Das bündnisgrüne Interesse am Zustand der Gewässer ist heuchlerisch
Alle Jahre wieder fragt die Fraktion der Grünen die Bundesregierung nach dem Zustand der Gewässer. Die Antwort ist voraussagbar: Es sieht nicht gut aus. Der Bundesregierung will es nicht gelingen, die Vorgaben europäischer Richtlinien zum Gewässerschutz zu erreichen. Auf Länderebene aber sind die Grünen für den von ihnen beklagten Zustand der Gewässer selbst verantwortlich.
von Walter Hölzel
Bei der Bundesregierung sind die Grünen durchaus an der richtigen Adresse, ist die doch für die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) gegenüber Brüssel zuständig. Gewässerpolitik wird aber in den Bundesländern gemacht, und hier sind es eben auch bündnisgrüne Umweltminister, die eine Verbesserung der Gewässergüte verhindern. Berlin kann nur an die EU-Kommission berichten, was die Bundesländer vorlegen. Das Interesse der Grünen an der Gewässerpolitik ist heuchlerisch.
Schon im Juni 2017 haben die Abgeordneten weitreichende Erkenntnisse aus einer Antwort der Bundesregierung gewonnen:
„Über die Hälfte aller Gewässer in Deutschland sind in einem miserablen ökologischen Zustand, das können wir nicht zulassen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Flüsse wieder zu Lebensadern der biologischen Vielfalt werden.“ ( Annalena Baerbock, Sprecherin für Klimapolitik der Grünen-Bundestagsfraktion) „Diese Zahlen zeigen, dass die Umweltbilanz der Bundesregierung auch im Bereich des Gewässerschutzes verheerend ist.“ (Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Grünen).(1), (2), (3)
Auch in diesem Jahr nehmen die Abgeordneten von B90/Die Grünen wieder Anteil am Zustand der Gewässer: (4), (5) „Bund und Länder müssen mehr für den Schutz der frei fließenden Flüsse tun“, forderte die naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen, Steffi Lemke. Flüsse seien „Lebensadern unserer Landschaft“ und ein Schwerpunkt des Artenreichtums. Doch die biologische Vielfalt und das Ökosystem Fluss seien „akut bedroht“. (6)
Die Abgeordneten der Grünen scheinen aber nicht geneigt, den festgestellten Befund als Arbeitsauftrag für die eigene Partei zu begreifen. Sehen wir uns deshalb einmal an, welchen Anteil bündnisgrüne Umweltminister an der Versalzung von Werra und Weser haben.
Seit etwa hundert Jahren entsorgt die Kali-Industrie im Werra-Fuldarevier ihre flüssigen Abfälle durch Verpressen in den Untergrund und durch Einleitung in die Werra. Dort ist die Süßwasser-Lebengsgemeinschaft vernichtet. Im Jahre 2000 ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie in Kraft getreten; sie verlangt, dass bis zum Jahre 2015 im Grund- und Oberflächenwasser der „gute ökologische und chemische Zustand“ erreicht wird. Aber weder der Verursacher der Werraversalzung, der Kalihersteller K+S, noch die hessische Landesregierung haben Anstrengungen erkennen lassen, um die Qualitätsziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie erreichen zu können. Deshalb hat sich der ökologische und chemische Zustand der Werra seit den Zeiten der maximalen Salzeinleitung durch DDR-Betriebe – gemessen mit dem Instrumentarium der EU-WRRL – nicht verbessert.
Statt nun – kurz vor Ablauf der Frist – auf die Umsetzung der EU-WRRL zu pochen, hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen) 2014 einen „Vierphasenplan“ veröffentlicht, der darauf verzichtete, die Ziele der EU-WRRL auch nur anzustreben. Er sollte es K+S gestatten, die Versalzung von Werra und Weser auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Ein solcher Plan ist ohne die Zustimmung der anderen Anrainerländer nicht möglich; wäre er abgelehnt worden, hätte K+S in moderne Aufbereitungstechnik investieren müssen, um den Abstoß von Salzen zu verringern.
Aber auch ihre AmtskollegInnen aus den Anrainerländern Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen, allesamt Parteifreunde, haben keinen Wert darauf gelegt, der Wasserrahmenrichtlinie Beachtung zu verschaffen und sie haben darauf verzichtet, K+S konkret auf moderne und wirksame Aufbereitungsverfahren zu verpflichten. Sie haben stattdessen 2016 einen Bewirtschaftungsplan für Werra und Weser beschlossen, der die Grundelemente des Vierphasenplans und damit die Nicht-Umsetzung der EU-WRRL verwaltungsverbindlich festschreibt. (7)
Selbstverständlich läuft dieser Bewirtschaftungsplan den Zielen der EU-WRRL zuwider, deshalb muss er noch vor Ablauf seiner Gültigkeitsfrist überprüft werden. Die Überprüfung ist für den Herbst 2018 vorgesehen. Und wieder einmal ist es ein Grüner, der die Aufgabe übernimmt, der Flussgebietsversalzung das Wort zu reden und eine Verbesserung chemischen und ökologischen Situation von Werra und Weser als unmöglich darzustellen.
Ende März 2018 kündigt der Bauingenieur und Ministerialrat im Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Rudolf Gade, einen Artikel mit dem Titel „Salzbelastung in Fließgewässern“ an. (8)
Für Herrn Gade geht es hier um die „Zukunft der Kaliindustrie in Mitteldeutschland“. Deshalb hat er auch kein Verständnis, wenn „Gefordert wird, dass die Kaliproduktion nur noch komplett rückstandsfrei erfolgen dürfe, das heißt keine Salzeinleitungen in Oberflächengewässer, keine neuen Abraumhalden, keine Emissionen.“ Er ist sich sicher: „Dies ist allerdings eine Utopie.“, denn „Die Weser-Länder haben in den vergangenen Jahren mit der deutschen Kali-Industrie einen intensiven Dialog geführt. Dabei hat sich gezeigt, dass eine völlig rückstandsfreie Produktion nicht möglich ist.“
Wir wollen es Ministerialrat Gade nachsehen, wenn er hier wiederholt, was die Presseabteilung des Unternehmens K+S vorgegeben hat. Es muss allerdings verwundern, wenn er immer noch Positionen vertritt, bei denen der Kalihersteller inzwischen vorsichtiger ist. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob eine abstoßfreie Produktion in der Kali-Industrie technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Dies hatte K+S noch 2014 am Beispiel der K-UTEC-Vorschläge abgestritten und sich dafür eine schallende Ohrfeige des Umweltbundesamts einghehandelt. Weniger theoriebegabte Mitbürger können sich an der Praxis orientieren: internationale Beispiele zeigen, dass eine abstoßfreie Produktion in der Kali-Industrie machbar ist.
Dabei könnte es Herr Gade durchaus besser wissen. Anfang 2016 hat er gemeinsam mit seinem damaligen Chef, dem niedersächsichen Umweltminister Stefan Wenzel, den Salztechnologiespezialisten K-UTEC AG in Sondershausen besucht, um sich über die Möglichkeiten einer abstoßfreien Produktion bei K+S zu informieren. Ich kann bestätigen, dass ihm dort kein notwendiges Detail zum internationalen Stand der Technik vorenthalten worden ist. Aber offenbar haben alle Ausführungen das hochgestellte Radar des Ministerialrats aus Hannover unterlaufen.
Wir empfehlen: lesen Sie auch die Langfassung des erwähntes Artikels. (9) Sie wissen dann, mit welchen Argumenten im Herbst die europäische Wasserrahmenrichtlinie für Werra und Weser ausgehebelt werden soll.
Anmerkungen:
- http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fluesse-und-seen-haelfte-deutscher-gewaesser-oekologisch-verarmt- a-1151998.html
- W. Hölzel (WWA), Offener Brief an den Umweltpolitischen Sprecher der Fraktion B’90/Die Grünen im Bundes tag, 14.07.2017; veröffentlicht auf www.wasser-in-not.de
- RA A. Reitinger, W. Hölzel (WWA), „Faktencheck: Bündnisgrüne Gewässerpolitik. So wollen B’90/Die Grünen ihr Versagen bei der Versalzung von Werra und Weser schön reden“, 21.7.2017; veröffentlich auf www.wasser-in-not.de
- http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-04/gewaesserschutz-fluss-zustand-bundesregierung-gruene-umweltbundesamt
- https://www.hna.de/welt/deutsche-gewaesser-in-schlechtem-zustand-zr-9742309.html
- http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/bundesregierung-zu-wenig-leben-in-deutschen-fluessen-und-baechen-a-1200865.html
- http://www.wasser-in-not.de/index.php/aktuelles-alt2/897-detaillierter-bewirtschaftungsplan-detailliertes-massnahmenprogramm-2015-bis-2021-fuer-die-flussgebietseinheit-weser-bzgl-der-salzbelastung
- https://www.springerprofessional.de/umwelt/abwasser/salzbelastung-in-fliessgewaessern/15518922
- https://www.springerprofessional.de/salzbelastung-in-fliessgewaessern/15518430