Der K+S-Entsorgungsnotstand, die Verklappung von von K+S-Abwässern in Bergwerke, die Oberweserpipeline und die K+S-Kommunikationskultur
Wer soll sich da noch auskennen?
2015/2016 kollabiert das Entsorgungssystem der K+S Kali GmbH und die Länder Thüringen und Hessen bieten dem Unternehmen an, seine Abwässer in dortige Bergwerke zu verklappen. Deren Kapazität soll ausreichen, alle Abwässer des Unternehmens aufzunehmen. Nach unseren Informationen nutzt K+S diese Angebote nicht, setzt aber den umstrittenen Salzabstoß fort und treibt die Verfahren für die Verklappung seiner Abwässer in die Oberweser voran. K+S richtet ein „Kommunikationsbüro“ in Hofgeismar ein, kommuniziert aber um Monate verspätet, dass seine „Oberweserpipeline“ an der Einleitstelle nun durch ein Wohngebiet geführt werden soll.
Wo ist die höhere Weisheit, die solche Widersprüche erklärt und dabei nicht die Glaubwürdigkeit des Unternehmens infrage stellt?
von Walter Hölzel
Ende 2015 hätten die Werra-Weser-Anrainerländer der EU-Kommission in einem Bewirtschaftungsplan erklären sollen, wie auch in diesem Flussgebiet bis 2021 der „gute ökologische Zustand“ erreicht werden soll. Dieses Bewirtschaftungsziel für Oberflächen- und Grundwasser hatten die EU-Mitgliedsstaaten vertraglich vereinbart, die EU-Wasserrahmenrichtlinie regelt die Ziele, Verfahren und Zeitabläufe. Der Bewirtschaftungsplan wurde mit Spannung erwartet, denn K+S als Verursacher der Flussgebietsversalzung und das Verursacherland Hessen schienen sich gegen die europäischen Verträge stellen zu wollen: In dem „Vierphasenplan“ von 2014 hatten K+S und die hessische Umweltministerin Priska Hinz (B’90/Die Grünen) dargelegt, dass die vereinbarten Ziele in Werra und Weser auch bis 2075 nicht erreicht und noch nicht einmal angestrebt werden sollen. Demgegenüber hatte die EU-Kommission erklärt, dass sie an diesen Zielen festhalten wolle; K+S dürfe von der Zielerreichung nicht ausgenommen werden, weil „die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben“ seien.
Bis Ende 2015 hätte die K+S Kali GmbH auch dafür sorgen müssen, künftig auf das Verpressen von Abwässern verzichten zu können. Diesen Entsorgungsweg hatten die hessische Genehmigungsbehörde nämlich nur „letztmalig“ erlaubt und die betreffende Genehmigung würde nun auslaufen.
Der vorzeitige Entsorgungsnotstand
Es war sicher nur ein Zufall, dass K+S ebenfalls 2015 den „Entsorgungsnotstand“ ausrief: wegen der geringen Wasserführung der Werra könne man nicht alle Produktionsabwässer über den Fluss entsorgen und man müsse die Produktion einschränken. Das Regierungspräsidium Kassel hatte schon 2012 vor einem Entsorgungsnotstand gewarnt, ihn aber erst für 2018 prognostiziert. Die Probleme waren tatsächlich voraussehbar und sie waren hausgemacht. Das Unternehmen hatte nämlich nicht etwa seinen Salzabstoß verringert, sondern stattdessen vermehrt feste Abfälle produziert und diese auf Rückstandshalden deponiert. Die dort vermehrt anfallenden Haldenlaugen müssen vorrangig in die Werra eingeleitet werden und sie verringern die Aufnahmefähigkeit des Flusses für Produktionsabwässer. Das Problem wird verschärft durch Rückläufe aus dem Untergrund, deren Menge als Folge der fortgesetzten Laugenverpressung ebenfalls zunimmt. Vergessen werden dürfen auch nicht die jährlich 300.000 Kubikmeter an Haldenlaugen aus dem Fuldarevier, die in die Werra eingeleitet werden, nachdem dort bereits 2007 das Entsorgungssystem kollabiert war. Mit seinem „360-Millionen-Euro-Maßnahmenpaket zum Gewässerschutz“ hatte das Unternehmen nicht seinen Salzabstoß reduziert, sondern den beschriebenen „Abfallkreislauf“ initiiert, der über den Engpass Werra notwendig zu Schwierigkeiten führen musste.
