Der EuGH zeigt: die EU-Kommission ist fehlbar. Und: sie ist korrigierbar.
von Walter Hölzel
Die deutschen Gerichte dürfen den Anrainern von Werra und Weser den Zugang zum EuGH nicht länger versperren
Die Zeit schreibt:
„Die EU hatte sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, stellte es aber nach Verhandlungen mit dem Verkehrsministerium wieder ein. 2016 räumten beide Seiten letzte Streitfragen aus und bekundeten, dass die Regelungen nun EU-konform seien. Der für das Verfahren zuständige Generalanwalt sprach sich in seinem Schlussantrag im Februar noch dafür aus, die Klage Österreichs abzuweisen. Das sah der Gerichtshof nun anders.“ (1)
Danke für die Klatsche! betitelte Der Spiegel einen Kommentar über das Maut-Urteil des EuGH und fährt fort:
„Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist nicht nur eine Ohrfeige für die CSU und Kanzlerin Merkel, sondern auch für eine zunehmend politisch agierende EU-Kommission. Die Mahnung kommt gerade rechtzeitig. (…) Das Urteil ist daher auch eine Klatsche für Jean-Claude Junckers sogenannte politische Kommission. Eigentlich ist es die vornehmste Aufgabe der Behörde, als „Hüterin der Verträge“ darüber zu wachen, dass die EU-Mitglieder europäisches Recht korrekt anwenden. Der scheidende Kommissionschef Juncker dagegen führte seine Behörde immer öfter hinein in die heiklen politischen Grabenkriege des Kontinents. (…) Der Stabilitäts- und Wachstumspakt etwa, der die Schuldenmacherei in den EU-Mitgliedstaaten in Grenzen halten sollte, wurde, wie es beschönigend hieß, flexibel interpretiert. Statt harter Zahlen entschied immer öfter die politische Opportunität: Ein Strafverfahren gegen Italien oder Spanien? Nicht doch, dort stehen Wahlen an.“ (2)
Schon 2016 hatte Der Spiegel das Maut-Gemauschel kritisiert:
Diesem Geschachere hat der EuGH nun – wenigstens an dieser Stelle – erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Es wird nun Zeit, dass sich der EuGH auch mit der Versalzung von Werra und Weser beschäftigen kann. Dem Zugang zu diesem Gericht sind allerdings hohe Hürden gesetzt. Nur die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission können Klagen führen. Privatpersonen und Organisationen, die vor deutschen Gerichten klagen, sind darauf angewiesen, dass diese Gerichte den EuGH anrufen, um rechtliche Fragen klären zu lassen. Dies dürfen die hessischen Gerichte im Zusammenhang mit den Entsorgungspraktiken der K+S AG nicht länger verweigern. Die zur Zeit offenbar bedrängte und geschwächte Kommission benötigt dringend Unterstützung bei ihrer „vornehmsten Aufgabe als Hüterin der Verträge“. Wer kann sich vorstellen, dass der europäische Gedanke keinen Schaden nimmt, wenn über die Einhaltung der Verträge nach Macht und Gutdünken entschieden wird? Damit würden doch den rechtspopulististischen Europahassern täglich neue – und gute! – Argumente geliefert.
„Der Deal wirft ein schlechtes Licht auf die Kommission. Jahrelang hat sie Dobrindts Vorhaben aufs Schärfste bekämpft, nun gibt sie sich mit einem halbseidenen Kompromiss zufrieden.“ (3)
Der EuGH setzt der Verschlechterung der Gewässer enge Grenzen
Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) definiert 5 Qualitätsstufen, in welche die Oberflächengewässer eingeteilt werden, um deren Zustand sowie mögliche Verbesserungen und Verschlechterungen beurteilen zu können. Sie beginnen bei dem „guten Zustand“, der auch das Umweltziel für alle Gewässer darstellt. An fünfter und letzter Stelle kommt der „schlechte Zustand“. Hier sind die Werra und das Grundwasser im Werra-Fuldarevier eingestuft. Für Grundwasser gibt es nur die Qualitätsstufen „gut“ und „schlecht“. Die EU-WRRL kennt außerdem ein „Verbesserungsgebot“ und ein „Verschlechterungsverbot“.
