James Bond im Kalibergbau

Man muss sich eben etwas einfallen lassen

Manche Zeitungsartikel, so berichten mir Journalisten, sind eben­so notwendig wie ungeliebt. Sie ha­ben kei­nerlei Nachrichtenwert, aber sie sollen gute Anzeigenkunden in einem möglichst schmei­chelhaften Licht zeigen. Da muss man sich eben was einfallen las­sen.

von Walter Hölzel

Einladungen zu Besichtigungen von Betrieben sind dann grundsätzlich abzulehnen, wenn die Absicht erkennbar ist, daß mit der Veröffentlichung eines Berichtes über die Besichtigung eine kostenlose Werbung erreicht werden soll.“

Aus: Richtlinien für redaktionelle Hinweise in Zeitungen und Zeitschriften, Absatz 20, herausgegeben von der Ar­beitsgemeinschaft Deutscher Zeitungsverleger AGZV, dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV, dem Verband Deutscher Zeitungsverleger VDZ und dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft,

https://www.vdz.de/fileadmin/vdz/upload/print-digital/Regelwerke/37_Richtlinie_fuer_redaktionelle_Hinweise.pdf

Pitt von Bebenburg von der Frankfurter Rundschau hat eine Kaligrube in Herfa-Neurode besucht. Sein Be­richt ist besonders phantasievoll. Er versetzt einen von ungenannten Gegnern gejagten James Bond in die Untertagewelt des Kaliherstellers K+S AG und lässt ihn Abenteuer erleben. Der Filmheld, so seine Phanta­sie, befindet sich im Moment einer Sprengung im Bergwerk nur eine Sohle über der Untertage­deponie Herfa-Neurode, „die zu den größten Sondermülllagern der Welt zählt“. (Sie erinnern sich? Genau, dort, wo es 2015 gebrannt hat). „Eine aussichtslose Situation. Aber nicht für den Agenten seiner Majestät.“ fährt Pitt von Be­benburg fort. Zum Glück verfügt der „Agent seiner Majestät“ über einen „tonnenschweren Radlader“, der „350 PS stark ist“ und elektrisch betrieben wird. Nur wenn er sich bewegen soll, muss noch ein „Dieselmotor ange­worfen wer­den.“ Der Autor vergisst nicht, hinzuzufügen: „Das ist gut für die Luft.“ (Wozu dient eigentlich der „350 PS starke“ Elektro­motor, der das Fahrzeug nicht bewegt? Natürlich für die Bremslichter, was denn sonst. Das Fahrzeug bewegt sich ja nicht! Anmerkung des Autors). Herr von Be­benburg präsentiert sich in seinem Artikel somit nicht nur als Spezialist für rasante Plots, sondern auch für technische Utopien. Natürlich ist der Artikel redaktionell begründet, denn der Neuigkeitswert ist nicht zu übersehen. Wer hätte sonst ge­wusst, wie es bei K+S untertage so zugeht?

http://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/bergwerk-von-herfa-neurode-tief-unten-in-hessens-revier-a-1495608

Erst vor wenigen Tagen hatte Pitt von Bebenburg die „Umweltfriedenspolitik“ des (fast) neuen Vorstandsvor­sitzenden der K+S AG, Burkhard Lohr, fast schon emphatisch ausgebreitet und ängstlich gefragt, ob Lohr den Umweltfrieden für sein Unternehmen wohl sichern kann: „Ob ihm das gelingt, steht längst nicht fest. Am 1. Mai paddeln jedenfalls Umweltaktivisten, um den Druck auf K+S hoch zu halten.

http://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/k-s-weiter-weg-zum-umweltfrieden-a-1495655

Schreckliche Aussichten für K+S. Wir zittern mit der Frankfurter Rundschau und mit Pitt von Bebenburg.


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