von Walter Hölzel
„Der Chef der Industriegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sieht erste Zeichen einer schleichenden Deindustrialisierung in Deutschland. Statt die industrielle Wertschöpfung im Land zu halten, würden Industrieprojekte verzögert, Investitionen behindert und Arbeitsplätze gefährdet, sagte Vassiliadis am Montag auf dem Gewerkschaftskongress der IG BCE in Hannover. Dem Land fehle es an industriepolitischer Orientierung, kritisierte er: „Exportweltmeisterschaft finden alle cool und sexy, aber Flächen vor Ort für die Ansiedlung von Produktion, Logistik und Lagerhaltung undenkbar.“
Da beklagen sich gerade die Richtigen.
Dass die Orientierung am technischen Fortschritt die Industrie stärkt und die Arbeitsplätze sichert, das ist eine Binsenwahrheit. Unternehmen, die den technischen Fortschritt verpassen, werden langfristig vom Markt verschwinden.
Dass verschärfte Umweltvorschriften den Unternehmen nicht schaden, zeigt die Erfolgsgeschichte seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Schon damals hatten Gewerkschaften befürchtet, die Löhne der Arbeitnehmer müssten zwangsläufig leiden, wenn Unternehmen die Umwelt und damit die Gesundheit der Bürger weniger belasten dürfen.
Bei der IG BCE scheint dieses Denken aus dem letzten Jahrhundert immer noch zu herrschen. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Gewerkschaft im Falle des Kaliherstellers K+S von der Landesregierung verlangt, dem Unternehmen alle gewünschten Genehmigungen zu erteilen? Auch dann, wenn solche Genehmigungen gegen europäische Richtlinien verstoßen, die Belastung der Anlieger von Werra und Weser erhöhen und Ewigkeitslasten erzeugen?
Es gibt längst Verfahren, die in der Kali-Industrie eine abstoßfreie Produktion ermöglichen. Sie würden K+S aus dem selbstverschuldeten Entsorgungsdilemma helfen und sie würden im Werrarevier 300 neue Arbeitsplätze schaffen. Da die Rohsalze besser ausgewertet werden, verlängert sich die Laufzeit der Gruben und dies verschafft auch folgenden Generationen noch einen Arbeitsplatz in der Kali-Industrie.
Dass es der Gewerkschaft dabei darum geht, dem Unternehmen K+S Investitionen im moderne Aufbereitungstechnik zu ersparen, hat der IG BCE-Funktionär Weber auf den Punkt gebracht. Im Protokoll einer Anhörung zum Stand der Technik in der Kali-Industrie im Landtag NRW (2014) ist nachzulesen, dass nach seiner Meinung die Arbeitnehmer bei K+S zwar gut verdienen, das bedeute aber nicht, dass man nicht „noch mehr haben“ wolle. Investitionen in den Umweltschutz sehe man kritisch, die dort gebundenen Gelder hätte man lieber in der Lohnverhandlungen als Verhandlungsmasse.
Vor diesem Hintergrund ist es die IG BCE selbst, die sich industriefeindlich verhält und der oft beschworene Widerstreit zwischen Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherheit erweist sich als heuchlerisch.
Unternehmen und Gewerkschaft betonen, dass es Bergbau ohne Rückstände weltweit nicht gibt. Das ist zweifellos richtig. Der Stand der Technik zeigt aber, dass man mit den Rückständen nicht mehr so umgehen muss, wie K+S dies immer noch tut und wie es der Gewerkschaft offenbar recht ist.