Auf dem Salzauge blind?

Gewässerverunreinigung und Wettbewerbsvorteile – Die EU-Kommission geht gegen deutsche Bauern vor und scheint die Kali-Industrie zu hätscheln. Was ist da los?

von Walter Hölzel

Kurz gesagt

■ Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens droht die EU-Kommission der Bundesrepublik Deutschland aktuell mit einer Klage vor dem EuGH, weil sie „über Jahre zu wenig gegen die Belastung des Grundwassers mit Nitrat aus der Landwirtschaft unternommen“ habe und deshalb gegen die EU-Wasserrah­menrichtlinie verstoße (1), (2). Das kann man nachvollziehen.

■ Die EU-Kommission hat 2012 ein Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik eingelei­tet, weil sie zu wenig gegen die Versalzung der Werra und der Weser sowie des Grundwassers durch Ab­wässer der Kali-Industrie unternommen habe und somit gegen die Wasserrahmenrichtlinie verstoße. An den beklagten Tatsachen hat sich bis heute nichts geändert, denn der aktuelle Bewirtschaftungsplan Weser sieht nicht vor, die Situation der Werra und der Oberweser zu verbessern, die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtli­nie werden dort weiterhin verfehlt (3). Trotz­dem wurde das Verfahren 2019 eingestellt und der Bundesrepu­blik droht keine Klage vor dem EuGH mehr. Das haben wir nicht verstanden (4).

■ Die EU-Kommission verklagt die Bundesrepublik vor dem EuGH, weil sie deutschen Bauern steuerli­che Erleichterungen gewährt. Dies führe zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem europäischen Binnenmarkt und verstoße deshalb gegen das EU-Recht (5). Auch das können wir nachvollziehen.

■ Die EU-Kommission hat der spanischen Regierung mit einer Klage vor dem EuGH gedroht, weil sie nichts gegen die dort von dem Unternehmen Iberpotash SA betriebene übertägige Ablagerung von Salzrück­ständen unternehme, obwohl diese eine „Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit“ darstell­ten. Dem Unternehmen wurde daraufhin die Salzablagerung untersagt und der Rückbau der Halden aufer­legt. Für uns auch verständlich. Die Iberpotash SA musste nach eigenen Angaben 800 Mio. Euro investieren, um den Auflagen nach­kommen zu können (6).

■ Der deutschen Kaliherstellerin K+S AG wird die Aufhaldung von Salzrückständen weiterhin gestat­tet. Haldenerweiterungen und die Neuanlage von Rückstandshalden wurden beantragt und in Teilen bereits ge­nehmigt. Der K+S AG bleiben somit die erheblichen Investitionen und Betriebsaufwendungen erspart, um ei­nen Kalibergbau mit Versatz und den Rückbau der Halden zu ermöglichen. Das muss man wohl als Wettbe­werbsvorteil ansehen, zumal die Unternehmen auch auf dem europäischen Binnenmarkt konkurrieren. Trotz­dem kann die EU-Kommis­sion (hier: die Generaldirektion Wettbewerb) keine Wettbewerbsverzerrung erken­nen, weil „K+S und Iberpotash Wettbewerber sind“ (7). Als Nicht-Jurist verstehe ich diese Argumentation nicht. Mit meinem lai­enhaften Verstand bin ich bisher davon ausgegangen, dass eine Wettbewerbsverzer­rung nur unter Wettbe­werbern möglich ist. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass juristisch gesehen unter Wettbewerbern eine Wett­bewerbsverzerrung unmöglich ist. Man lernt ja nie aus, aber was kann ich hier ei­gentlich ler­nen?

Kurz gefragt: Was ist da los?

Es tut mir leid, diese naheliegende und schon eingangs gestellte Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Vielleicht möchte eine(r) der Abgeordneten unter unseren Lesern selbst bei der EU-Kommission nachfra­gen? Ich glaube, wir sind alle sehr neugierig.

Anmerkungen

  1. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2019-07/nitrat-grundwasser-eu-kommission-deutschland
  2. https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/nitrat-im-grundwasser-deutschland-droht-strafe-von-850-000-euro-pro-tag-a-1278967.html
  3. W.Hölzel/WWA, Salzblog 39 vom 20.06.2019: „Danke für die Klatsche. Der EuGH zeigt: die EU-Kommission ist fehlbar. Und: sie ist korrigierbar“
  4. W.Hölzel/WWA, Salzblog 32 vom 18.03.2019: „Die Werra soll auf der Strecke bleiben – und die Weser auch“
  5. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/eu-kommission-verklagt-deutschland-wegen-steuervorteilen-fuer-bauern-a-1279040.html
  6. W. Hölzel/WWA, Salzblog 16 vom 01.02.3018: In Spanien aktiv, in Deutschland blind und taub?
  7. So wörtlich in einem Schreiben der GD Wettbewerb vom 08.05.2019 an die Werra-Weser-Anrainer­konferenz.

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