Um es kurz zu machen: K+S hat die verlangte Erlaubnis zur Laugenverpressung wieder erhalten, auch jetzt wieder „letztmalig“, und der neue Bewirtschaftungsplan für Werra und Weser respektiert weder die Ziele noch die Fristen der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Er ermutigt K+S aber, eine Verletzung des Verschlechterungsverbots in der Werra über die Verklappung von Abwässern in die Oberweser („Oberweserpipeline“) zu umgehen. Das würde die Situation der Flüsse nicht verbessern, könnte aber Produktionseinschränkungen überflüssig zu machen – wenn die EU-Kommission auf die vereinbarten Ziele verzichtete. Das ist keineswegs sicher. Deshalb halten wir das K+S Entsorgungskonzept nicht nur technisch für unzureichend, sondern in rechtlicher Hinsicht für abenteuerlich. Dieses Risiko wäre wäre nicht nötig: die WWA hat bereits 2014 mit ihrem Dreistufenplan nachgewiesen, dass die Bewirtschaftungsziele der EU-WRRL bis 2027 erreicht werden könnten, wenn K+S international praktizierte Verfahren auch im Werra-Weser-Revier anwenden würde. (1). Der Salztechnologie- und Bergwerks-Spezialist K-UTEC aus Sondershausen hatte bereits 2012/2014 eine Maßnahmenkombination vorgeschlagen und deren technische und wirtschaftliche Eignung nachgewiesen.
Weitere Ungereimtheiten
Damit sind bei Weitem nicht alle Ungereimtheiten aufgezählt. Nach dem Entsorgungskollaps 2015/16 haben die Länder Thüringen und Niedersachsen dem Unternehmen angeboten, seine Abfälle in dortige Bergwerke zu verklappen. Damit wollten sie weitere Produktionseinschränkungen vermeiden und den Mitarbeitern der K+S Kali GmbH die ständige Furcht vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze nehmen. Die Stapelräume in den angebotenen Bergwerken sollten ausreichen, alle Abwässer des Unternehmens aufzunehmen. Die zweifelhafte Laugenverpressung und die ständig drohende Überschreitung der Grenzwerte in der Werra könnten vermieden werden Damit wäre der Bau der „Oberweserpipeline“ überflüssig.
Uns ist aber nicht bestätigt worden, dass K+S diese Angebote jemals genutzt hätte. War der Entsorgungsnotstand nur vorgetäuscht? Schon 2015/16 sind Zweifel geäußert worden. (2), (3), (4), (5)
Die Kommunikationskultur war überfordert
An einer weiteren Verklappungsstelle an der Oberweser scheint K+S aber in besonderem Maße interessiert zu sein. Der Bau der „Oberweserpipeline“ stößt bei den betroffenen Kommunen und den Bürgern der Region auf Kritik und Widerstand. Man wendet sich gegen die massiven Eingriffe in den Reinhardswald und in Naturschutzgebiete und verlangt von K+S, stattdessen in wirksame Aufbereitungstechnik zu investieren. Das war wohl der Grund für K+S, in Hofgeismar eigens ein „Kommunikationsbüro“ einzurichten. Als es aber zur Nagelprobe kam, war von der Kommunikationsbereitschaft des Unternehmens nicht mehr viel zu erkennen.
