Aus Teufels Küche

Kann man mit falschen oder verfälschenden Mitteilungen Öffentlichkeit und Behörden beeinflussen?

Es geht um die Pläne der K+S AG, den Rückbau der Salzhalde in Wathlingen zu vermeiden und sie stattdessen in eine Bauschuttde­ponie und damit in ein neues profit center umzuwandeln. Das Vor­haben ist umstrit­ten; die EU-Kommission hatte in Spanien den Rü­ckbau solcher Halden gefordert und durchgesetzt, weil sie „der Umwelt und der menschlichen Gesundheit schaden“. Der Geologe und Geochemiker Dr. Ralf Krupp beklagt nun, dass K+S Mitarbeiter Teile seiner Gutachten für die Halde in Wathlingen aus dem Zu­sammenhang gerissen, unvollständig zitiert und so grob verfälscht haben. Er sieht sich in seiner Glaubwürdigkeit geschädigt und be­fürchtet, dass die Falschinformationen das anstehende Planfest­stellungsverfahren beeinflussen. In einer ersten Reaktion geht K+S davon aus, dass die Falschdarstellung das Behördenverfahren nicht beeinflussen könne (1).

von Walter Hölzel

Wir sind es gewohnt, Aussagen von K+S-Mitarbeitern zunächst großes Vertrauen entgegen zu bringen. Es stellt sich aber hier doch die Frage, warum die beschriebene Falschdarstellung nötig war, wenn sie – ohne Nutzen und ohne Schaden für das Unternehmen K+S – auch hätte unterbleiben können? Und wenn wir in unseren Gedanken erst einmal so weit gekommen sind, dann erinnern wir uns auch, dass diese und ähnli­che Fragen zu Dutzen­den unbeantwortet sind, seitdem wir die Medienpolitik der K+S AG beobachten.

Erst kürzlich hat der K+S-Sprecher Jörg Willecke seine Sicht der Salzwelt zum Besten gegeben (2). Er äußert sich zu einem Interview, das ich der HNA gegeben hatte:

Auch das von ihm gerne als Kronzeuge für seine Ideen bemühte Ingenieurbüro K-UTEC verfolgt – wie andere Experten – das Konzept einer Eindampfung aller Abwässer inzwischen nicht weiter, sondern setzt – wie K+S auch – auf selektive Eindampfung, um hochkonzentrierte Salzlösungen zu erzeugen, die zum Beispiel in stillgelegten Bergwerken schadlos verwertet oder beseitigt werden können.“

K-UTEC hat den Auftrag erhalten, die Mängel der KKF-Anlage auszugleichen

Hier übergeht Willecke die Tatsache, dass die K-UTEC AG schlicht und einfach nicht damit beuftragt worden ist, die bekannten Verfahren zur abstoßfreien Kaliproduktion umzusetzen. K-UTEC kann schließlich keine Probleme bearbeiten, die K+S nicht gelöst haben möchte. Viel­mehr ist das Ingenieurbüro beauftragt worden, ein ganz anderes Verfahren für einen ganz anderen Zweck zu entwickeln, dessen technische und wirtschaft­liche Machbarkeit sowie dessen Wirksamkeit erst in eini­gen Jahren beurteilt werden können. Wir wis­sen bis­lang also noch nicht einmal, ob K+S die zu erwartenden K-UTEC-Vor­schläge realisieren kann, will bzw. wird.

Bei den Verhandlungen des Jahres 2018 zwischen der K+S AG und der Werra-Weser-Klägergemeinschaft hat der Vertreter der K-UTEC AG (Dr. Marx) sogar ausdrücklich betont, dass er keinen Grund habe, seinen Vorschlag für eine abstoßfreie Kaliproduktion jetzt anders zu beurteilen. Sein Unternehmen habe aber ledig­lich den Auftrag erhalten, eine Lösung für die Abwässer der 2018 neu errichteten „KKF-Anlage“ zu finden und dazu ganz andere Verfahren zu verwenden.

Dass es diese Abwässer überhaupt gibt, war uns bis dahin neu. Bislang hatte K+S vermieden, die Wirksam­keit der KKF-Anlage näher zu beziffern; angeblich soll sie jährlich 1,5 Mio. cbm „Salzwässer vermeiden“ hel­fen. Jetzt wissen wir, dass die Anlage vielmehr dieselbe Menge an „Salzwässern“ abstößt, die dann in die Werra geleitet werden. Auch kann die KKF-Anlage den Großteil der Inhaltsstoffe (das Natriumchlo­rid) nicht als Wertstoff gewinnen, es wird vielmehr aufgehaldet und erzeugt auf den Rückstandshalden wieder diejeni­ge Menge an Haldenlaugen, die vorher „eingespart“ worden sein soll. Für die Wirksam­keit der KKF-Anlage ist die Menge der „eingesparten Salzwässer“ nur von geringem Belang, es kommt ausschließlich auf die Menge der abgestoßenen Salze an. In dieser Hinsicht und im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit der Werra für Produkti­onsabwässer ist die Wirk­samkeit der Anlage als gering einzustufen. Das wird in den Darstellun­gen der K+S AG nicht deutlich, sondern eher verschleiert.

