Erdfallopfer in Tiefenort werden endlich entschädigt

Salzauswaschungen im Untergrund hatten nach 2002 eine Serie von Erdfällen in Tiefenort (Thüringen) verursacht. Fünf Familien haben ihre Häuser verloren, die abgerutscht sind oder aus Sicherheitsgründen nicht mehr betreten werden können. (1)

Eine Austrittstelle von versickerten Abwässern

von Walter Hölzel

Nach erneuten Erdfällen Anfang 2010 hat die Werra-Weser-Anrainerkonferenz die K+S AG aufgefordert, die Verpressung von Abwässern sofort einzustellen und die Bergwerke durch Versatz der Salzhalden zu sichern:

„K+S darf sich nicht länger hinter der Aussage verstecken, der Rückbau der Salzhalden durch Versatz sei ihr aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar. Leben und Eigentum der Bürger im Werrarevier dürfen nicht missachtet werden. Leider hat das Thema der Grubensicherheit am so genannten ‚Runden Tisch’ keine Rolle gespielt.“ (4)

In der DDR war die Abwasserverpressung als Entsorgungsweg schon in den Siebzigerjahren beendet worden, weil die Trinkwasserbrunnen zu versalzen begannen. In Hessen darf die K+S AG ihre Abwässer noch bis 2021 in den Untergrund des Werratals verpressen. Dass die Salzabwässer an der Landesgrenze zu Thüringen nicht haltmachen, zeigt die Versalzung der Trinkwasserbrunnen in der Gemeinde Gerstungen. Bei Probebohrungen für einen Brückenbau in der Werraaue ist sogar Salzwasser unter Druck aus dem Untergrund ausgetreten.

In Thüringen finden sich auch Kaliabwässer unterhalb der Lagerstätten. Wegen des hohen Bromgehaltes wird angenommen, dass sie von den hessischen Werken stammen. In Thüringen war das Brom aus den Abwässern als Wertstoff gewonnen worden (2), (3).

Die K+S AG hatte jedoch jede Verantwortung für die Erdfälle abgelehnt – ebenso, wie das Unternehmen keine Verantwortung für die Versalzung der Trinkwasserbrunnen übernehmen wollte, weil diese einen „natürlichen Ursprung“ habe.

K+S weiß nicht, wo seine Abwässer geblieben sind

Die K+S AG hatte ihre Abwässer in Thüringen und in Hessen verpresst. Die Schluckbrunnen in der Gerstunger Mulde mussten wegen der akuten Trinkwassergefährdung schon 2007 ausser Betrieb genommen werden. Die Genehmigung zur Verpressung von 10 Mio. Kubikmeter Abwässer in der Gerstunger Mulde war mit der Auflage verbunden, die Abwässer wieder zurückzufördern. Diese Auflage hat das Unternehmen nicht erfüllt. (5)

Im Werrarevier sind mehr als eine Milliarde Kubikmeter Abwässer mit einem Salzgehalt von mehr als 300 Millionen Tonnen an Abfallsalzen in den Untergrund verpresst worden. Wegen der Streitigkeiten über die Trinkwasserversalzung musste K+S mit einem Grundwassermonitoring klären, wo diese Abwässer verblieben sind. Dabei stellte sich heraus, dass das Unternehmen ein Drittel der Menge, also 300 Millionen Kubikmeter, nicht mehr finden konnte. Sie müssen sich auf ungeklärte Weise mit dem Grundwasserstrom verbreitet haben. Es wäre naiv anzunehmen, dass sie nun keinen Schaden mehr anrichten.

Der Vertuschungsskandal 2015

Die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’96/Die Grünen) hatte 2014 der K+S AG in ihrem „Vierphasenplan“ zugesagt, die Verpressung von Abfalllaugen über den aktuellen Genehmigungszeitraum hinaus fortsetzen zu können. Das hat zu einem Konflikt mit dem Hessischen Landdesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) geführt, das als Fachbehörde vor einer weiteren Genehmigung gewarnt hatte:

„Die Beschaffenheit der Heilwässer (von Bad Hersfeld, Anm. des Autors) könnte sich künftig erheblich verändern, und deren weitere Nutzbarkeit wäre infrage gestellt“, warnten die Experten im Sommer 2014 in einer Stellungnahme für den Regierungspräsidenten in Kassel. „Begründete Besorgnis“ bestehe nicht nur für die Heilquellen. Ein Dutzend Trinkwasserbrunnen im Werra-Raum könnte kurzfristig unbrauchbar werden, bei einem Brunnen sei der Chloridgrenzwert schon mehrfach überschritten worden.“ (…) „Das Wasserrecht schreibt allerdings vor, dass die Qualität des Grundwassers nicht verschlechtert werden darf. Genau das sagen Hinz‘ Experten allerdings voraus: „Jede Salzwasserversenkung“ würde den „bestehenden Grundwasserschaden“ vergrößern.“ (6)

Wohl um ihre Zusage an K+S zu erfüllen, hatte die Ministerin die Behörde angewiesen, Passagen aus ihrer Expertise zu entfernen. Das hat ihr den Vorwurf der Vertuschung eingetragen (6), (7). Die Laugenverpressung durfte dann trotz der Vertuschungsvorwürfe und gegen die rechtlichen und fachlichen Bedenken fortgesetzt werden.

Verantwortung?

Inzwischen soll die K+S AG bereit sein, der Gemeinde Gerstungen Ausgleichszahlungen für den Ausfall der Trinkwasserbrunnen zu zahlen. Die geschädigten Bürger in Thüringen mussten darauf warten, dass der Freistaat Thüringen die Kosten übernmmt.

Die Gemeinde Tiefenort ist Mitglied der Werra-Weser-Anrainerkonferenz.

Anmerkungen:

(1) https://www.sueddeutsche.de/panorama/notfaelle-tiefenort-erdfall-von-tiefenort-betroffene-werden-entschaedigt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190927-99-60844

(2) http://www.mdr.de/thueringen/tiefenort100.html

(3) http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Salzlauge-breitet-sich-unkontrolliert-unter-Westthueringen-aus-106219522

(4) http://www.hna.de/nachrichten/werra-meissner-kreis/witzenhausen/haeuser-kalirevier-werra-sind-gefaehrdet-612611.html

(5) Zu der Praxis der „temporären Entsorgung“ durch die K+S AG siehe auch: Salzblog 35, 25.05.2019, „Das hat (K+S-)Methode… ‚Temporäre Entsorgung‘ und der endgültige Verlust der Glaubwürdigkeit“, https://salzblog.org/2019/05/

(6) Der Spiegel, 14.02.2015 „Und leise wandert der See“

(7) W.Hölzel, „Schönrednerei und Vertuschung eines Skandals – Die Umweltministerinnen in Hessen und Thüringen und ihr Beitrag zur Werra/Weser-Versalzung“, Stellungnahme der Werra-Weser-Anrainerkonferenz, 26.02.2015 https://ia601405.us.archive.org/7/items/vertuschungeinesskandals/Vertuschung%20eines%20Skandals.pdf


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