Wegen einer im September 2017 notwendig gewordenen Trassenänderung will K+S seine Abwasserpipeline an der Einleitstelle bei Gieselwerder nun bis in die Wohnbebauung und über private und kommunale Grundstücke führen. Die Einwohner erfahren davon erst kurz vor Weihnachten, sollten sich aber bis Ende Januar 2018 äußern. Bürgermeister Turrey ist empört über die mangelnde Kommunikationskultur und die Intransparenz des Unternehmens: :“Als unerträglich bezeichnete er, dass man regelmäßig mit K+S-Vertretern beim Kaffee zum Informationsaustausch zusammengesessen habe, aber von diesen Plänen hätten sie nichts erzählt. (6)
Auch die Landtagsabgeordnete Brigitte Hofmeyer (SPD) kritisiert das Unternehmen scharf. Die HNA schreibt:
„Als unglaublichen Vorgang und weiteren Vertrauensverlust gegenüber K+S sowie dem Regierungspräsidium Kassel bezeichnet die Hofgeismarer SPD-Landtagsabgeordnete Brigitte Hofmeyer die nun bekanntgewordenen Pläne zur Oberweser-Pipeline. Es sei unfassbar, dass die Verantwortlichen bereits seit Sommer 2017 wüssten, dass die bisher geplante Trasse nicht an den Weserhängen erfolgen könne und die Gemeinde Oberweser dies zwei Tage vor Weihnachten erfahre. „Der Gipfel ist, dass man nun eine neue Variante durch das Wohngebiet von Gieselwerder plant, ohne ein übliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und der Gelegenheit zur Stellungnahme von Naturschutz- und Umweltverbänden in Gang zu setzen“, erbost sich Hofmeyer. Allein von der Gemeinde eine Stellungnahme bis Ende Januar zu fordern, und damit die sitzungsfreie Zeit in den Weihnachtsferien zu wählen, zeige, dass man an keinem transparenten Verfahren interessiert sei.“
„Inhaltlich halte sie die neuen Pläne für abenteuerlich. Bisher sei eine geschlossene Querung des Weserhangs geprüft worden, die sich nun als nicht realisierbar zeige und damit die Kritiker bestätige. Nun sei man zur Umplanung gezwungen, verlagere die Risiken in Wohngebiete und gefährde das Grundwasser. Denn mit der geplanten Grundwasserabsenkung in den Weserauen und damit in der Nähe der Wohnbebauung von Gieselwerder sei ein unglaublicher Einschnitt verbunden. Die städtebaulichen Entwicklungen für Oberweser und die Planungshoheit der Gemeinde würden so wesentlich beeinträchtigt.“
„Die Alternativtrasse sei nun auch noch in offener Bauweise geplant, führe durch FFH-Gebiete, quere Bachläufe und sei damit alles andere als eine praktikable Lösung. Zumal sie im letzten Abschnitt auch noch im geschlossenen System über den touristisch genutzten Mühlenplatz vorbei an der Wohnbebauung und unter einer Tankstelle hergeführt werden müsse.“
„Ich wurde ein weiteres Mal in meiner Überzeugung gestärkt, dass diese Oberweser-Pipeline und die damit verbundenen ca. 35 ha großen Industrie-Speicherbecken im Reinhardswald absoluter Irrsinn sind“, so Hofmeyer abschließend. Die Lösungen lägen vor Ort in der Produktion und bei der Vermeidung von Abfällen.“ (7)
Dieser Ansicht ist die Werra-Weser-Anrainerkonferenz auch.
Anmerkungen:
- http://www.wasser-in-not.de/#
- http://www.wasser-in-not.de/index.php/aktuelles-alt2/749-k-s-entsorgungsnotstand
- http://www.wasser-in-not.de/index.php/presse/zeitungen-zeitschriften/753-riskantes-pokerspiel-von-k-s
- http://www.wasser-in-not.de/index.php/aktuelles-alt2/772-k-s-setzt-weiter-auf-panikmache-derzeit-kein-entsorgungsnotstand
- http://www.wasser-in-not.de/dateien/aktuelles/2016-04-01%20Stapelbecken%20an%20der%20Ulster.jpg
- HNA vom 26.01.2018: „Salzrohr – Neuer Plan empört Oberweser – Änderung nicht verraten -Gemeinde Oberweser erbost über Informationspolitik des Konzern K+S“
- HNA vom 02.02.2018: „Oberweserpipeline bei Gieselwerder durch die Hintertür“