In einem Urteil vom 1. Juli 2015 hat der EuGH das Verschlechterungsverbot näher definiert und engere Grenzen gesetzt :
„Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 dahin auszulegen ist, dass eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.“ (4)
Ein besonderer Fall liegt vor, wenn das betroffene Gewässer bereits in die Kategorie „schlecht“ eingestuft ist. Dieser Umstand darf nicht als Vorwand benutzt werden, um eine Fortführung der Verschlechterung zu rechtfertigen. Unter der genannten Voraussetzung, so urteilt der EuGH, ist jede weitere Verschlechterung als Verletzung des Verschlechterungsverbots anzusehen:
„Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dar.“ (5)
Dies trifft auf die Werra und auf das Grundwasser im Werra-Fuldarevier zu, die beide in die Qualitätsstufe „schlecht“ eingeordnet sind. Somit stellen das Versenken von Abwässern, das Versickernlassen von Haldenlaugen und die Einleitung von Abwässern in die Werra eine Verletzung des Verschlechterungsverbots dar. Diese Entsorgungswege sind somit rechtswidrig. Das Urteil des EuGH ist bislang weder von deutschen Gerichten noch von den Genehmigungsbehörden beachtet worden.
Was die EU-Kommission in Spanien kann, das soll sie in Deutschland nicht wollen dürfen?
In Spanien gibt es mehrere rechtskräftige Urteile gegen die vom dortigen Kalihersteller betriebenen Salz-Rückstandshalden. Da die spanischen Behörden die Urteile nicht umgesetzt haben, hat die EU-Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren mit einer Klage vor dem EuGH gedroht, weil Salzrückstandshalden „eine Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit“ seien (6), (7). Das hat ausgereicht, die Behörden zum Handeln zu veranlassen: Iberpotash wurde die weitere Salzaufhaldung über das Jahr 2017 hinaus untersagt und das Unternehmen muss die bestehenden Rückstandshalden abbauen (8). Die gesetzte Frist wurde 2017 durch ein Gericht um zwei Jahre verlängert, das gleichzeitig die Behörden mit einem straffen Berichts- und Zeitplan in die Pflicht genommen hat (9), (10).
Für die Iberpotash SA hatte das Vorgehen der Behörden Folgen. Das Unternehmen muss 800 Mio. Euro aufwenden, um sich mit dem „Plan Phoenix“ auf die neue Situation einstellen zu können. Bezogen auf die Wirtschaftskraft entspräche dies Investitionen der K+S AG in der Höhe von 3-4 Mrd. Euro. Das haben die Behörden dem deutschen Kalihersteller nicht zugemutet. Sie muten aber den Anrainern zu, auf unabsehbare Zeit weiter mit den Abwässern aus dem Werrarevier belastet zu werden. Die EU-Kommission ist hier untätig geblieben und sie hat jetzt sogar das seit 2012 anhängige Vertragsverletzungsverfahren eingestellt (11).
„Greenwashing“ soll das deutsche Interesse am Einknicken der Kommission vertuschen
Zuständig für die
Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sind in Deutschland die in der
Flussgebietsgemeinschaft Weser (FGG Weser) zusammengeschlossenen
Bundesländer. Diese Organisation ist seit mindestens 2009 nicht Teil
der Lösung, sondern wesentlicher Teil des Problems. Das betrifft
insbesondere das Verur-
sacherland Hessen, dem man schon
„Entsorgung nach Gutsherrenart“ vorgeworfen hat.. Seit Priska
Hinz (B’90/Die Grünen) dort Umweltministerin ist, scheint das Land
jede kritische Distanz zum Kalihersteller und zu den Folgen
seiner Entsorgungspraktiken verloren zu haben (12).
Zugegeben: in Hessen
kann man als Werraschützer nicht Minister werden. Stattdessen muss
man Gewässerschutz vortäuschen. 2007 hatten die hessischen
Bündnisgrünen vage gefordert, die Werra solle „in zwanzig
Jahren Süßwasserqualität“ haben. Schon 2014 hat die Ministerin
damit aufgeräumt. Ihr mit K+S abge-
stimmter
„Vierphasenplan“ gestattet dem Unternehmen auch noch in 60
Jahren, die Werra als Abwasserrinne in Anspruch zu nehmen. Noch
schlimmer sieht es mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie aus, die
eigentlich bis 2027 umgesetzt werden sollen. Der Vierphasenplan
lässt auch für das Jahr 2075 nicht erkennen, dass ein
Erreichen der Qualitätsziele angestrebt wird.