Willecke kennt sich auch in Spanien gut aus

Auch zu den Entsorgungsproblemen des spanischen Kaliherstellers Iberpotash hat Willecke eine eigene Deutung parat:

„Der spanische Kaliproduzent Iberpotash habe zwar erhebliche Mittel in eine Anlage zur Aufbereitung von Rückstandsalzen zu Industriesalz investiert, die Anlage sei aber in der ersten Ausbaustufe steckengeblieben und erzeuge Produkte von minderwertiger Qualität, die sich nicht absetzen lassen. Entsprechende Abnah­meverträge seien bereits gekündigt,“

Die Stichhaltigkeit dieser Behauptungen können wir ebensowenig überprüfen wie der K+S-Sprecher selbst. Er kann sie nur – wie auch wir – der Medienberichterstattung entnehmen. Willecke vergißt aber zu erwähnen, dass im Mo­ment ein Machtkampf zwischen der spanischen Zentralregierung, der katalonischen Provinzre­gierung, der Iberpotash SA und der EU-Kommission stattfindet. Die tatsächlichen Hintergründe können bis­lang nicht be­urteilt werden. Jede Interpretation der verworrenen Lage ist deshalb fragwürdig, eine solche Interpretati­on sogar als Tatsache darzustellen, wäre unzulässig.

Es ist nicht uninteressant, dass Willecke in diesem Zusammenhang eine bestimmte Tatsache übergeht, die er ebenfalls den Medien hätte entnehmen können und die er hätte erwähnen müssen: Iberpotash hat zwar einseitig der Liefervertrag ge­kündigt, aber der Abnehmer der Industriesalze (das holländische Unternehmen Akzo Nobel) will keines­falls auf die Salze verzichten. Akzo Nobel klagt deshalb sogar vor einem Schiedsge­richtshof. Das lässt daran zweifeln, dass die Aufbereitungsprodukte tatsächlich eine „minderwerti­ge Qualität“ haben. Viel­leicht will Iber­potash nur bessere Preise für seine hochwertigen Industriesalze durchsetzen? Die Interpreta­tionen des K+S-Spre­chers lassen nach unserer Auffassung jede journalisti­sche Sorgfalt vermissen – das ist allerdings auch nicht seine Aufgabe. So leicht wollten wir es uns nicht ma­chen, als wir zu der letzten Anrai­nerkonferenz in Witzenhausen (September 2018) auch Akteure aus dem katalonischen Ka­lirevier eingeladen und so unse­ren Informationsstand verbessert haben.

Weiter Willecke:

„Auf eine Ableitung von Haldenwässern in das Mittelmeer könne obendrein auch weiterhin nicht verzichtet werden –das geschehe zudem mit finanzieller Unterstützung der katalonischen Regionalregierung.“

Die Anlagen, mit denen die Haldenlaugen der Iberpotash SA gesammelt und in das Mittelmeer geleitet wer­den, sind Eigentum des Staates und werden auch mit stattlichen Mitteln unterhalten und erneuert. Ob die ka­talonische Regierung auf eine Rückforderung der Kosten verzichten kann, ist bislang offen. Die EU-Kommis­sion hat – in anderer Angelegenheit – mit einer Klage wegen unerlaubter Subventionierung der Iberpotash SA ge­droht. Tatsache ist, dass die spanischen Behörden den Rückbau der Salzhalden angeordnet haben, ohne die Haldenlaugen zu berücksichtigen. Deren Aufbereitung wäre kein Problem, weil sie dieselbe Zusammen­setzung haben wie das Hal­denmaterial selbst. Es kann deshab nicht behauptet werden, dass Iberpotash auf die „Ableitung von Halden­laugen nicht verzichten könne“ und dass dies mit „finanzieller Unterstützung der katalonischen Regionalre­gierung geschehe.“ Wir sehen hier mehr als eine „Überinterpretation“ von Fakten, sondern eine Falschinfor­mation, die geeignet ist, den Leser und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.

Der running gag der K+S-Berichterstattung

„K+S investiere laut Willecke hingegen seit Jahren wirksam in den Umweltschutz. Das hätten auch die Um­weltminister der Werra- und Weseranrainer auf ihrer Konferenz bestätigt.“

Wir bezweifeln, dass die „Umweltminister der Werra- und Weseranrainer“ als Eideshelfer für ein K+S-Entsor­gungskonzept geeignet sind. Die Behauptung der „wirksamen Investitionen in den Umweltschutz“ ist auch keineswegs neu, eher seit Jahren der running gag der K+S-Kommunikationsabteilung.

Sehen wir uns deshalb nur ganz kurz die Wirksamkeit der zwei größten „K+S-Investitionen in den Umwelt­schutz“ seit 2008 an:

  • Das „360-Millionen-Maßnahmenpaket für den Gewässerschutz“ sollte die Salzbelastung der Werra bis 2015 halbieren. Tatsächlich ist es für die Werra ohne Auswirkung geblieben, hat aber zu einer Zunahme des Haldenwasseranfalls geführt und damit zu den seit 2015 notwendigen Produktionsein­schränkungen beigetragen.
  • Die neue „Eigenentwicklung“ der K+S AG, die 2018 in Betrieb genommene „Kainit-Kristallisati­ons-Flotationsanlage“ hat den K+S-Entsorgungsnotstand nicht entschärft und sie hat 2018 die Produkti­onseinstellung nicht verhindern können. Wegen ihrer geringen Wirksamkeit muss sich nun die K-UTEC AG mit der Entsorgung der Abwässer beschäftigen.

Eine mehr als minimale Reduzierung des Salzabstoßes oder gar einen „Schutz der Umwelt“ können wir bei beiden Anlagen nicht erkennen.

Anmerkungen:

(1) „Geologe erhebt schwere Vorwürfe gegen K+S. Unternehmen soll ihn falsch zitiert und seine Aussagen zur geplanten Abdeckung der Wathlinger Kalihalde verdreht haben,“ Hannoversche Zeitung 05.01.2019

(2) HNA vom 12.12.2018


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: