, die weltweit zu Kalidünger aufgearbeitet werden, zeigte, dass die Aufarbeitung der „wertstoffärmsten“ Abwässer der K+S AG keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würde:

Vergleich des Kaliumchloridgehalts von Haldenlaugen der K+S Kali GmbH im Werratal mit natürlichen Salzwässern, die international zu Kalidünger aufgearbeitet werden:

Herkunft Gehalt an KCl in g/Liter
Haldenlauge K+S24
Totes Meer14-17
Atacama, Chile35
Great Salt Lake, USA8
Sebhat El Melah, Tunesien15
Ram of Kutch, Indien17
Canamac, Peru7
Playa Kho,r Iran6

Der Vergleich zeigt, dass die K+S-Haldenlaugen international eher zu den wertstoffreicheren Wässern als Rohstoffquellen für Kalidünger zählen. Einer Aufarbeitung sollte deshalb nichts im Wege stehen und die K-UTEC AG konnte tatsächlich ein Verfahren erarbeiten (5), (6). Die Mitglieder des Runden Tisches waren beeindruckt und beauftragten den Vorsitzenden des Gremiums, die noch fehlende (oder von K+S zurückgehaltene?) wirtschaftliche Bewertung des Verfahrensvorschlags auf Kosten des Runden Tisches anfertigen zu lassen. Diesen Beschluss hat dessen Vorsitzender allerdings nicht umgesetzt.

Stattdessen hat er sich aufgefordert gesehen, selbst eine Schrift zur Stand der Technik in der Kali-Industrie zu verfassen. Als Autor firmiert die „Leitung des Runden Tisches“ (7).

Die Leitung des Runden Tisches provoziert ungewollt die Lösung für eine abstoßfreie Kaliproduktion

Diese Schrift musste naturwissenschaftlich/technisch gesehen eher ungenügend ausfallen, weil kein Mitglied der Leitung von der Ausbildung her über ausreichende Expertise verfügen konnte, um die hier angesprochenen Probleme beurteilen zu können. Leider scheint „die Leitung des Runden Tisches“ ihr Defizit selbst nicht erkannt zu haben. Die mangelhafte Qualität der Schrift könnte sich aber auch daraus erklären, dass die gesamte „Leitung des Runden Tisches“ nicht unabhängig war, sondern von der K+S AG für ihre Bemühungen entlohnt worden ist. Jedenfalls machte das Elaborat eine Kommentierung erforderlich (8).

Die K-UTEC AG ihrerseits hat jedenfalls nicht abgewartet, dass die Leitung des Runden Tisches das Mitgliedervotum umsetzt und die Fortschreibung der 2011 vorgelegten Expertise für die Aufarbeitung der Haldenlaugen beauftragt. Sie hat vielmehr auf eigene Kosten das Gutachten auf alle Abwässer der K+S-Werke im Werra- und Fuldatal ausgedehnt und eine Möglichkeit gefunden, diese Abwässer in ihrer Gesamtheit aufzuarbeiten. Die dann noch verbleibenden und unverwertbaren Reststoffe lassen sich in der Weise beseitigen, dass sie nicht an die Umwelt abgestoßen werden müssen. Somit wäre eine abstoßfreie Produktion möglich gewesen. Wir werden auf diesen Vorschlag in einem späteren Beitrag näher eingehen und ihn mit der von der K+S AG installierten „KKF-Anlage“ vergleichen.

Trotz erheblichen Widerstandes durch die Leitung des Runden Tisches konnte durchgesetzt werden, auch dieses neue Gutachten den Mitgliedern des Runden Tisches vortragen zu lassen (9). Ebenfalls vortragen durfte bei dieser Gelegenheit auch Prof. Dr. Quicker (RWTH Aachen), der die Energieberechnungen für die Aufarbeitung von K+S-Haldenlauge bestätigt hatte. Mit seinen Ausführungen waren die Bedenken der K+S-Mitarbeiter und -gutachter widerlegt (10). Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz hat den jetzt vorliegenden Stand der Technik in der Kali-Industrie zusammengefasst (11).

Ach so: muss ich erwähnen, dass die K+S AG keinen der Vorschläge umgesetzt hat? Es kommt aber noch schlimmer, warten Sie auf die folgenden Beiträge.

Anmerkungen

(1) Urteil des EuGH vom 01.07.2015 -C 461/13

(2) Lesen Sie dazu Teil IV der Blogserie über die Rückstandshalden

(3) Was hat Dr. Diekmann zu verbergen? Pressemitteilung der WWA vom 04.11.2011 https://ia601503.us.archive.org/29/items/werraweseranrainerkonferenzpm111104/Werra-Weser-Anrainerkonferenz-PM-111104.pdf

(4) W.Hölzel/WWA, Zum Jagen getragen. Über das Bemühen des Runden Tisches, den Stand der Technik in der Kali-Industrie (nicht) zu ermitteln, Witzenhausen 15.10.2012 https://ia601509.us.archive.org/1/items/zumjagengetragen/Zum%20Jagen%20getragen.pdf

(5) Marx et al., Überlegungen zur abstoßreduzierten bzw. abstoßfreien Produktion von Salzen, Kassel 18.09.2012. Das neue Konzept finden Sie auf den Folien 20 bis 36, den Vergleich mit anderen natürlichen Salzwässern auf der Folie 37: https://ia601508.us.archive.org/24/items/kutecrtseptember2012/K-UTEC%20RT%20September%202012.pdf

(6) W.Hölzel/WWA, Abstoßfreie Salztechnologien. Die K-UTEC AG findet Lösungen für Abwässer der K+S Kali GmbH. Witzenhausen, 12.10.2012 https://ia601500.us.archive.org/22/items/abstossfreiesalztechnologien/%28Absto%C3%9Ffreie%20Salztechnologien%29.pdf

(7) „Leitung des Runden Tisches“, Technische Potenziale zur Verminderung von Salzabwasser im Werk Werra, Stand 27.05.2013 (erhältlich über die Autoren)

(8) W.Hölzel/WWA, Selten ganz falsch, selten mehr als halb richtig, unvollständig, tendenziös und unbrauchbar: Die von der Leitung des Runden Tisches verfasste Schrift ‚Technische Potentiale zur Verminderung von Salzabwasser im Werk Werra, Stand 27.05.2013‘ https://ia601503.us.archive.org/32/items/seltenmehralshalbrichtigfinal/Selten%20mehr%20als%20halb%20richtig-final.pdf

(9) Marx et al., Überlegungen zur Aufbereitung der Abstoßlösungen des Werkes Werra, Runder Tisch, 24. 09.2013 https://ia601405.us.archive.org/10/items/praesmarx/Praes_Marx.pdf

(10) Quicker, Entsorgung von Kaliabwässern durch Eindampfen. Evaluierung eines alternativen Entsorgungsszenarios für Kaliabwässer der K+S Kali GmbH, Juli 2013 https://ia601408.us.archive.org/33/items/130710berichtwerra/130710_Bericht_WERRA.pdf

(11) W.Hölzel/WWA, Abstoßfreie Kalidüngerproduktion. Neue Ergebnisse für die Werke Werra und Fulda der K+S Kali GmbH, 30.10.2013 https://ia601407.us.archive.org/8/items/dieneuenergebnisseaussondershausen/Die%20neuen%20Ergebnisse%20aus%20Sondershausen.pdf


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