Die Umweltminister aber versuchen, mit „Greenwashing“ diese Tatsachen zu vertuschen (auf die markierten Abschnitte gehe ich später ein):
„Die konsequente Umsetzung sowie die verbindliche Vereinbarung für Maßnahmen für den Gewässerschutz mit dem Unternehmen K+S haben nun maßgeblich dazu beigetragen, dass das Vertragsverletzungsverfahren abgewendet werden konnte. Das zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg und sorgen für eine bessere Wasserqualität in Weser und Werra“, erklärte die Hessische Umweltministerin Priska Hinz heute als Vorsitzende der Weser-Ministerkonferenz. (…) Es wurden klare Zielwerte für die Wasserqualität festgelegt und im „Maßnahmenprogramm Salz 2015 bis 2021“ detailliert beschrieben, wie das gute Potential in der Weser und der bestmöglichste Zustand in der Werra hinsichtlich der Salzbelastung erreicht werden soll. Bei den vom Unternehmen K+S bereits umgesetzten Maßnahmen wie der KKF-Anlage (Kainit-Kristallisations- und Flotationsanlage) und den derzeit in Umsetzung befindlichen Maßnahmen wie dem Einstapeln unter Tage sowie der Abdeckung von Rückstandshalden steht die Vermeidung von Produktions- und Haldenabwässer und nicht deren Einleitung in Werra und Weser oder Versenkung im Vordergrund.“ (13)
Und:
„Bremens Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) freut sich darüber, dass sich die Wasserqualität von Weser und Werra trotz der Salzbelastung durch die Kaliindustrie deutlich verbessert hat. Die Maßnahmen, um den Salzgehalt der beiden Flüsse zu verringern, greifen, heißt es in einer Stellungnahme. Der Bremer Umweltsenator reagiert damit auf eine Entscheidung der EU-Kommission. Die hatte beschlossen, dass Deutschland wegen der besseren Wasserqualität beider Flüsse keine Strafmaßnahmen mehr drohen. Weil Deutschland die europäischen Wasserrichtlinien an Weser und Werra jahrelang nicht einhielt, hatte die EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das sei inzwischen aber eingestellt, bestätigte eine Sprecherin. Die Flussgebietsgemeinschaft Weser – ein Zusammenschluss von sieben Bundesländern – verbucht das als ihren Erfolg. Sie hatte vor drei Jahren Schritte vereinbart, um die Salzbelastung beider Flüsse zu reduzieren; unter anderem über Auflagen für den Kasseler Salz- und Kalikonzern K+S, der seine Produktionsabfälle in der Werra entsorgt. K + S musste beispielsweise eine Anlage zur Aufbereitung von Salzlösungen bauen. Außerdem gibt es inzwischen strengere Grenzwerte für Salze im Wasser.“ (14)
Die „bestmöglichste“ Werra bricht europäische Richtlinien
Die Darstellungen der Minister lassen sich geradezu lächerlich einfach als Falschdarstellungen entlarven:
- Schon mit dem ersten Blick auf die veröffentlichten Messwerte für Werra und Weser können Interessierte feststellen, dass es keine „bessere Wasserqualität in Werra und Weser“ gibt, sie kann deshalb auch nicht der Grund für die „Abwendung des Vertragsverletzungsverfahrens“ sein.
-
Der
aktuelle Bewirtschaftungsplan hat keineswegs „klare
Zielwerte für die Wasserqualität festgelegt“.
Es
gibt nur einen vage formulierten Chloridwert für den Pegel Boffzen;
man hofft, dass dort künftig eine Chloridkonzentration von 300
mg/Liter nicht überschritten wird. Selbst wenn das erreicht werden
könnte, wäre das Ergebnis kläglich:
- Im salzbelasteten Teil der Werra, beginnend in Thüringen, und in der Weser bis zum Pegel Boffzen (kurz vor Porta Westfalica) wird keine Verbesserung im Sinne der EU-WRRL angestrebt.
- Mit einer Chloridkonzentration von 300 mg/Liter hinter dem Pegel Boffzen würde der „gute biologische Zustand“ als Ziel der EU-WRRL nicht erreicht. Man muss also davon ausgehen, dass auch über Boffzen hinaus, möglicherweise sogar bis Bremen, eine Umsetzung der EU-WRRL nicht angestrebt wird.
- Das Umweltziel der EU-WRRL ist der „gute biologische und chemische Zustand“. Das von der Ministerin genannte „gute Potential“ darf als minderes Umweltziel nur angestrebt werden, wenn der K+S AG Ausnahmen zugestanden werden dürften. Das hat die EU-Kommission aber schon 2015 ausgeschlossen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (15).
- Der „bestmöglichste Zustand“, den Ministerin Hinz für die Werra benennt und anstrebt, ist kein Begriff, den die WRRL als Umweltziel kennt. Tatsächlich sollen die in der Werra geltenden Grenzwerte weiter ausgeschöpft werden und die Werra somit im „schlechten biologischen und chemischen Zustand“ verbleiben (16). Wenn das der „bestmöglichste“ Zustand wäre, dann könnte man Frau Hinz die „bestmöglichste“ Umweltministerin nennen.
- Die „von K+S bereits umgesetzte KKF-Anlage“ ist technisch so unzureichend, dass sie den Entsorgungsnotstand 2018 nicht verhindern konnte. Das geplante „Einstapeln unter Tage“ stockt wegen der fehlenden Genehmigung. Nach Auskunft der K-UTEC AG lösen die nur unzureichend aufbereiteten Abwässer die Stützpfeiler der Gruben (17). In Hessen, also unter der Kontrolle der Umweltministerin Hinz, ist eine Verklappung von Abwässern in Bergwerke ohnehin aus Sicherheitsgründen abgelehnt worden.
- Für die Möglichkeit einer Haldenabdeckung gibt es bisher keinen Beleg. Halden der K+S AG sind, zumindest im Fuldarevier und dort schon aus der Entfernung erkennbar, so instabil, dass eine standsichere Abdeckung uns schon deshalb ausgeschlossen erscheint (18).
- Das Vertragsverletzungsverfahren wurde nicht etwa eingeleitet, weil „Deutschland die europäischen Wasserrichtlinien an Weser und Werra jahrelang nicht einhielt“, sondern weil die Umweltminister der Anrainerländer sie nicht umgesetzt haben. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
- Ich würde mir gerne von Bremer Umweltsenator belegen lassen, welche „strengeren Grenzwerte für Salze im Wasser“ er meint. Mir sind sie nicht bekannt. Er sollte dann aber auch gleich begründen, warum diese „strengeren Grenzwerte“ in Werra und Weser nicht beachtet werden.
Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen
Mit einer Verbesserung der Gewässerqualität oder gar dem Erreichen der Qualitätsziele kann die EU-Kommission die Verfahrenseinstellung nicht begründet haben: die gibt es nämlich nicht. Das Einknicken der EU-Kommission kann für uns deshalb kein Grund sein, die Auseinandersetzung um saubere Flüsse einzustellen.
Die Ausführungen der Minister lassen an keiner Stelle erkennen, dass die von der Kommission im Jahre 2015 benannten Mängel des aktuellen Bewirtschaftungsplan inzwischen behoben sind, sie werden noch nicht einmal benannt. Lesen Sie die fundamentale Kritik der EU-Kommission am Bewirtschaftungsplan 2015 für die Flussgebietseinheit Weser (Hervorhebungen durch den Autor):
„Die Kommision hält an ihrem Standpunkt fest, dass Deutschland in Bezug auf den Oberflächen- und Grundwasserkörper des Einzugsgebiets von Werra und Weser gegen mehrere seiner Verpflichtungen aus der Wasserrahmenrichtlinie verstoßen hat. Es ist schon jetzt klar, dass Deutschland seiner Verpflichtung aus Artikel 4 Absatz 1 WRR, spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie, d.h. bis Ende 2015, für alle Oberflächen- und Grundwasserkörper einen guten Zustand zu erreichen, nicht nachkommen wird. Die Sachlage macht eine Ausnahme von dieser Verpflichtung erforderlich, die Bedingungen für eine Fristverlängerung gemäß Artikel 4 Absatz 4 oder für weniger strenge Umweltziele gemäß Artikel 4 Absatz 5 sind jedoch nicht erfüllt. Außerdem verstößt Deutschland auch gegen die Anforderungen von Artikel 11 Nummer 7 WRR, da zum Erreichen der Ziele gemäß Artikel 4 WRR für die betreffenden Wasserkörper erforderlichen Maßnahmen im Maßnahmenprogramm nicht einmal aufgelistet sind und auch die Bewirtschaftubgspläne keinerlei Angaben darüber enthalten, wie die Ziele von Artikel 4 WRR realisiert werden sollen. Dies gilt für den Bewirtschaftungsplan 2009, aber es geht nunmehr auch aus dem Entwurf des Bewirtschaftungsplans 2015 eindeutig hervor, dass die zuvor festgestellten Mängel nicht behoben wurden, sondern sich vielmehr fortsetzen und sich verschlimmern werden. Die Sachlage steht auch im Widerspruch zu den klaren Aussagen des Bundeswirtschaftsministeriums.“ (15)
Zusammengefasst:
- Die Mängel des Bewirtschaftungsplans 2009 setzen sich im Bewirtschaftungsplan 2015 fort und verschlimmern sich.
- Der Bewirtschaftungsplan strebt die Umsetzung der Umweltziele nicht an. Die hierfür notwendigen Ausnahmegenehmigungen können nicht angewendet werden, weil die Voraussetzungen nicht gegeben sind.
- Der Bundeswirtschaftsminister hat mit seinen „klaren Aussagen“ die tatsächlich defizitäre Umsetzung der EU-WRRL nicht korrekt dargestellt.
In der Endfassung des Bewirtschaftungsplans 2015 sind die o.g. Mängel nicht behoben worden. Aus den zitierten Äußerungen der Minister, die überwiegend vage, unvollständig und sachlich falsch sind, geht immerhin eines hervor: Die Ziele der EU-WRRL werden auch bis 2027 nicht erreicht und noch nicht einmal angestrebt. Lediglich für die Flussstrecke nördlich des Pegels Boffzen wird die zweitschlechteste Qualitätsstufe, das „gute Potential“ vage in Aussicht gestellt. Hierfür müssten die Minister Ausnahmeregelungen nach Artikel 4 Absatz 4 oder Absatz 5 WRRL anwenden dürfen. Dafür, so die EU-Kommission, sind die erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben (15).
Wegen der fehlenden sachlichen Begründung müssen wir vermuten, dass die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens politisch beeinflusst war und dass damit Verträge gebrochen und die Interessen der Anrainer unberücksichtigt gelassen wurden. Dies bedarf der Überprüfung durch den EuGH.
Anmerkungen:
- https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-06/pkw-maut-verstoesst-gegen-eu-recht
- https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mauturteil-des-eugh-viele-verlierer-und-eine-mahnung-a- 1273010.html
- https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-148300365.html
- Urteil des EuGH vom 01. Juli 2015 in der Rechtssache C 461/13, Rn. 70, erster Satz
- Wie oben, Rn. 70, zweiter Satz
- Vertragsverletzungsverfahren Nr. C 2014/4004, Schreiben der EU-Kommission an die spanische Regierung vom 10.07.2014
- http://www.elconfidencial.com/empresas/2014-09-17/ultimatum-de-bruselas-a-espana-las-minas- de- iberpotash-son-un-peligro-para-la-salud_197396/
- El Pais, 3. Oct. 2014, La Generalitat fija para 2017 el cierre de la monta~na der Iberpotash
- http://www.economiadigital.es/directivos-y-empresas/iberpotash-escombrera-juez- tsjc_410892_102.html
- http://www.lavanguardia.com/vida/20170630/423783851951/tsjc-acepta-la-moratoria-para-que-iber potashsiga-vertiendo-sal-en-el-cogullo.html
- W.Hölzel/WWA, Das Ende der Bevormundung, Salzblog 38, 17.06.2019
- Ihre Vorgängerin, Lucia Puttrich (CDU) hatte wenigstens den Mut, der Behauptung von K+S-Gutach- tern öffentlich keinen Glauben zu schenken, der biologische Zustand der Werra habe sich „dyna – misch verbessert“ und „weitere Verbesserungen“ seien zu erwarten.
- PM der FGG Weser, ohne Datumsangabe
- https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/weser-wasserqualitaet-sauber-100.html
- Schreiben der EU-Kommission an die Bundesrepublik Deutschland vom 22.10.2015, Rn. 22
- W.Hölzel/WWA, Zurück auf Start, Salzblog 37, 11.06.2019
- W.Hölzel/WWA, Die Werra soll auf der Strecke bleiben – und die Weser auch, Salzblog 32, 18.03.2016
- W.Hölzel/WWA, Vertraut unseren Plänen, wir bauen auf Sand, Salzblog 34, 06.05.2019